Eine Romanik-Motorradtour in einer der schönsten Flusslandschaften Deutschlands. Elbauen und romanische Baudenkmale prägen das Bild. Fahrspaß garantiert!
Romanik-Motorradtour in stiller Landschaft
Die Straße der Romanik feierte im Jahre 2018 ihr 25jähriges Bestehen. Auf über tausend Kilometern verbindet sie in Sachsen-Anhalt 65 Orte mit 80 romanischen Domen, Kirchen, Burgen, Klöstern und Pfalzen. Kleinode der mittelalterlichen Baukunst in überwiegend wunderschöner Landschaft. Ein guter Grund, um sich das Filetstück dieser Strecke herauszusuchen für eine Romanik-Motorradtour abseits der großen Straßen. Was hat diese Entdeckungsreise dem Motorrad-Touristen zu bieten?
Was ist die beste Strecke für eine Romanik-Motorradtour?
Berlin – Friesack – Nennhausen – Rathenow – Jerichow – Schönhausen (Elbe) – Arneburg – Werben – Havelberg – Sandau – Rhinow – Friesack – Berlin. Ca. 320 km (je nach Variante)
Zeitbedarf
Eine satte Ganztagestour je nach Variante und Zeit für Pausen und Besichtigungen. Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest Du hier.
Streckencharaktristik
Die Romanik-Motorradtour umschließt in einem Dreieck das Westhavelland zwischen Friesack, Jerichow und Havelberg. Kernstück ist die Straße der Romanik entlang der Elbe von Jerichow im Süden bis Werben im Norden. Der Fluß wird bei Arneburg, Sandau und Havelberg dreimal mit der Fähre überquert.
Das Biosphärenreservat Mittelelbe zeichnet sich durch besondere landschaftliche Schönheit, Ruhe und wenig befahrene Landstraßen aus. Je nach verfügbarer Zeit und Interessenlage könnten die kulturgeschichtlich bedeutsamen romanischen Baudenkmäler besichtigt oder die Streckenabschnitte verkürzt werden.
Kulturhistorischer Ankerpunkt der Strecke ist Jerichow. Sehenswert sind in dessen Umgebung die Ortschaften Wust, Redekin und Melkow, jeweils mit imposanten romanischen Kirchenbauten. Im nördlichen Streckenabschnitt interessieren Werben und Sandau, vor allem aber Havelberg, das eigentlich eine eigene Tour wert ist.
Romanik-Empfehlung
Diese ausgesuchte Tour verbindet Fahrspaß mit kunsthistorisch-landeskundlicher Entdeckungsfreude. Auch wer sie ohne längere Zwischenaufenthalte einfach nur durchfahren möchte, wird vollauf zufrieden sein. Pausen an den beschriebenen Zwischenzielen einzulegen ist wichtig, schön und bereichernd.
Inspiriert zu dieser Tour hat uns unsere Motorradtour durch Burgund, auf der wir gleichfalls kulturell hoch interessante Bauwerke besichtigen konnten.
Schloß Nennhausen
Anfangs führt die Strecke auf der B 5 Richtung Hamburg. Dann biegt sie kurz hinter Selbelang nach links ab. Im weiteren Verlauf geht es auf der L 99 / L 991 in ländlicher Einsamkeit weiter nach Nennhausen. Das dortige von Privatleuten renovierte Schloß hat einen gepflegten, öffentlich zugänglichen Park mit altem Baumbestand, der zu einer Pause einlädt.
Schloß Nennhausen entwickelte sich im Biedermeier unter seinem Besitzer, dem Dichter Friedrich de la Motte-Fouqué, zu einem märkischen Musenhof. E.T.A. Hoffmann, Joseph Eichendorff, und August Wilhelm Schlegel waren hier regelmäßig zu Gast. Hier entstand 1811 das Kunstmärchen „Undine“: Ein unsterbliches machtvolles Wasserwesen und ein Ritter können nicht miteinander leben. Auf diesem Roman gründet Fouquès Ruhm als romantischer Dichter. Erstmals vertont wurde „Undine“ von E. T. A. Hoffmann und als Oper am Berliner Schauspielhaus mit großem Erfolg aufgeführt. 29 Jahre später folgte Albert Lortzings gleichnamige Oper. Hans Christian Andersen nutzte „Undine“ ebenso als Vorbild für seine „Kleine Meerjungfrau“ wie Walt Disney für „Arielle“.
