Die Motorradtour Südwestfrankreich Teil 1 führt durch die schönsten Motorradreviere der Vulkanlandschaften und der Atlantikküste bis zu den Pyrennäen.
Frankreich erleben
Wo liegen die besonderen Reize einer Motorradtour durch Südwestfrankreich?
Moving me down the highway, rolling me down the highway
Moving ahead so life won’t pass me by
— Jim Croce, I’ve got a name (1973)
Frankreich „erfahren“ als landeskundlich-kulturelles Erlebnis – jeder tut es auf seine eigene Weise. Glaubt man den Angaben der Banque de France, bewegen sich die Touristen meist auf immer der gleichen Nord-Süd-/Südwest-Trasse in Richtung Meer und Berge. Aber gleich abseits beginnt schon die Einsamkeit des Landes. Unterlegt man dieses Bild mit dem grüngeränderten Kapillarsystem der Landsträßchen auf den Michelin-Karten, öffnen sich weite Freiräume für Abenteuer auf zwei Rädern.
Diese werden sich uns erst so recht in der France profonde erschließen, im ländlichen Frankreich: wo die Straßen eher fünf als fünfzehn Meter breit sind, wo mehr Traktoren verkehren als Autos, wo man sich im Alltag noch ein Überbleibsel vorrevolutionärer courtoisie bewahrt hat und wo dieses herrliche Land seine bezaubernde Monolingualität auslebt. Dort wollen wir hin. Aber auch in die größeren Städte am Wege: Bordeaux, Biarritz, Toulouse, Carcassonne, Albi. Und natürlich durch das Zentralmassiv, den Périgord, die Pyrenäen und die Cevennen.
Die Zeit für dieses Unternehmen scheint uns passend gewählt: Nach der rentrée ist das Land aus den Sommerferien zurückgekehrt. Die meisten ausländischen Touristen sind wieder über die Grenze. Und die, die jetzt noch kommen, sind (im doppelten Wortsinne) meist Herbstsonnen-Genießer mit anderen Intentionen als wir sie haben.
Unsere Maschine ist zeitgerecht präpariert: Alle Betriebsflüssigkeiten sind gewechselt und die Ventile sauber eingestellt. Für Sicherheit und ein unbeschwertes Kurvenerlebnis in den Pyrenäen sorgen neue Reifen, frische Bremsbeläge und akkurat gewartete Öhlins-Federbeine.
Unsere Checkliste für das minimalistische Reisegepäck hat sich über die Jahre bewährt. Wasserdicht sind wir auch geworden: Nachdem uns 2.000 Kilometer Regenfahrt auf dem Weg von Moskau nach Lyon gelehrt haben, daß auf den kalendarischen Sommer nicht unbedingt meteorologischer Verlaß ist, haben wir uns neu eingekleidet. Die Ganzkörpermülltüten a.k.a. Regenkombis sind nun überflüssig geworden und lassen Platz für Nützlicheres – oder Freiraum für ein genüßliches Picknick auf dem Lande.
Motorradtour Südwestfrankreich Teil 1:
Vulkane und Meer
Lange geplant, immer wieder aufgeschoben: eine zweiwöchige Frankreichtour abseits ausgetretener Pfade. Unsere Motorradtour Südwestfrankreich Teil 1 führt durch das Zentralmassiv an den Atlantik. An der Küste entlang nach Süden bis an die spanische Grenze. Im 2. Teil soll es dann über tausend Kurven durch die Pyrenäen ans Mittelmeer gehen. Und von dort durch die Schluchten der Ardèche wieder zurück nach Lyon.
Es sollte eine unkonventionelle Tour werden. Was haben wir – Christine und ich – dabei alles entdeckt und erlebt?
