Eine Saisonabschlußtour bei Schmuddelwetter ist weniger schrecklich als sich das anhört. Du trainierst dabei deine Fahrsicherheit und deine Widerstandsfähigkeit. Was mußt du dabei beachten?
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Das mußt du wissen:
Fahren zur Unzeit
Stelle dir folgendes Szenario vor: Herbst. Wechselhaftes Wetter. Das Saisonkennzeichen läuft bald ab. Zu allem Überfluß mußt du bis zum Jahresende noch drei Tage Überstunden abbauen.
Preisfrage: Was gedenkst du mit dieser Zeit anfangen? Natürlich kannst du Weihnachtsplätzchen backen. Oder dich schon mal an die Steuererklärung machen. Aber das ist alles nicht so prickelnd.
Alternative: Du raffst dich auf zu einer Saisonabschlußtour, auch wenn Schmuddelwetter droht. Regen hin – Regen her: Es gibt viele Leute, die fahren extra zwei Wochen nach Schottland oder Norwegen und wissen genau, daß sie dort früher oder später der Blanke Hans erwischen wird. Es ist halt das Tourenerlebnis, das zählt. Und das kannst du ebenso gut im eigenen Lande haben, einfacher und billiger. Dazu möchte ich dir ein paar Tipps geben, wie du dich auf dieses Unternehmen vorbereiten kannst.
Gute Reifen
Wenn deine Reifen aus der vergangenen Saison schon eckig gefahren und ihre Profile bußgeldverdächtig flach geworden sind, solltest du keinesfalls auf eine herbstliche Schmuddeltour gehen. Aquaplaning und nasse Blätter auf Kurvenstrecken sind Top-Gefährder für deine Sicherheit. Deshalb gönne dir schon jetzt einen Satz neue Reifen. In der nächsten Saison wirst du sie ohnehin brauchen und und billiger werden sie mit der Zeit auch nicht.

Warme wasserdichte Klamotten
Wenn Dein Fluchen im Regenschauer nicht lauter werden soll als die 95 dbA, die in deinem Fahrzeugschein stehen, dann schaue nach, ob bei dir noch alles dicht ist. Bei der Kutte, meine ich: Ist deine Motorradbekleidung warm genug? Hält die Imprägnierung noch? Wenn ja, ist’s gut. Wenn nein, gönne ihr noch mal ein Imprägnierbad oder ein Imprägnierspray. Früher oder später wäre das ohnehin fällig geworden.
Packe auf jeden Fall eine wasserdichte Regenkombi ein. Ob einteilig oder zweiteilig, bleibt dir überlassen. Wichtig ist, daß dir das Wasser nicht irgendwo hineinläuft. Wenn Dein Motorrad für Seitenkoffer gerüstet ist, mache die dran und verstaue die Regenkombi darin zugriffsbereit. Unter dem Schutz des nächsten Alleebaumes oder der nächsten Brücke hast du sie dann schnell bei der Hand.
Klares Helmvisier
Das Helmvisier muß für Touren bei Schmuddelwetter zwei essentielle Eigenschaften aufweisen: Innen muß es beschlagfrei sein und außen darf keine störenden Kratzer haben. Nachdem Pinlock-Visiere bei modernen Helmen weitgehend Standard sind, wirst du ohnehin wissen, ob dir bei Regen eine Dunstschicht den Blick trübt oder nicht. Im Zweifel lohnt ein Austausch des Pinlocks, das ist keine große Sache.
Was die Kratzer betrifft: Denke dran, daß Staub und Insekten auf dein Visier einwirken wie ein Sandstrahlgebläse. Sie rauhen die Visierfläche auf und reflektieren dadurch das Licht entgegenkommender Fahrzeuge. Das ist nicht nur störend; es ist letztlich auch ein Sicherheitsproblem. Wenn dem so ist, poliere die Kratzer mit einem ausgewiesenen Acrylpflegemittel heraus. Mein Favorit ist Micro-gloss liquid abrasive, wie es auch die US Luftwaffe für die Kabinendächer ihrer Kampfjets verwendet. Nicht ganz billig, aber super in der Anwendung. Auch bestens geeignet, um Kunststoffgegenstände auf Hochglanz zu polieren.
Dichter Übergang Helm-Jacke
Eines darf auf keinen Fall passieren: daß dir der Regen zwischen Helm und Jacke hineinläuft. Überprüfe deshalb den guten Abschluß. Wichtig dafür ist ein guter Schal, Halswärmer oder Rundstrickschal, am besten aus einem Material, das am Ende der Tagesetappe schnell wieder trocknet. Bewährt hat sich auch eine Alpinjacke mit hohem Kragen, die wärmt und schützt.
Ersatzhandschuhe
Wasserdichte warme Handschuhe sind wichtig nicht nur für das persönliche Wohlgefühl, sondern auch für die sichere Handhabung des Lenkers und seiner Bedienelemente. Für die Wärme gibt es auch zusätzliche Unterziehhandschuhe. Zur Sicherheit nehme ich immer ein paar Ersatzhandschuhe zum Wechseln mit, falls das erste Paar doch durchweichen sollte. Unterbringung wie bei der Regenkombi: zugriffsbereit im Seitenkoffer.
Zu meiner Standardausrüstung gehört auch ein Paar Arbeitshandschuhe, die ich unter dem Sattel verstaut habe. Man kann ja nie wissen, was unterwegs an Drecksarbeit anfällt.