Wust: Grab eines Mitverschwörers
Auf wenig befahrenen Alleen geht es weiter über Rathenow immer westwärts Richtung Stendal. Dieser Streckenabschnitt läßt sich flott meistern, ohne langweilig zu werden. Kurz vor Erreichen der B 107, die parallel zum Ostufer der Elbe verläuft, lohnt sich ein kurzer Halt in Wust: Dieser Ort war einst Stammsitz der Familie Katte, deren Familiengruft an die Dorfkirche angebaut ist:
In die Geschichte eingegangen ist Hans Hermann von Katte, der als Jugendfreund des rebellischen Kronprinzen Friedrich (→ d. Gr.) 1730 vor dessen Augen in der Festung Küstrin hingerichtet wurde. Sein Sarg steht hier, abseits vom Rest der Familie. Ein Zeichen dafür, daß das Haus Katte weiterhin treu zum König stand und die Konspiration des jüngsten Familiensprosses keineswegs tolerierte. – Hinter Wust teilt sich dann die Strecke:
Kloster Jerichow
In südlicher Richtung führt die Tour zunächst zur mittelalterlichen Klosteranlage Jerichow, einem der imposantesten Baukomplexe der Backsteinromanik. Anschließend fahren wir 15 km zurück über die Elbe nach
Tangermünde: Deutschlands schönste Kleinstadt 2019
Einen Abstecher nach Tangermünde sollte man keinesfalls auslassen. Von Travelbook wurde dieses bezaubernde Städtchen zur „Schönsten Kleinstadt Deutschlands 2019“ gekürt. Ein Kurzprogramm für dieses „Rothenburg des Nordens“ (Nr. 2 auf der Siegerliste) wäre zumindest
- eine Rundfahrt/Rundgang durch die Altstadt,
- ein Besuch der St. Stephanskirche
- und eine Pause in der Tangermünder Kaffeerösterei, in der feinstes Gebräu vor den Augen des Gastes zubereitet wird.
Dann geht es wieder zurück über die Elbe und nordwärts auf die B 107 bis zum
Schönhausen (Elbe): Bismarck-Herrenhaus
Wenn auch der frühere Stammsitz der Familie v. Bismarck wurde 1958 auf Geheiß der DDR-Behörden gesprengt wurde, ist immerhin ein Seitenflügel ist übriggeblieben. Heute wird er als heute als Museum genutzt. Dennoch laden die Überbleibsel des barocken Parks zur Rast unter alten Bäumen ein. Dann tut ein kleiner Verdauungsspaziergang führt zur Herkulesstatue gut. Ein amüsantes Detail: Auf deren Hintern soll – se non è vero è ben trovato – der spätere Reichskanzler aus Wut über entgangenes Waidmannsheil einen Schrotschuß abgegeben haben.
Gleich nebenan liegt die romanische Patronatskirche St. Marien und Willibrord aus dem Jahre 1212, die Taufkirche Ottos v. Bismarcks.
Arneburg: Altstadt und Fähre
Auf der B 107 / K 1033 erreichen wir auf teilweise holperiger Dorfstraße in Neuermark-Lübars über den Deich hinweg den Fähranleger. Von hier aus öffnet sich ein wunderbarer Blick über die Elblandschaft und auf das am jenseitigen Berghang liegende Arneburg. Dann setzen wir mit der Fähre ans Westufer der Elbe über.
Die Arneburger Fähre ist seit dem Jahre 1420 im Betrieb. Sie ist insofern technisch interessant, als es sich um eine Langseil-Gierfähre handelt. Das heißt: ohne mechanischen Motorantrieb verrichtet sie ihre Arbeit ausschließlich durch die Strömung des Flusses.
Anschließend fahren wir durch die Altstadt von Arneburg hoch zum Burgberg. Von dort aus genießen wir das herrliche Panorama auf das Biosphärenreservat Mittelelbe. Dabei lädt die Burggaststätte ein zu einer Kaffeepause mit landschaftlichem Genuß.
