6 praktische Benefits des Motorradfahrens werden in der öffentlichen Diskussion meist übersehen. Welche sind das? Was bringt mir das Motorradfahren?
Die öffentliche Diskussion übersieht das Wesentliche
Die unsägliche Auseinandersetzung um Motorradlärm und Fahrverbote vernebelt die Kernfrage, welche verborgenen Nutzeffekte das Motorradfahren hat. Darüber hinaus ist sie im Rahmen der Diskussion um zukünftige Mobilitätsformen emotional aufgeladen. Mehr noch, sie ist zu einer echten Schwarz-Weiß-Diskussion verkommen: Krach und Risiko hier, Freiheit und Faszination dort.
Alles sicher irgendwo nicht falsch. Aber es geht hier nicht um die subjektive, für den Einzelnen jeweils höchst unterschiedliche Motivation des Motorradfahrens. Im Mittelpunkt steht für mich vielmehr die Frage, welche praktischen Benefits diese Betätigung für den Einzelnen bringt.
Dies zu diskutieren wird nicht einfacher, solange Motorradfahren als reines „Hobby“ begriffen wird. Als eine Freizeitbeschäftigung, angesiedelt irgendwo zwischen elektrischer Eisenbahn, Gärtnern und Aquarellmalen. Nur eben motorisiert. Doch der Vergleich hinkt, denn Motorradfahren ungleich teurer und zeitintensiver, aber auch erlebnis- und risikoreicher als viele andere Hobbys.
Im Gegensatz dazu sehe ich Motorradfahren in erster Linie als „Passion“. Als eine Beschäftigung, die den Menschen emotional ergreift, ihn erlebnishaft gefangen hält und dabei zu neuen Horizonten führt. Diesen Komplex in einer kontroversen Diskussion überzubringen, ist in einem aufgeheizten sozialen Umfeld nicht einfach. Umso wichtiger ist eine schlüssige Antwort auf die Frage: Was bringt mir das Motorradfahren? Was bringt es mir für Körper, Geist und Seele?
Welchen praktischen Nutzen bringt das Motorradfahren?
Zur Antwort auf diese Frage habe ich die wesentlichsten Punkte zusammengefaßt. Vielleicht helfen sie, die Diskussion um das Motorradfahren als Hobby oder Passion etwas zu versachlichen:
Benefit # 1
Motorradfahren stärkt die körperliche Spannkraft
Wer einen schweren Reisetourer fährt, bewegt das satte Gewicht von vier Waschmaschinen. Kurven fahren, rangieren, schieben, ein- und ausparken – das kostet viel Energie. Pro Stunde im Schnitt 200 bis 300 kcal und auf der Rennstrecke schon mal bis zu 600 kcal, haben Fachleute ausgerechnet.
Verständlich, daß Tourenfahren gerade in den Bergen eine robuste Fitness verlangt, die man sich zulegen und die man erhalten muß. Die gute Nachricht dabei: Motorradfahren verlangt nicht nur Fitness, es spendet sie auch. Kein Wunder, daß dabei (wenn man sich bewußt ernährt) die Pfunde nur so purzeln. Eine Tagestour ist deshalb die schönste Fitnessaktion, die ich mir vorstellen kann. Physisch gesehen hat damit Motorradfahren etwas von einer Glücksspirale: fit werden – Motorrad fahren – dadurch fit bleiben – sich dabei auch noch wohlfühlen – und das Ganze wieder von vorne.
Benefit # 2
Motorradfahren stärkt die Widerstandsfähigkeit
„Lieber bei miesem Wetter Motorrad fahren als bei Sonnenschein arbeiten“. Bei schönem Wetter fahren kann jeder. Wer sich aber angewöhnt hat, auch bei Regen, Wind und Kälte zu fahren, für den sind die Widrigkeiten des Wetters irgendwann zum Normalfall geworden. Unsere englischen Motorradkameraden können einiges dazu sagen.
Aller Erfahrung nach bringt Motorradfahren einen bestimmten Typus Mensch hervor, dessen Entschlossenheit, Durchhaltevermögen und praktisches Geschick man sich im zivilen Leben öfters wünschen würde. Wie wichtig diese Qualitäten sind, spürt man mit den Jahren immer deutlicher.
Benefit # 3
Motorradfahren stärkt die Aufmerksamkeit
Auf dem Motorrad überlebst du langfristig nur, wenn du höllisch aufmerksam bist. Motorradfahrer kommen zumeist deshalb zu Schaden, weil andere Verkehrsteilnehmer Dummheiten machen und/oder ihn nicht wahrnehmen. Fahrsicherheit verlangt deshalb höchste Aufmerksamkeit, besonders im Großstadtverkehr.
