6 Tipps für Motorradtouren in Italien helfen, gut durch Land und Städte zu kommen und dabei Probleme und Unannehmlichkeiten zu vermeiden.
Geschätzte Lesedauer: 4 Minuten
1. When in Rome, do as the Romans do.
Die meisten Ausländer begehen im italienischen Verkehrstrubel einen kapitalen Fehler: Sie fahren so, wie sie es in ihrer Fahrschule gelernt haben – Schulterblick, Rückspiegel, einfädeln lassen, rechts vor links und dergleichen mehr. Aber genau so funktioniert das in Italien nicht.
Einer der wichtigsten Tipps für Motorradtouren in Italien ist deshalb: Man muß wissen, daß sich die Kraftfahrer grundsätzlich an dem Verkehrsgeschehen orientieren, das VOR ihnen läuft. Alles was sich hinter ihnen abspielt, ist vollkommen egal. Im Verkehrsfluß schaut auch der Vordermann nach vorne, der Hintermann ebenfalls. Man selbst ist mittendrin und dabei stets unter der Kontrolle der übrigen Verkehrsteilnehmer – auch wenn man das nicht so mitbekommt.
Hält sich nun ein ausländischer Verkehrsteilnehmer aufgrund seiner nordeuropäischen Sozialisierung nicht an diese eiserne Regel, ist das Chaos programmiert. Und der eigene Schaden vielleicht auch.
Zugegebenermaßen: Diese Vorwärtsstrategie ist nicht jedermanns Sache und viele trauen sich nicht, nur mit Blick nach vorne und ohne den gewohnten Kontrollblick in den Rückspiegel zu fahren. Aber es funktioniert, weil die Einheimischen das so erwarten.
2. Nicht tricksen
Im italienischen Verkehrsgewühl haben viele sicher schon bemerkt, mit welchen Tricksereien sich die Einheimischen durchzuschlagen wissen. Auch das ist eine Frage der Sozialisierung und der langjährigen gleichförmigen Übung.
Ich kann nur dringend davon abraten, ihnen dies gleichtun zu wollen. Vor allem nicht mit ausländischem Kennzeichen. Erstens können die Italiener das in aller Regel besser. Und zweitens kommt das nicht gut an. Unweigerlich wird man deshalb bei der nächsten passenden Gelegenheit den Kürzeren ziehen. Und zwar häßlich. Also con calma, immer mit der Ruhe, auch wenn im hochsommerlichen Stadtverkehr der Schweiß rinnt.
3. Bella figura
Zu den nordeuropäischen Fehlwahrnehmungen gehört auch, italienischen Kraftfahrer*innen einen Hang zum bella figura machen zu unterstellen, um in der Öffentlichkeit einen tollen Eindruck zu schinden. Das hat aber mit der Realität ebenso wenig zu tun wie Dosenravioli mit italienischer Küche.
Dahinter steckt vielmehr eine Haltung, die seit der Renaissance als sprezzatura bekannt ist: eine gewisse Art von Lässigkeit anzuwenden, die die Kunstfertigkeit verbirgt und gleichzeitig aber zeigt, daß das, was man tut oder sagt, anscheinend mühelos und fast ohne Nachdenken zustande gekommen ist („usar in ogni cosa una certa sprezzatura, che naschonda l’arte e dimostri ciò che si fa e dice venir fatto senza fatica e quasi senza pensarvi“).
Einen der wichtigsten Tipps für Motorradtouren in Italien sollte man deshalb mit in den Süden nehmen: Die beschriebene Fahrweise setzt voraus, daß man die nötige innere Einstellung und die zugehörige Erfahrung besitzt, um sich im Verkehrstrubel so durchzuschlagen wie die Italiener dies tun. Diese bringen jedoch nur die wenigsten Ausländer mit. Aber ein wenig davon abschauen kann man sich vielleicht schon.
4. Verkehrsregeln sind für Ausländer da?
Viele Ausländer gewinnen den Eindruck, als seien die Verkehrsregeln in Italien nichts weiter als unverbindliche Anhaltspunkte für das Verhalten im Straßenverkehr.
Das mag ja oft so sein, aber es ist kein Grund zum Nachmachen. Viele Ausländer vergessen, daß sie mit ihrem Kennzeichen perfekt in das Beuteschema der Ordnungshüter und der Ortsansässigen passen, die (zurecht) an einem solchen Verhalten Anstoß nehmen. Daß ein Einheimischer damit durchkommt, haben wir nicht zu beurteilen. Es ist eine ganz andere Sache, wenn wir als Ausländer dies tun. Auch bei uns in Deutschland hinterläßt es einen denkbar schlechten Eindruck, wenn ausländische Boliden im absoluten Halteverbot parken oder auf der Autobahn waghalsige Rennen veranstalten. Nicht zu vergessen: Solche Ordnungswidrigkeiten werden in der Öffentlichkeit dem Herkunftsland als ganzem angelastet.