1. Etappe
Lyon – Vienne – Bourg Argental – Yssingeaux – Puy-en-Velay. 171 km
Von der Rhône zu den Vulkanen
Gemessen an alledem, was wir in den nächsten zwei Wochen auf unserer Motorradtour durch Südwestfrankreich erfahren und erleben wollen, verläuft der Aufbruch erstaunlich unspektakulär: Abfahrt 11.11 Uhr – die Nacht war kurz, der Vorabend kulinarisch und angeregt das Gespräch mit den Freunden, die unsere Wohnung während unserer Abwesenheit einhüten. Wir besteigen unsere Maschine so gelassen wie zu einer Wochenendtour. Worauf haben wir uns da wohl eingelassen?
Aufregend wird es erst mal nicht: Bei nur mäßigem Sonnenschein begeben wir uns zunächst Autoroute du Soleil. Diese verlassen wir aber schon nach wenigen Kilometern zu Gunsten der Route des vins des Côtes du Rhône, die Vienne mit Avignon verbindet. Genußvoll ist die Fahrt entlang der Weinberge, die uns schon manch guten Tropfen beschert haben.
Vulkanlandschaft des Zentralplateaus
Am Nachmittag, eigentlich viel zu früh für so eine entspannende Fahrt, erreichen wir unser Hotel Moulin de la Barette kurz vor Puy-en-Velay. Es ist ebenso nett wie leer. Die landesweite Feriensaison ist vorüber. Abseits der großen Straßen trifft man nur noch spinnerte Ausländer.
Puy-en-Velay ist eine sehr nette, von der Renaissance geprägte Provinzstadt mit schmalen Häusern und Katzenkopfpflaster. Zuerst erklimmen wir die steilen 286 Stufen zur Kapelle St-Michel, ein auf eine Vulkannadel aufgepflanztes Kirchlein auf dem französischen Teil des Jakobsweges. Unvermittelt finden wir dort Ruhe und Einkehr, die uns auf die Stadtbesichtigung einstimmt.
Wir halten uns eher an den Verviene, einen vitriolgrünen Likör aus 32 Kräutern, der auch unsere abendliche Nachspeise würzt. Ein passender Abschluß nach Schweinerollbraten mit Puy-Linsen (einer kulinarischen Besonderheit dieser Gegend) und einer Flasche Chateaugay aus der Auvergne. Ein kurzer, aber erlebnisreicher Tag neigt sich mit dem letzten Schluck dem Ende zu.
Empfohlener Wein aus der Region:
2. Etappe
Puy-en-Velay – Monistrol – Langeac – St-Flour – Aurillac. 219 km
Der Himmel ist so grau wie die zahllosen Steinhäuser, an denen wir bislang vorübergefahren sind. Aber die Stimmung nach einem einsamen Frühstück im Ambiente der 80er Jahre ist gehoben. Beim Bezahlen der (sehr mäßigen) Hotelrechnung zwinkert mir die alte Dame an der Rezeption ein „bonne route“ zu, was für uns natürlich zum Programm wird.
Gorges d’Allier
Bevor wir auf Strecke gehen, wird der Tank noch bis zur Halskrause gefüllt und ab geht es auf die gut ausgebaute Landstraße, die uns schon nach kurzer Zeit nach Monistrol bringt. Hier biegen wir nordwärts in die Schlucht des Allier ein und kurven auf einem winzigen Sträßchen zur Talschulter empor, von der aus sich uns ein herrlicher Blick auf den rauschenden Fluß eröffnet.
Das Département Allier gehört zu den am dünnsten besiedelten Gegenden Frankreichs. Auf der Fahrt über die Dörfer begegnen wir mehr Traktoren als Autos und mehr Kühen als Menschen. Ich beginne, den französischen Zentralismus aus einem ganz anderen Blickwinkel zu begreifen.
Über die Vulkane
Unser Navigationsgerät führt uns punktgenau zu unserem Logis, wo sich der patron angelegentlich nach unseren Wünschen zum Abendessen erkundigt. Wir werden ihn mit unserem Appetit nicht enttäuschen. Der Zwischengang kündigt für die assiette de fromages locaux einige Käsesorten an, die ich noch nicht kenne. In Begleitung eines regionaltypischen Weißweins sind Cantal, Salers, Laguiole und Aligot ein würdiger Abschluß der Käsestraße, der wir heute über 50 km gefolgt sind.