Werben: Hansestadt und Elbfähre
Unsere K 1070 / 1064 / L 16 verläuft erst entlang der Elbe, dann durch lange Apfelbaumalleen weiter nach Werben. Schon von weitem zeichnet sich die kleine Stadt durch ihre mächtige gotische Pfarrkirche St. Johannis (von 1160) am Horizont ab. Werben ist zwar die kleinste aller Hansestädte. Aber die überaus reizvolle Stadtanlage und vor allem voluminöse Pfarrkirche lassen früheren Wohlstand erkennen.
Sandau: Kirche und Elbfähre
Wer die Nordschleife der Romanik-Motorradtour über Werben abkürzen will, kann auf einer ebenso reizvollen Strecke auf der L 16 / L 9 an die Elbe fahren und dort mit der Fähre nach Sandau übersetzen. Ob zu Wasser oder zu Land, aus jeder Richtung fährt man – am schönsten im Nachmittagslicht – direkt auf die romanische Kirche zu. In der Ortsmitte prangt die romanische Kirche mit dem Doppelpatronat St. Laurentius/St. Nikolaus, erbaut von holländischen Kolonisten um 1200.
Danach folgt ein überaus reizvoller Streckenabschnitt auf der L 2 südwestlich in Richtung Havelberg. Wie im 19. Jahrhundert ist die Straße kleinsteinig gepflastert und alleenbestanden, aber gut befahrbar.
Anschließend setzen wir bei Räbel mit einer weiteren Gierseilfähre wieder ans Ostufer der Elbe über. Dort erreichen den Südrand der
Hansestadt Havelberg
An der Kreuzung mit der B 107 werfen wir einen Blick links auf die Altstadt von Havelberg. Interessant ist, daß sich auf der dortigen Werft Zar Peter der Große in der Kunst des Schiffbaus kundig machte. In der Propstei unterzeichneten der Zar und König Friedrich Wilhelm I. am 27. November 1716 die ‚Konvention von Havelberg‘ im Rahmen der antischwedischen Koalition. Gastgeschenke: Das berühmte Bernsteinzimmer und die Staatsyacht gegen 248 ‚Lange Kerls‘ für den Soldatenkönig.
Wen jetzt schon der Hunger plagt, stelle sich die Zutaten für das Staatsdiner: 240 Hühner, 670 Eier, 120 Pfund Butter, 28 Pfund Hafergrütze und 56 Pfund Erbsen, 743 Pfund Rindfleisch, 454 Pfund Hammelfleisch, 96 Pfund Kalbfleisch und vier Spanferkel.
Über den nächsten Ort Wulkau geht es dann auf der L 18 / L 2 nach Warnau und Rhinow, von wo uns unsere Strecke über Friesack und die B 5 wieder nach Berlin zurückführt.
Zum Abschluß der Romanik-Motorradtour sitzt man dann zuhause, streckt wohlverdient die Beine aus und denkt sich:
„Wow, was für eine Tour!“
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Aktualisiert am 12/05/2022 von Christian
Thomas Baal
9. September 2019 at 13:02
Hallo Christian,
habe die Tour am Wochenende (7./8.09.2019) mit meiner Africa Twin nachgefahren. Hab eine Zweitagestour ab/bis Berlin draus gemacht, mit Übernachtung in Tangermünde. Am Samstag Abend bin ich dort in der Exempel Gaststube eingekehrt. Das dortige Kuhschwanzbier fand ich echt lecker. Ich hatte mich auch besonders auf die drei Elbüberquerungen mit Fähren gefreut. Leider waren zwei wegen Niedrigwasser außer Betrieb. Aber bei der Gierseilfähre in Räbel hat es dann endlich doch noch geklappt. Ich kann mich am Ende Deinem Fazit nur anschließen: „Wow, was für eine Tour“.
VG, Thomas
christianseebode
9. September 2019 at 13:51
Hallo Thomas,
schön, daß Dir die Tour gefallen hat. Das Wetter hat ja auch gepaßt. Würde sie (noch) in mein Fahrkonzept passen, käme die Africa Twin sicher in die engere Wahl. Ein früherer Mitarbeiter von mir hatte eine und ich habe immer ein wenig neidisch geschaut. Eine schöne Tour mit der Twin an einem sonnigen Herbstwochenende wäre sicher zur Havelquelle, mit allem vom Pflaster bis zu Feldwegen: https://motorrad-reisejournal.de/motorradtour-zur-havelquelle/
Viel Spaß weiterhin, gute Fahrt und viele Grüße!
Christian