5. Meide die Innenstadt
Historische italienische Städte haben eine im Grunde sehr vernünftige Regelung, ortsfremden Verkehr aus dem Centro Storico draußen zu halten: die ZTL (Zona di Traffico Limitato), in die ausschließlich Fahrzeuge mit einer Sondergenehmigung einfahren dürfen.
In den meisten Städten sind bei Beginn der ZTL Überwachungskameras angebracht. Die Kennzeichen aller Fahrzeuge werden fotografiert und es wird automatisch überprüft, ob eine Einfahrtsgenehmigung für das Kennzeichen vorhanden ist – oder nicht. In kleineren Gemeinden wird die Zufahrt durch die Polizei kontrolliert.
Eklig ist nicht nur, daß man im Falle eines Verstoßes mit mindestens 80 Euro mit von der Partie ist. Selbst wenn es einem gelingt, in die ZTL einzufahren, begibt man sich in aller Regel in einen Irrgarten aus Einbahnstraßen, Pollern und Treppchen, in dem man bald verloren ist.
Mein Rat daher: Vorher orientieren, wo man das Motorrad sicher parken kann (parcheggio custodito) und dann zu Fuß weitergehen. Zudem sind die meisten historischen Innenstädte ja nicht so groß, daß man dies nicht schaffen würde.
6. Mittags Strecke machen
Um auf einer Etappe flott voranzukommen, eignet sich die Mittagszeit. Warum? Dann sitzt die Nation über ihrem wohlverdienten pranzo und auf den Straßen herrscht deshalb weniger Verkehr als vor- oder nachher. Wohltuend bemerkbar macht sich dies vor allem bei (Autobahn-)Baustellen, an denen sich dann meist fühlbar weniger Staus bilden. Ein Plädoyer für kleine Pausen zwischendurch und ein genüßliches Abendessen am Schluß der Tagesetappe.
In diesem Sinne: Viel Spaß und gute Fahrt bei Euren Motorradtouren in Italien!
Aktualisiert am 06/10/2021 von Christian
Frank
30. Oktober 2022 at 12:39
Hallo Christian,
ich bin durch Zufall auf Deiner Seite gelandet, weil ich versucht habe herauszufinden, wie das Wetter für einen Motorradurlaub in Italien im April ist. Wir fahren quasi ab dem 21.04. den Stiefel von Norden kommend bis ungefähr Höhe Rom, z.T. auch offroad.
Ich finde Deine Ratschläge sehr interessant und wichtig und werde sie an meine Mitfahrer weiterleiten. Vielen Dank dafür.
Kannst Du mir was zu dem Wetter im April sagen? Müssen wir mit viel Niederschlag rechnen?
Viele Grüße aus dem Rheinland
Frank
Christian
30. Oktober 2022 at 18:37
Hallo Frank,
ich freue mich, für Euere geplante Italientour einige Hinweise geben zu können. Wenn Ihr die Strecken entsprechend aussucht, werdet Ihr sicher nicht enttäuscht sein. Schau doch mal in meinen neuesten Post („Zeitreise“), da findest Du zwei echt gute Tourenstrecken auf dem Weg Richtung Rom. Was das Wetter anbetrifft: In all den Jahren, die ich in Rom verbracht habe, war Mitte/Ende April eigentlich immer gutes Tourenwetter (Mit Ausnahmen ist natürlich immer zu rechnen). Nicht zu kühl, nicht zu heiß, insgesamt heitere Grundstimmung. Für die Wetterprognose empfehle ich die Wetter-Webseite der italienischen Luftwaffe http://www.meteoam.it/ Die ist sehr detailliert und insgesamt verläßlich.
Viel Spaß bei der Vorbereitung! Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Viele Grüße
Christian
Frank
30. Oktober 2022 at 18:53
Klasse Christian,
das beruhigt mich etwas. Meine Offroadskills sind eher unterirdisch, dafür hat mein Mopped ordentlich was zuviel auf den Hüften. Keine so tolle Mischung🙈🙊🙉, da brauche ich nicht auch noch viele Niederschläge und Matsch zu meinem Glück…🙈😥🤷♂️
Vielen Dank auch für den Tipp mit der Wetter-App, die kannte ich noch nicht. Schaue ich mir gleich mal etwas genauer an👍💯
Christian
1. November 2022 at 12:45
Hallo Frank,
bitte beachtet bei Euerer Offroad-Planung, daß es in Italien seit dem vergangenen Jahr eine gesetzliche Regelung gibt, welche die Nutzung nichtöffentlicher Straßen stark einschränkt oder sogar verbietet. Ich habe mir den Text mal durchgelesen; er ist so formuliert, daß er einer Verwaltung, die dem unbefugten Benutzer solcher Wege „einen machen“ will, bei der Umsetzung ziemlich freie Hand läßt. Dies nur zu Euerer Info mit allen guten Wünschen für Euer Tourenprojekt.
Christian