Empfohlene Landkarte:
Michelin Départements France N° 330 – Cantal, Lozère
Empfohlener Wein aus der Region:
La Légendaire, Côte d’Auvergne AOC, Cave Saint Verny
3. Etappe
Aurillac – St-Céré – Rocamadour – Sarlat-la-Canéda. 129 km
Aurillac
Die kleine Rothaarige an der Hotelrezeption ist erstaunt über unsere weitreichenden Reisepläne und wünscht uns bonne continuation – die dieser sonnige Tag auch bringen sollte.
Vom Ambiente her ist Aurillac eher enttäuschend. Das kann auch Gerbert von Aurillac nicht wettmachen, der große Gelehrte dieser Stadt, Berater Kaiser Ottos III. und spätere Papst Sylvester II. Vielleicht würde er sich in seinem Grab in San Giovanni in Laterano in Rom umdrehen, wenn er wüßte, wie banal sein Geburtsort geworden ist. Wir haben es im Anno Santo 2000 besucht, auf einer BMW R 1150 R (mit scheußlichem Getriebe), als wir die 7 Hauptkirchen der Ewigen Stadt abgeklappert haben.
Schloss und Wallfahrtskirche Rocamadour
Seit dem Jubiläumsjahr sind wir zwar aller läßlichen Sünden ledig. Zur Auffrischung besuchen wir aber vorsichtshalber die Schwarze Madonna von Rocamadour in ihrer Felsenkirche. Die 224 Stufen zu ihr asten wir – zum Glück nicht wie früher üblich auf den Knien – aber in voller Montur in der heißen Mittagssonne empor. Irgendwie fühlen wir uns an den Bryce Canyon erinnert, den wir in ähnlich praktischer Kleidung erobert haben.
Kirche und Schloß auf der steilen Felsenklippe sind mit Sicherheit Highlights unserer Motorradtour Südwestfrankreich Teil 1. Am Ende der Himmelstreppe schließen wir in Hörweite zu einer Gruppe deutscher Bildungstouristen auf und kommen so in den Genuß der zugehörigen Erläuterungen.
Traumhafter Périgord
Von einzigartiger Schönheit ist die Landschaft des Périgord: Lauschige Flußtäler wechseln sich mit Eichenwäldern ab. Unsere Straße führt in Serpentinen bergan, um sich wenige Kilometer später wieder talwärts zu winden. Die abgelegenen Dörfer an der Strecke schmücken sich mit üppiger Bepflanzung und Walnußplantagen.
Leider gibt es auch allerorts Farmen, in denen bedauernswerte Gänse gestopft werden, um den Nachschub an Gänseleber zu sicherzustellen.
Auf dieser Etappe reicht es aber durchaus, die wenigen Sehenswürdigkeiten im Vorbeifahren zu erfassen. Die monumentale Festung hoch über St-Céré liegt schon seit Jahrhunderten in Trümmern. Das Angebot des Wochenmarktes kennen wir in seiner Zusammensetzung schon vom Usbeken-Markt in Moskau und etliche der Hinweisschilder auf Sehenswürdigkeiten deuten ins Nichts. So bleiben wir bei unserem mittäglichen café au lait und überlassen es den Einheimischen, ihr massives steak frites verzehren.
Malerisches Sarlat-la-Canéda
Als Glücksgriff erweist sich unser romantisches Hotel La Couleuvrine in Sarlat, in dem wir ein Zimmer im oberen Stock des Stadtturms ergattern. Der herrliche Blick über die mittelalterlichen Häuser ist allerdings durch eine (mit unserem Gepäck) schwer zu erklimmende außenliegende Wendeltreppe erkauft.
