Eine gut geplante Motorradtour quer durch das Erzgebirge ist ein tolles Erlebnis, selbst bei Schmuddelwetter.
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Erzgebirge im Herbst
Sauschwemme, Morgenröthe-Rautenkranz, Niederschlag, Schmalzgrube, Aue – wer diese Orte auf seinem Roadbook hat, den kann man nur beglückwünschen, denn er tourt quer durch das Erzgebirge, eines der attraktivsten Motorradreviere unseres Landes. Kurvenstrecken ohne Zahl durchziehen dieses 150 mal 40 km große Mittelgebirge, auf sächsischer wie auf böhmischer Seite. Da ist für jeden und für jede Gelegenheit was dabei.
Nur keine Gelegenheit auslassen, dachte ich mir und suchte mir als Anschluß für meine Tour entlang der Zwickauer Mulde meine Lieblingsstrecke durch das Erzgebirge aus. Vom Vogtland aus quer durch und dann nach Norden raus. Au – Au: von Aue nach Augustusburg.
Zum Quellsee der Mulde
Daß mein Basislager Aue eine traditionelle Bergbaustadt ist, kam mir sofort in Erinnerung: Eine blumengeschmückte Grubenlore ziert den Eingang meines Hotels. Und die Fans des örtlichen Fußballclubs stehen immer noch auf den Namen „Wismut“ – ein Metall, das man sehr gut für Kühlmittel von Atomreaktoren brauchen kann. Nun denn, Geschichte ist Geschichte.

Bergbautradition vor dem Hotel
Zum Quellsee der Mulde
Von Aue aus folge ich bergan dem Flüßchen Mulde bis zur Talsperre Eibenstock. Das geplante Fotoshooting am dortigen Aussichtspunkt muß leider wegen Sch***wetters entfallen, da sich mittlerweile dichter Nieselregen als mein treuer Begleiter durch diesen Tag eingestellt hat. Bei strammen 12°. Was soll’s, mit Heizgriffen, warmer Bekleidung und einer guten Regenkombi geht das schon. Sicherheitshalber reguliere ich den Fahrmodus auf „Rain“ herunter; Kurven-ABS hin oder her – eine sanftere Gasannahme zahlt sich auf solche Kurvenstrecken unbedingt aus, zumal wenn die Herbstwinde schon nasses Herbstlaub auf die Straßen geweht haben.
Außer mir scheint hier niemand unterwegs zu sein. Also beschwingt, aber mit gebotener Vorsicht die Kurven das Muldetal weiter hoch durch das besagte Morgenröthe-Rautenkranz. Aus dieser hintersten Ecke im Wald stammt übrigens Siegmund Jähn, der erste DDR-Kosmonaut, in seiner bescheidenen Art ein sehr sympathischer Gesprächspartner. R. I. P.
Ein paar Kilometer weiter erreiche ich den gesammelten Ursprung der Mulde, die Talsperre Muldenberg. Ich bin nicht weiter enttäuscht, daß ihr landschaftlicher Reiz nicht mit anderen Stauseen mithalten kann. Wichtig ist mir vielmehr, die geographische Endstation meiner Tour entlang der Zwickauer Mulde ins Erzgebirge erreicht zu haben.
Auf dem Erzgebirgskamm
Dann kehre ich erst mal wieder 13 km zurück bis in das Wilzschtal. Das flußbegleitende Landsträßchen geizt auch bei Schmuddelwetter nicht mit Kurvenreizen und läßt mich den Regen fast vergessen. Fast. Hinter Carlsfeld hält mich das Schild „Paßhöhe“ nicht im Sattel. Neugierig steige ich ab und lese etwas von 1788. Nein, keine Höhenmeter, sondern halbe Meter, in aller Bescheidenheit. Dennoch klingt das lustig, zumal, wenn die Paßhöhe „Hefekloß“ heißt.
Nachdem dieser Name ein gewisses Hungergefühl in mir geweckt hat, lege ich in Johanngeorgenstadt eine Mittags-/Aufwärm-/Trockenpause ein. In einer schlichten Raststätte bin ich einziger Gast und der gemütliche Wirt widmet mir seine ganze Aufmerksamkeit. Am Mittagstisch leistet er mir Gesellschaft, wir plaudern sehr angenehm über Gott und die Welt und sind guter Dinge.
