Eine Sommer-Motorradtour in den Vercors über Pässe, durch Schluchten und an steilen Felswänden entlang stimuliert die Motorradfahrerseele. Hier gibt’s die Insider-Tipps dazu!
Geschätzte Lesedauer: 6 Minuten
Diese Tour sollte lesen und fahren, wer …
- auf dem Weg nach Süden in die Seealpen oder an die Côte Azur einen spannenden Extra-Kurventag im Vercors einlegen will,
- mit begrenztem Zeitbudget eine repräsentative Runde mit den üblichen Highlights durch den Vercors drehen möchte,
- unterwegs verborgene, interessante Tourenziele besuchen und
- sich bei der Tourenplanung zeitraubende Recherchen ersparen will.
Streckenführung und Roadbook
Roadbook der Motorradtour durch den französischen Jura | |
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Start | Lyon |
A 7 | Tain l'Hermitage |
D 259 / D 260 | Saint-Donat-sur-l'Herbasse |
D 149 / D 101 | Leoncel / Col de la Bataille |
D 199 / D 76 | Col de la Machine |
D 76 / D 54 | Sainte-Eulalie-en-Royans |
D 518 | Saint-Agnan-en-Vercors |
D 611 / D 103 | La Gratte |
D 221 / D215c | Villard-de-Lans |
D 531 | Pont-en-Royans |
D 20 / D 27 | Saint-Antoine-l'Abbaye |
D 20b / D 52 D 123 | Montmiral - Parnans - Châtillon-Saint-Jean |
D 608 | Romans-sur-l'Isère |
D 53 | Saint-Donat-sur-l'Herbasse |
D 528 | Hauterives |
D 1 | Beaurepaire |
D 538 | Vienne |
A 7 | Lyon |
Gesamtstrecke | 425 km |
Und hier die Tour zum Nachfahren.
Was bietet der Vercors?
Daß wir bei unserer Sommer-Motorradtour in den Vercors einen Gebirgsstock zu erwarten haben, der vor aufregenden Kurvenstrecken nur so strotzt, verrät schon ein Blick auf die Landkarte:

Französische Westalpen: Vercors in der Mitte, darüber die Chartreuse und links darunter (jenseits der Rhône) die Ardeche
Eine knappe Fahrstunde südlich von Lyon, im äußersten Westen der französischen Alpen, stößt die Autobahn direkt auf den schon weithin sichtbaren massiven Gebirgsstock. Mit einer Ausdehnung von etwa 30 mal 40 Kilometern wird er im Nordosten begrenzt vom Stadtgebiet Grenoble, im Südwesten vom Département Drôme. Der Vercors selbst liegt im Herzen des Départements Isère und ist mit 170 Quadratkilometern das größte Naturschutzgebiet Frankreichs.
Mehrere Zweitausender mit Gipfelhöhen bis zu 2.350 m krönen den von Natur aus schwer zugänglichen, von tiefen Schluchten durchzogenen Gebirgsstock. Da er an allen Seiten schroff ansteigt, konnte er erst im 20. Jahrhundert für den Straßenverkehr erschlossen werden. Teilweise mit in den Fels gesprengten Sträßchen, was für uns den eigentlichen fahrerischen Reiz ausmacht.
Nicht zu vergessen: Auf einer Südwest-Nordost-Achse fügt sich der Vercors in eine Kette der schönsten Motorradreviere, die Frankreich zu bieten hat: beginnend links unten mit der Ardèche, dann der Vercors, anschließend die Chartreuse und dahinter schon die Hochalpen bis hin zum Mont Blanc.
Anfahrt in den Vercors
Die passende Gelegenheit zu einer Sommer-Motorradtour in den Vercors kommt früher als gedacht: Denn uns flattert eine verlockende Einladung zur Eröffnung eines Bach-Festivals ins Haus. Im romanischen Palais Delphinal von St.-Donat-sur-l’Herbasse, auf halbem Wege zwischen dem Rhônetal und dem Vercors. Also ein richtiger Erlebnis-Doppeltreffer.
Unsere Sachen sind rasch gepackt. Die Maschine wartet ohnehin vollgetankt in der Garage. Dann geht es ab auf die Autobahn. An einem Freitag in den Sommerferien ist das keine wirklich gute Idee, denn die Autobahn ist vollgestopft mit Familienkutschen, Sonntagsfahrern und Wohnmobilen. Da wir nunmehr kinderfrei sind, haben wir das gar nicht mehr auf dem Radar.