Nach einem Rundgang durch die romantische Altstadt (die Sandsteingebäude leuchten im Sonnenuntergang wunderbar goldgelb) beschließen wir den Abend auf der Restaurantterrasse mit Entenbrust und einem ziemlich barriquestarken Roten aus Bérgérac – aber ohne foie gras und die ortsüblichen Trüffeln.
In unserem Zimmer trocknet unterdessen die Wäsche, die wir gleich nach Eintreffen gewaschen haben. Ein verträumter Anblick, wie in der Stube des Armen Poeten von Spitzweg.
Empfohlene Landkarte:
Michelin Départements France N° 329 – Corrèze, Dordogne
Empfohlener Wein aus der Region:
Château Moulin Caresse, Earl Deffarge Danger, 1235, rte de Couin, 24230 Saint-Antoine-de-Breuilh
4. Etappe
Sarlat-la-Canéda – Lascaux II – Château Losse – Gite de La Madeleine – Château Beynac – Château Castelnaud – Sarlat-la-Canéda. 119 km
Die Höhlen von Lascaux
Heute wollen wir auf unserer Motorradtour Südwestfrankreich Teil 1 den Périgord Noir durchkreuzen und vor allem die prähistorischen Höhlen von Lascaux mit ihren weltberühmten Wandmalereien besichtigen. UNESCO-Weltkulturerbe. Nach einem leichten Frühstück führt unser Weg nordwärts nach Montignac. Ob dieser Ort am A**** der Welt liegt, darüber läßt ein Denkmal im zentralen Park trefflich spekulieren.
Nachdem die ursprüngliche Höhle mit ihren originalen Wandmalereien 1963 aus konservatorischen Gründen auf Weisung des damaligen Kulturministers André Malraux geschlossen wurde, hat man die 17.000 Jahre alten Kunstwerke in einer zweiten Höhle des gleichen Komplexes eindrucksvoll repliziert.
Wenn man sich die Wandmalereien eine zeitlang betrachtet, möchte man meinen, die Höhlenmenschen hätten die Höhlenwände wohl jahrelang angestarrt und so deren Wandstrukturen regelrecht verinnerlicht. Nur so ist es erklärlich, daß sie die Körper all der wilden Tiere aus ihrer Umgebung (Pferde, Kühe, Auerochsen) mit dem Höhlenrelief Leben verliehen haben. Wenn man auch die Wandmalereien aus bildlichen Darstellungen kennt – in echt (oder als Replika) gewinnen sie Leben und Ausdruckskraft.
Verträumter Périgord Noir
In der einzigen noch geöffneten Bäckerei erstehen wir zwei schmierige Schinkencroissants und zwei Cola, um an geeignetem Ort ein kleines Picknick zu veranstalten. So landen wir auch bald im Park des Château Puymartin. Da es keine historischen Besonderheiten bietet, ersparen wir uns einen Besuch und erfreuen uns lieber an der ländlichen Idylle.
In einer versteckten Ecke des baumbestandenen Parks entdecken wir ein Tischchen mit zwei Stühlen und genießen in einem weitläufigen, von Hecken und bunten Büschen gesäumten Idyll unser Picknick. Jardin de Princesse heißt dieser Ort neckischerweise, an dem wir anschließend unsere mitgebrachte NVA-Zeltplane zur Mittagsruhe ausbreiten – Strichtarnmuster „Äää-Strisch/Käää-Strisch“. Wenn der Mot-Schütze, der sie einst im Marschgepäck mitgeführt hat, gewußt hätte, daß seine Plane dereinst mal die Ausreise in den Nichtsozialistischen Wirtschaftsbereich bekommt …
Tip für unterwegs:
Eine Mittagspause in französischen Schloßparks läßt sich strategisch planen: Wenn alle Welt sich über das Mittagsmahl beugt und auch die Schlösser über Mittag geschlossen sind, findet sich ein lauschiges Plätzchen im Park, an den man essen und ruhen kann. Sobald die ersten gesättigten Familien mit krähenden Kindern eintreffen, macht man sich wieder auf den Weg.