Wasserdichte Stiefel
Wasserdichtigkeit ist ein absolutes MUSS auch für deine Stiefel. Laß deshalb deine Sommerstiefel zu Hause und ziehe wetterfeste Exemplare an, die als wasserdicht ausgewiesen sind. Gönne ihnen vor Fahrtantritt noch einen festen Auftrag mit Pflegemittel. Mein Favorit ist das 8030-12-160-1681 von der Bundeswehr, das hält 100%ig dicht.
Trockener Sattel
Ich habe keine Lust, nach einer regnerischen Nacht auf einen nassen Sattel zu steigen. Deshalb ziehe ich nach Ankunft am Quartier eine Mülltüte über den Sattel. Wenn die Verriegelung Löcher reinreißt, ist das egal. Hauptsache, der Sattel bleibt trocken. Die Tüte wird ggf. entsorgt.
Persönliche Präferenzen
Laß dich nicht davon beirren, daß die Nebensaison für den Tourenfahrer recht ungemütlich werden kann: Es wird zeitig dunkel, die Etappen werden kürzer. Viele Hotels/Gasthöfe in der tiefen Provinz haben geschlossen. Mit etwas Glück findest du eine schlichte Frühstückspension, an der allerdings die zivilisatorische Entwicklung vorbeigegangen zu sein scheint. Die einzige Kneipe am Ort hat vielleicht auch noch Ruhetag. Auf dem 24″ Bildschirm flimmern drei tschechische und vier verpixelte deutsche Kanäle. Du bist an einem langen Abend mutterseelenallein auf deiner Bude. Viel Spaß!


Darauf solltest du dich vorsichtshalber einstellen. Deshalb vor dem Hintergrund aktueller Erfahrungen einige Tipps dazu:
Unterhaltung
Für die Unterhaltung an einsamen Abenden ist ein gut präpariertes Tablet unbezahlbar: Du hast Filme heruntergeladen, Musik und eBooks – wohl wissend, daß die Internetverbindung in deiner Zielregion oft nicht über 3G hinausgeht. Außerdem kannst du deine Memoiren schreiben, wenn dir der Sinn danach steht. Das Tablet wickle ich für unterwegs gut in Jeans und Wäsche ein, da ist es im wasserdichten Seitenkoffer gut geschützt.
Rekreation
Was belebt nach einer feucht-frischen Etappe so schön wie ein heißer Kaffee? Der aber – oh Weh und Ach – ist in der Pampa außerhalb der Öffnungszeiten nicht ohne weiteres greifbar. Deshalb behelfe ich mir auf meiner Saisonabschlußtour bei Schmuddelwetter mit einem Mini-Tauchsieder, einem Emaille-Kaffeebecher und Pulverkaffee aus dem Einmalpäckchen. Sobald ich in der Unterkunft ein Gepäck abgestellt habe, mache ich mir auf dem Nachttisch einen Kaffee klar. Bis ich dann wieder landfein hergerichtet bin, dampft das Heißgetränk schon im Becher.

Desinfektion
Ich möchte nicht in Verruf geraten, aber auf Tour habe ich immer ein hochprozentiges Desinfektionsmittel dabei. Zur äußeren und inneren Anwendung: manchmal ritzt man sich bei der Reparatur oder verträgt nicht recht, was einem da im Lokal serviert worden ist. Mein 46%iges Heilmittel begleitet mich in einem Flachmann:

Fazit
Eine Saisonabschlußtour bei Schmuddelwetter ist weniger schrecklich als sich das anhört. Freue Dich, wenn zwischendurch der Regen mal aufhört und die Wolken sich verziehen. Erlebe sie als groß angelegtes Sicherheitstraining zum Fahren bei Nässe, bei dem du vorsichtig austesten kannst, wie sich Motorrad und Reifen unter erschwerten Bedingungen verhalten. Vor allem wirst du auch die härteren Seiten des Motorradfahrens kennenlernen, die dich manche Unbilden auf künftigen Touren leichter ertragen lassen.
Aktualisiert am 02/11/2023 von Christian