Seiner Empfehlung folgend überquere ich hinter Johanngeorgenstadt die Grenze und fahre über die „böhmischen Dörfer“. „Bohemia. A desert country near the sea“ witzelt Shakespeare in seiner Komödie „Ein Wintermärchen“. Na ja, naß genug ist es schon. Daß das nächste Kaff dann auch noch Boží Dar heißt, auf Deutsch Gottesgab, macht die Sache auch nicht tröstlicher. Deshalb erspare ich mir bei Oberwiesenthal den Grenzübertritt und lasse die Auffahrt zum Fichtelberg links liegen, denn sehen tut man im obwaltenden Nebel ohnehin nichts.
Ein wenig gespenstisch ist es schon, bei diesem Wetter durch gottverlassene, regenverhangene Wälder zu cruisen, die vor knapp über 30 Jahren noch finsterstes Sperrgebiet waren. Irgendwie spürt man das heute noch. An der Talsperre Preßnitz (Vodní nádrž Přísečnice) entlang zu gondeln, macht bei schönem Wetter sicher viel Spaß. Aber mein Tagesziel lockt und ich ziehe entschlossen am Kabel.
Wolkenstein
Nach etlichen Kilometern und wer weiß wie vielen Kurven durch das Preßnitztal kann ich auf dem Marktplatz von Wolkenstein endlich meine Maschine auf den Ständer schieben. Ziel erreicht. Hoch über dem Fluß liegt das Städtchen auf einer Bergnase, die von einer massigen Burg dominiert wird. Zu erreichen ist der Ort nur auf einigen Serpentinen, den letzten dieses Tourentages.
Jetzt kann die Fata Morgana einer üppigen Mahlzeit mit begleitenden Getränken endlich Wirklichkeit werden. Im Traditionslokal „Grenadier“ mit seinen wuchtigen Kellergewölben erwache ich zu neuem Leben. Eine unbedingte Empfehlung für jeden, der hier Station macht.
Motorradgeschichte
Unten im Tal verrät das Flüßchen Zschopau gleich mein nächstes Zwischenziel: die Stadt gleichen Namens. Die schmale Staatsstraße schlängelt sich immer am Wasser entlang, verkehrsarm und wunderbar zu fahren. Diese Kurvenstrecke wie auch die folgenden machen mir klar, daß ein Ort wie Zschopau geradezu prädestiniert war, zu einer Wiege des deutschen Motorradbaus zu werden. Aber auch dieses Kapitel der Fahrzeuggeschichte ist mittlerweile Vergangenheit, leider.
Munter schwinge ich weiter an der Zschopau entlang, bis sich auf einmal am Horizont ein massiver Gebäudekomplex abzeichnet, den ich zunächst noch nicht recht identifizieren kann. Ein Blick auf die Karte bestätigt mir aber, daß ich hier am Zielpunkt meiner Tour quer durch das Erzgebirge angelangt bin, am Schloß Augustusburg. Nicht zu Unrecht schmückt es sich mit dem Ehrentitel „Krone des Erzgebirges“, denn wie eine solche sitzt es auf einem Berggipfel, der das weite Land beherrscht.
Motorradtradition auch hier oben: Jeden Januar treffen sich hier die Winterharten mit ihren Motorrädern. Und das ganze Jahr über finden im Schloß Veranstaltungen rund um das Themas „Motorrad“ statt. Hätte ich mir nach 200 Kilometern ein passenderes Tourenziel aussuchen können?
Fazit
Zu einer Tour quer durch das Erzgebirge braucht man einen Kurven-Aficionado wohl gar nicht erst groß zu überreden. Leider duckt es sich in einer abgelegenen Ecke unseres Landes weg und ist deshalb für viele mit einer längeren Anfahrt verbunden. Gerade deshalb lohnt es sich, ein paar Tourentage in dieser Region zu investieren und dabei gleich eine Arabeske durch die Krušné hory mitzunehmen, den nordböhmischen Teil dieses Bergzuges. Um das Wetter sollte man sich dabei keinen Kopf machen: Mit Griffheizung, warmen Klamotten und Regenkombi bietet das Erzgebirge auch unter grauen Wolken ein tolles Tourenerlebnis.
Streckenplan
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.
Landkarte
ADAC Regionalkarte 10 Dresden Chemnitz Erzgebirge, Maßstab 1:150.000
Touristische Informationen
https://www.erzgebirge-tourismus.de/
Aktualisiert am 20/10/2023 von Christian