Eine Motorradtour durch das Zittauer Gebirge ist keine ganze Tagestour, aber viel mehr als eine Feierabendrunde. Eine kleine Pretiose mit herrlichen Kurvenstrecken zum Entdecken und Genießen.
Geschätzte Lesedauer: 3 Minuten
Eine Tour abseits des Verkehrstrubels
Klein, aber fein – würde ich auf die Frage antworten, ob man kurz entschlossen die Drosselklappen auf Durchzug stellen und eine Motorradtour in das Zittauer Gebirge unternehmen sollte. Das kleinste Mittelgebirge Deutschlands, im äußersten Südosten Sachsens gelegen, ist ein Mauerblümchen unter den Motorradrevieren, aber ein überaus reizvolles.
Warum nicht einmal eine Ecke unseres Landes unter die Räder nehmen, die für die meisten von uns ein weißer Fleck auf der Landkarte ist? Neugier und Kurvenhunger sollten genug Antrieb sein, um dem Allerwertesten eine längere Anfahrt zuzumuten – oder von einer Tour in der Region einen Abstecher dorthin zu machen.
Was bringt mir diese Tour, wenn ich mich schon in die hinterste Oberlausitz auf den Weg mache?
Einstimmung auf die Tourenstrecke
Meine Einflugschneise ins Tourenrevier ist die gut ausgebaute B 178, die „Pulsader der Oberlausitz“; das hübsche Städtchen Löbau dann der erste Streckenposten. Diesmal absolviere ich aber keine City-Tour, sondern schwinge mich gleich hinauf auf den benachbarten Löbauer Berg (448 m). Von seiner Spitze grüßt schon von weitem ein Fernmeldeturm der Telekom und, bei genauerem Hinsehen, der gußeiserne König-Friedrich-August-Turm.
Dieser ist – in jedem Sinne – eine Sehenswürdigkeit. Eine aus gusseisernen Reliefplatten zusammengeschraubte Konstruktion, die den Anstieg auf der Wendeltreppe mit einer grandiosen Aussicht über die Oberlausitz belohnt. Dazu noch mit einer frischen Brise und freiem Blick auf das Zittauer Gebirge, mein Tourenziel.
Nach einem Viertelstündchen Landschaftsblick überantworte ich mich dann der Erdanziehung und tänzele die Treppe wieder hinab zur Bodenstation und zum danebenliegenden Ausflugslokal. Dort lockt mich der schon über viele Kilometer ersehnte Kaffee, mit dem ich in Sachsen eigentlich immer Glück gehabt habe. Wie sollte das auch anders sein in einem Land, das sich nicht nur der ältesten Porzellanmanufaktur der Welt (Meißen, 1710) rühmen kann, sondern auch der Leistung, die Kaffeetasse zum Kulturgut entwickelt zu haben. Im Schatten eines aufgespannten Gartenschirms werde ich nicht enttäuscht, auch nicht vom hauseigenen Kuchen dazu. Es scheint also doch etwas dran zu sein an dem Begriff „Kaffeesachsen“.
Motorradtour in einer Modellbahnlandschaft
Als ich auf dem historischen Zittauer Marktplatz den Gang zum Tourenstart einlege, wird mir klar: Selten habe ich bei der Tourenplanung so mit mir gehadert wie diesmal. Nicht wegen etwaiger Zweifel an meiner Unternehmung. Nein: Es gibt in dieser Gegend einfach zu viele nette Strecken, die es einem echt schwer machen, sie alle zu einer stimmigen Route zusammenzufügen. Nach einigem Herumtüfteln am vorabendlichen Biertisch schien dann doch alles in Eins zu gehen. Vielleicht keine Strecke der Extraklasse, aber immerhin ein geschlossenes Ganzes, das eine attraktive Motorradtour mit allem Drum und Dran durch das Zittauer Gebirge bieten dürfte.
Ehe ich aber dazu komme, jenseits der Stadtgrenze nach Herzenslust die Brennräume zu fluten, reklamiert ein Veranstaltungsplakat meine Aufmerksamkeit. Es wirbt für das Lückendorfer Bergrennen, das (mit Unterbrechungen) seit 1923 auf meiner Tourenstrecke ausgetragen wird.
Da kann ich ja wohl bei der Routenplanung nicht viel verkehrt gemacht haben. In der Tat: Die Strecke schlängelt sich durch dichten Wald, mal auf, mal ab, unablässig meine Neugier herausfordernd, wie es hinter der nächsten Kurve wohl weitergeht. Immer wieder gebieten Ortsdurchfahrten Einhalt: besagtes Lückendorf, die Kurorte Oybin und Jonsdorf, Hain, Waltersdorf und Großschönau. Jeder Ort mit einem ganz eigenen Charme, der durch liebevoll restaurierte Umgebindehäuser, propere Gärten und umsichtige Dorfgestaltung unterstrichen wird. Als dann noch ein von einer 99er Dampflok gezogenes Schmalspurbähnchen meinen Weg kreuzt, fühle ich mich vollends in eine Märklin-Faller-Modelleisenbahnlandschaft hineinversetzt.
Es ist durchaus der Mühe wert, hin und wieder einen lokalen Kreisverkehr in Schräglage zu umrunden und bis zur vorherigen Ortschaft zurückzufahren – neue Perspektive, gleiche Kurven, aber in umgekehrter Reihenfolge, vorher Unbeachtetes, das sich ins Blickfeld drängt. Da zeigt sich jetzt die Sprungschanze über die Straße oder das Sandstein-Felsmassiv in Oybin, das Erinnerungen weckt an die Backroads durch die Felsenlandschaft von Utah.