Wenn wir also einigermaßen gut durchkommen wollen, müssen alle Tricks herhalten, die ich seit Italien, Asien und Russland in meinem Motorrad- Repertoire habe. Aber auch der flotte Riesenslalom über drei Spuren nervt bald. Bis es uns in Tain l’Hermitage doch zu bunt wird und wir uns auf die ruhige Départementale schlagen. Jetzt pegelt sich der Puls wieder auf Normalfrequenz ein, Wiesenduft dringt durch das Visier und wir gondeln erst mal gemütlich durch die betörende Landschaft der Drôme. Bald erreichen wir unser erstes Ziel, St.-Donat-sur-l’Herbasse.
Sonderprogramm vor der Vercors-Tour
Nach gut 100 km ist jetzt eine Kaffeepause willkommen. Dabei landen wir in der lähmenden Mittagshitze auf den Plastikstühlen einer unwirtlichen Brasserie an der öden Hauptstraße. Eine solche Szenerie könnte eigentlich nur der Regisseur meines Lieblingsfilms Lohn der Angst ersonnen haben. Wir hören nichts als das leise metallische Ticken des abkühlenden Boxermotors an der gegenüberliegenden Straßenseite. Danach wartet in unserem sehr netten Hotel erst mal eine erfrischende Dusche.
Nachdem wir uns re-zivilisiert haben, schreiten wir in Kleid und Anzug zum Palais Delphinal empor. Dort fällt unser Blick sogleich auf ein ausnehmend gut sortiertes Buffet im Hof, bestückt mit allen fünf Crus der Côte du Rhône: Crozes Hermitage, Hermitage, Saint Joseph, Cornas und Saint Péray. Genauso stellen wir uns einen gelungenen Auftakt zu einem Musikabend vor. Und zu einer Sommer-Motorradtour in den Vercors sowieso.
Im kühlen Halbdunkel der Kirche genießen wir ein bemerkenswerte gutes Konzert für Orgel und Violine. Nachdem der Solist dieses schwierige Stück meisterlich bewältigt hat, schlürfen wir im Hotel einen abschließenden Cremant auf sein Wohl. Und auf unsere morgige Tour.
Sommer-Motorradtour in den Vercors
Den Auftakt zu unserem eigentlichen Tourentag genießen wir im Hotelgarten mit einem erlesenen Frühstück unter einem ausladenden Feigenbaum: frische Baguette vom Dorfbäcker, selbstgemachte Marmelade aus der Restaurantküche, Honig aus lokaler Imkerei. Dabei scharren nebenan im Zwinger die beiden Trüffelhunde des Patron.
Mit steigender Sonne schirren wir unser Eisenroß an und rollen auf der D 53 südwärts. In St.-Romans überqueren wir die Isère. Dann weiter auf der D 149, vorbei an den Obstgärten der fruchtbaren Drôme; und schon rückt die gebirgige Silhouette des Vercors immer näher.
Dem kulinarischen Hochgenuß unseres malerischen Frühstücks folgt jetzt der fahrerische: Serpentine um Serpentine trägt uns die D 101 in die Höhe und gewährt immer neue Ausblicke über das weite Land. Gelassen läuft der kraftvolle Motor zu Höchstform auf. In den Bergen ist halt eine gediegene Drehmomentstärke durch nichts zu ersetzen.
Auf dem Col du Tourniol (1.145 m) lassen wir uns erst einmal vor einem almhüttenartigen Restaurant nieder und genießen mit wohlig ausgestreckten Beinen in der Sonne einen Kaffee zum zweiten Frühstück.
Pässe und Schluchten im Vercors
Die folgende Etappe unserer Sommer-Motorradtour in den Vercors liest sich wie eine Sehnsuchtsstrecke in einem Hochglanzmagazin für Radsportler und Motorradreisende: Col de la Bataille (1.313 m), Col de la Portette 1.175 m), Col de la Machine (1.011 m), Combe Laval. Die Strecke ist faszinierend. Schmal gewundene, tunneldurchsetzte Straßen, kühn in den Fels gesprengt, bestückt mit engen Brücken über tiefe Schluchten.
Allerdings sind die talseitigen Begrenzungsmäuerchen allenfalls kniehoch. Deshalb wird es Christine, die diesen Kurvenzirkus nur achtern als Beobachterin erleben kann, doch recht mulmig. Aber die übersteht sehr tapfer all das, was mir besondere Freude macht.