Ich kann nicht anders als die landschaftlichen Reize der Dordogne zu preisen: lauschige Täler, idyllische Flüßchen, dichte Wälder, kurvige Landstraße und sehr mäßiger Verkehr. Nur angejahrte Engländer in SUVs, Holländer (oft mit Wohnmobil) und vereinzelt deutsche Jungrentner in gebrauchten BMW 3er-Cabriolets machen die Gegend unsicher. Aber die sehen wir alle bald im Rückspiegel.
Dann haben wir aber wirklich genug gesehen für heute und freuen uns rechtschaffen auf eine kühlende Dusche im Turmzimmer unseres Hotels.
Empfohlene Landkarte:
Michelin Départements France N° 329 – Corrèze, Dordogne
5. Etappe
Sarlat-la-Canéda – Bergerac – St-Emilion – Bordeaux. 210 km
Durch die Dordogne
Bei Le Buisson biegen wir links ab, um das Kloster Cadouin am Jakobsweg zu besuchen. Wie es sich für eine ordentliche Zisterzienserabtei gehört, liegt sie in einem idyllischen Waldtal, umgeben von mehreren Ausflugslokalen. Die frühgotische Kirche (1115) bietet nackte, aber eindrucksvolle Architektur.
Im kombinierten Post- und Bürgermeisteramt nebenan geben wir, nachdem wir ein Nachbarschaftsschwätzchen der Bürobediensteten unterbrechen mußten, Postkarten an unsere Kinder auf. Der anschließende Café au lait bietet zwar eine willkommene, aber keineswegs mundende Abwechslung. In Frankreich haben wir halt ständig Pech mit dem Kaffee. Löbliche Ausnahmen waren uns auch auf vielen tausend Kilometern kaum vergönnt. Auch hätten wir dankbar begrüßt, wenn unser Kaffee so heiß gewesen wäre wie dieser Sonnentag.
Bergerac, die vielgepriesene Metropole der Dordogne, präsentiert sich uns als eher belangloses Provinznest. Deshalb belassen wir es bei der Leerung zweier Flaschen Wasser im Schatten der Kirche und sehen zu, daß wir Land gewinnen.
Erstmals in unserer langen Motorrad-Reisekarriere bereitet es uns Schwierigkeiten, das am Straßenrand angepriesene „Restaurant M d’or“ a. k. a. McDonald’s zu finden. Die Perle der Systemgastronomie. Nach 20 km vergeblicher Suche erstrahlen dann doch die Farben Rot/Gelb vor uns und wir finden Kühle, Speis’ und Trank und vor allem eine funktionierende Internetverbindung. In einem Anfall von Organisationswut buchen wir im voraus unser Hotel in Biarritz für nächste Woche.
Tip für heisse Tage:
Das Wieder-Anziehen der naßgeschwitzten Handschuhe wird zusehends mühsamer, als Christian auf eine geniale Idee verfällt: Er hält sie unter die Handtrockenanlage im Bad und im Nu sind sie zwar gebrauchsfertig – aber auch warm!
Der Ruf der High-Tech-Materialien für die Kombis hält keineswegs, was er verspricht. Von wegen Feuchtigkeit nach außen abtransportieren! Innen ist es so nass wie in einem gebrauchten Badeanzug. Die Trockenzeit ist allerdings extrem kurz.
Mittlerweile ist es hübsch heiß geworden auf der Landstraße und die Sommerkombi bleibt ein Wunschtraum. Doch die Fahrt auf der schnurgeraden Landstraße ist nicht so langweilig wie befürchtet: Sie verläuft entlang des alten Dordogne-Seitenkanals, an dem nette, blumengeschmückte Dörfer einander abwechseln.