Aufmerksamkeit beim Motorradfahren bedeutet: den Verkehrsverlauf fortlaufend mit allen Sinnen kontrollieren – Verkehrslage operativ interpretieren – Lageentwicklung und Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer als worst case vorhersehen. Zeitgleich eigenes Fahrhandeln darauf einstellen.
Wem das in Fleisch und Blut übergegangen ist, wird (über-)lebenswichtigen Nutzen daraus ziehen. Nicht nur im Straßenverkehr. Was beim Auto allenfalls eine Beule verursacht, bedeutet für den Motorradfahrer u. U. einen Krankenhausaufenthalt. Ein solches Survivaltraining bekommt man nur auf dem Motorrad. Dafür bin dankbar.
Benefit # 4
Motorradfahren stärkt die Konzentrationsfähigkeit
Motorradfahren ist ein hochkomplexer Vorgang, der ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt: für die Beherrschung der Maschine, der Fahrphysik und kritischer Fahrsituationen. Das hierzu nötige Aufmerksamkeitsniveau muß über die Gesamtdauer der Fahrt aufrechterhalten werden.
Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie schnell mit der Zeit und den inneren/äußeren Umständen die Konzentrationsfähigkeit schwindet. Deshalb ist es um der eigenen Sicherheit, aber auch um der eigenen Lebensqualität willen umso wichtiger, die Konzentrationsfähigkeit zu stärken.
Motorradfahren verlangt die absolute Kontrolle über die eigene Reaktionsfähigkeit, über Reflexe und Automatismen. Es ist geistige Arbeit, die das hierfür besonders wichtige Vorderhirn (den Präfrontalen Cortex) aktiviert und dadurch auch kognitive Funktionen stützt.
Jede längere Pause (Winter, Krankheit etc.) macht schmerzlich bewußt, wie wichtig die konsequente Auffrischung dieser Fähigkeiten ist. Dazu gibt es nur ein Mittel: fahren, fahren und nochmals fahren. Damit mache ich mir selbst das schönste Geschenk – meiner Passion zu frönen und gleichzeitig die Konzentrationsfähigkeit zu trainieren. Mit Nutzen für alle Bereiche des täglichen Lebens.
Benefit # 5
Motorradfahren hebt die innere Befindlichkeit
Jeder vernünftige Motorradfahrer weiß genau: Wenn ich mich körperlich nicht gut fühle, wenn ich Sch**** drauf bin oder persönliche Probleme mit mir herumschleppe, steige ich nicht aufs Motorrad. Denn dann bin ich nicht bei der Sache und es wird gefährlich.
Glücklicherweise gilt auch der umgekehrte Fall: Wenn ich unbeschwert bin und alle meine Sinne exklusiv auf das Motorradfahren richten kann, haben die Endorphine freies Spiel. Dann kann ich dem Motorradfahren jene Gefühle entlocken, die es seit jeher bereithält: innere Gelöstheit, beschwingende Heiterkeit und eine wunderbare Leichtigkeit des Seins.
Benefit # 6
Motorradfahren kann die Paarbeziehung stärken
Hat jemand schon einmal ein Motorrad auf dem Parkplatz eines Psychiaters oder eines Paarberaters gesehen? Wohl kaum. Wer Zweifel hegt, ob das angebetete Wesen das richtige sein könnte, nehme es als Sozia mit auf eine lange Tour. Mehrere Wochen und Tausende von Kilometern auf engstem Raum. Tag für Tag, ohne Fluchtmöglichkeit in der Fremde. Wenn sie sich auch auf der letzten Etappe noch an den Fahrer schmiegt, trügt das Herzflimmern nicht. Motorradfahren als emotionaler Test – aber auch als Paartherapie.
Fazit
Motorradfahren bedeutet mehr als Kurven, Krach und Kameraden. Gutes Motorradfahren setzt körperliche, geistige und seelische Fähigkeiten voraus, die kontinuierlich trainiert sein wollen. Sie bringen für viele Bereiche des täglichen Lebens verborgenen Nutzen.
Aktualisiert am 20/06/2020 von Christian
Klaus Michalski
12. März 2021 at 13:52
Ich könnte es nicht so schön formulieren, aber Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.
Einfach Klasse!!
Christian
12. März 2021 at 14:29
Vielen Dank! Freut mich, wenn ich etwas Material für die Alltagsdiskussionen liefern konnte. Alles Gute und gute Fahrt!
Christian