Als ich dann zu einem weiten nördlichen Bogen um das Zittauer Gebirge aushole, präsentiert sich am weiten Horizont die anheimelnde Berglandschaft von der Neiße bis (am Horizont zu erahnen) zum Elbtal und zur Sächsischen Schweiz.
Südlich von Löbau mache ich noch einen Abstecher zum Kottmar hinauf, der mit 582 m höchsten Erhebung in dieser Gegend. Hier blubbert, mitten im Wald und in Stein gefaßt, eine der drei Quellen der Spree. Wenn ich hier ein Schiffchen aufs Wasser setzte, wie lange würde es wohl dauern, bis es später bei mir in Berlin vorbeischwimmt?
Einen weiteren Abstecher leiste ich mir noch, nach Herrnhut. Seit dem 18. Jahrhundert Zentrum protestantischer Tiefgläubigkeit, von dem aus sich der deutsche Bible Belt nach Südwesten zieht. Von hier stammt der vielzackige Weihnachtsstern, der jeden Winter auf unserem Balkon leuchtet.
Immer mit Blick auf das Zittauer Gebirge kurve ich in Südrichtung und dann schließlich hinunter nach Hainewalde in das Flußtal. Was mich hierher lockt, sind zwei Schlösser, eines davon ein veritables Wasserschloß. Solche historischen Bauten sind wie ehrwürdige alte Damen, denen man ansieht, daß sie ihre große Zeit schon lange hinter sich haben. Auch sie hinterlassen im Betrachter eine gewisse Melancholie.
Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung zurück nach Zittau. Ein beherzter Dreh am Gasgriff, und schon rückt das abendliche Entspannungsbier in greifbare Nähe.
Fazit
Eine Motorradtour durch das Zittauer Gebirge gehört zu den kleinen Pretiosen. Keine volle Tagestour, aber doch viel mehr als eine gewöhnliche Feierabendrunde. Dazu am Straßenrand allerhand Unerwartetes und Ungewöhnliches zu Anschauen, ohne daß man darauf allzuviel Zeit verwenden müßte. Das fahrerische Erlebnis kann hier getrost den Vorrang haben, den es durch die herrlichen Strecken in angenehmer Landschaft verdient. Eine Unternehmung zum „Mitnehmen“, wenn man schon mal in dieser abgelegenen Region unseres Landes unterwegs ist.
21. August:
Tag der Oberlausitz
Streckenplan
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.
Informationen
Über die Region
http://naturpark-zittauer-gebirge.de/
https://burgundkloster-oybin.com/
https://www.zittauer-schmalspurbahn.de/
Landkarten
Marco Polo Freizeitkarte 24 Dresden/Oberlausitz Maßstab 1 : 110.000
Aktualisiert am 21/08/2022 von Christian
ingold sefafini
20. August 2022 at 16:04
Deine Reisebeschreibungen sind einfach immer wieder klasse. Möchte nun auch dorthin. Mach weiter so.bin schon gespannt auf die nächste Tour.
Christian
20. August 2022 at 19:23
Liebe Ingold,
danke für die Blumen! Ich habe genügend Sprit im Tank und Pläne im Kopf für weitere Touren. Du darfst also gespannt sein.
Liebe Grüße
Christian
Herbert
25. August 2022 at 20:10
Ich fahre im Sommer fast jedes Wochenende wenn es nicht regnet diese Gebirgsrunde. Bin ja hier zu Hause. Mich begleitet meine Frau auf einer kleineren Maschine. Einfach ein schönes Erlebnis
Christian
26. August 2022 at 12:24
Da wohnt Ihr in einer schönen Gegend. Glückwunsch! Von den Straßen gar nicht zu reden, auch jenseits der Grenzen.
Viel Spaß und gute Fahrt weiterhin
Christian
Kristof Talacek
2. Oktober 2022 at 17:57
Super Beitrag. Bin Teile der Route nachgefahren, da ich hier völlig ortsfremd bin. Vielen Dank
Christian
3. Oktober 2022 at 12:26
Gern geschehen! Es lohnt sich immer, auch mal in die hinteren Ecken der weniger bekannten Tourenreviere zu schauen.
Viele Grüße,
Christian
Kristof Talacek
2. Oktober 2022 at 18:22
Vielen Dank für die Anregung. Ich bin Teile der Route nachgefahren, da ich hier völlig ortsfremd bin aber gerne unbekannte Orte erfahre .. morgen fahre ich Teile der Oberlausitz Tour nach bis Potsdam. VG Kristof
Christian
3. Oktober 2022 at 12:28
Viel Spaß dabei, gute Fahrt und vielleicht auch manche Anregung für weitere Touren. Hoffentlich spielen Wind und Wetter einigermaßen mit. Währenddessen brauen sich in meinem Kopf schon mehrere Herbst- und Wintertouren zusammen. Man darf als gespannt sein.
Viele Grüße
Christian
Uwe Romanski
8. November 2022 at 08:17
Ich bin gar kein Biker, aber Texter aus Berlin, der die Oberlausitz ziemlich gut kennt und dort auch mal einige Jahre gelebt hat. Deshalb Respekt, super geschrieben/beschrieben! Habe ich gern gelesen.
Christian
9. November 2022 at 12:35
Anerkennende Worte von einem Profi tun besonders gut, herzlichen Dank! Deine Antwort zeigt aber auch, daß man – trotz aller Herausforderungen, die sie stellt – mit unserer Sprache sehr kreativ umgeben kann. Viele Grüße aus Berlin nach Berlin, Christian