Nach einer Erholungspause auf einer Bergwiese geht es wieder talwärts durch die Georges de la Bourne, eine tiefe Klamm, die sich bei Pont-de-Royans zum gleichnamigen Fluß hin öffnet.
Als kleine Wiedergutmachung für Christine gönnen wir uns in Pont-de-Royans ohne Rücksicht auf unsere sportliche Figur erst einmal ein sattes Eis und genießen den Ausblick auf den Fluß und die Häuser, die wie Schwalbennester an der Felswand kleben.
Kräuter aus dem Klostergarten
Fast bedauern wir, die Berge mit ihren Schluchten und Kurvenstrecken wieder talwärts Richtung Zivilisation verlassen zu müssen. Aber die Drôme entschädigt uns mit herrlicher Landschaft und einem würzigen Nachmittagsduft, der von Wiesen und Feldern durch das Visier hereinweht.
Jenseits der Isère schlängeln wir uns über hügelige Landsträßchen der Abtei St.-Antoine entgegen. Der Ort selbst zählt zu den schönsten historischen Dörfern in Frankreich.
Wie viele andere hat auch dieses Kloster unter dem Bildersturm der Französischen Revolution gelitten. Dafür finden wir aber einen liebevoll angelegten Kräutergarten und ein Duftmuseum vor, in dem man die Essenzen zahlreicher Kräuter live schnuppern kann.
Nach diesem Dufterlebnis rollen wir in der Abendsonne unserem Hotel entgegen, einem kleinen Etablissement mit angeschlossenem Feinschmeckerlokal am Ufer der Isère bei Granges-les-Beaumont. Mit drei Gängen bei Kerzenlicht im Garten am Uferschilf klingt ein kurvenreicher Tag aus.
Traumschloss eines Landbriefträgers
Der Rückweg über die Départementale ist eher banal, aber nicht ohne überraschende Eindrücke. Bei Hauterives besuchen wir das Palais Idéal. Es ist ein Kunstbau des Landbriefträgers (facteur) Laval, der es nicht leicht hatte in seinem Leben. Deshalb sammelte er über Jahrzehnte auf jeder seiner Touren Steine und baute sich daraus ein Traumschloß, um die Fährnisse und Enttäuschungen seines Lebens zu verwinden.
Das seltsame Regenbogenhaus
Von Hauterives aus durchfahren wir auf der D 538 nordwärts lauschige Wänder, bis uns einige Serpentinen in das Tal hinunter nach Lens-Lestang tragen. Dort machen wir am Ortseingang Halt, um zu sehen, was sich seit unserem letzten Besuch am „Seltsamen Regenbogenhaus“ (La maison etrange arc-en-ciel) getan hat.
Um sein Haus herum hat der ehemalige Seemann und Trödler Christian Guillaud allen möglichen Plunder ausgebreitet und bunt bemalt. Wer will, ist herzlich eingeladen, seine Sammlung zu bereichern. So stehen wir ein halbes Stündchen alleine vor diesem irren Sammelsurium und eröffnen einen Wettstreit, wer wohl das abgefahrenste Ausstellungsstück entdeckt.
Dann gondeln wir noch ein Stück weiter auf der Landstraße, bis wir bei Vienne wieder auf die Autobahn kommen. Schließlich absolvieren wir die letzte Etappe unserer Sommer-Motorradtour in den Vercors und lassen uns dabei all das Schöne und Interessante durch den Kopf gehen, das wir unterwegs gesehen und erlebt haben. 425 km purer Spaß ohne Zwischenfälle. Grund zur Dankbarkeit.
Logistische Hinweise zur Motorradtour in den Vercors
Landkarten:
Michelin Départements France 332 Drôme, Vaucluse
Michelin Départements France 333 Isère, Savoie
Regionaltypischer Wein:
Clairette de Die – ein Cremant aus Clairette und Muskatellertrauben. Mal was anderes.
Regionaltypischer Käse:
Le Bleu du Vercors Sassenage. Diesem Käse ist im Vercors jedes Jahr im Juli ein eigenes Fest gewidmet.
Unterkunft bei einer Motorradtour in den Vercors:
Chambres d’hôtes de charme et d’exception
Meinem Sohn Georg danke ich für seinen Beitrag zum Regenbogenhaus, den er in seinem Blog Digital Cosmonaut veröffentlicht hat.
Aktualisiert am 09/05/2022 von Christian