Zu Gast bei Montaigne
Als ich aus einem Augenwinkel heraus das Hinweisschild Tour de Montaigne wahrnehme, steige ich in die Eisen und biege kurz entschlossen rechts ab. Nach wenigen Kilometern erreichen wir das Schloß des Philosophen und Politikers Michel de Montaigne und begeben uns zu dem Bücherturm, in den er sich mit 38 Jahren zurückgezogen hatte, um dort schriftstellerisch (Essais) tätig zu werden. Sein deutscher Hauslehrer, der kein Wort gascognisch sprach, brachte ihm Latein bei, das zu seiner zweiten Muttersprache wurde.
Das Anwesen ist auch heute noch von traumhafter Idylle. Wir durchstreifen den Park und klauben heimlich einige Feigen von einem schwertragenden Baum. Salbei und Rosmarin entfalten an der Schloßmauer ihren betörenden Duft.
Grands Crus in St-Emilion
Späte Abkühlung in Bordeaux
Empfohlene Landkarte:
Michelin Départements France N° 335 – Gironde, Landes
6. Etappe
Bordeaux. 1,2 km (zur Tankstelle)
Historisches Bordeaux
Heute gönnen wir uns auf unserer Motorradtour Südwestfrankreich Teil 1 einen Ruhetag und streifen durch die außerordentlich bunte und belebte, aber selbst noch zu dieser Jahreszeit sehr heiße Stadt. Ein wenig Kühlung finden wir zwischendurch in den großen Kirchen, die wir wegen ihres großzügigen Raumeindrucks und ihrer (von der Revolution arg dezimierten) Ausschmückung interessant finden.
Allgegenwärtig ist auch hier der Heilige Jakob, Schutzpatron der zu ihm nach Santiago ziehenden Pilger. Nicht vorhanden, im Gegensatz zu den Kirchen nördlich und östlich der Dordogne, sind bildliche Darstellungen von Jeanne d’Arc. Klar, bis 1453 war diese Stadt als Krongut Eleonores von Aquitanien, der Gemahlin Heinrichs II., englisches Territorium. Daher auch die bis heute bestehende Vorliebe der Engländer für Bordeaux-Wein („claret“), der sie zum wichtigsten Importeur in Europa macht.
7. Etappe
Bordeaux – Les Landes – Biarritz. 243 km
Um nicht wieder eine Hitzefahrt machen zu müssen, brechen wir schon früh nach Süden auf. Doch zu unserer Überraschung ist es kühl und neblig. Beim ersten Stop an einer Bäckerei auf dem Lande ziehen wir uns Pullover drüber (oder drunter, wie man’s nimmt) und fahren frisch verproviantiert weiter auf der Landstraße.
Durch Kiefernwälder ans Meer
Dem Vorschlag einheimischer Freunde folgend vermeiden wir die langweilige Autobahn nach Süden und schlagen uns stattdessen auf kleinen Straßen durch die Landes, den Landstrich hinter der Atlantikküste. Ursprünglich war dies eine reine Sumpf- und Heidegegend (la lande = die Heide). Dann hat sie aber Napoleon I. mit Kiefern kultivieren lassen, so daß es hier fast so aussieht wie Brandenburg.
Die schnurgeraden Straßen sind leergefegt und die vereinzelten, recht hübschen Dörfer noch unbelebt, so daß wir gut Strecke machen können. Als sehr schwierig erfüllbar erweist allerdings sich unser Wunsch nach einer Tasse Kaffee, bis Christine in einem Kaff mit dem mildtätigen Namen Solferino ein abgelegenes Hotel entdeckt, an dem es ein belebendes Heißgetränk geben könnte. In der Tat werden wir in der „Auberge Napoléon III“ fündig. Der vollrunde, noch unrasierte Patron serviert uns zwei große Tassen höchst mittelmäßigen Kaffee. Übrigens: Napoleon III. erging es in Mexiko gar nicht so gut – doch nicht etwa wegen des Kaffees?
Die Ähnlichkeiten mit Brandenburg mehren sich: In der Einsamkeit der Kiefernwälder haben wir kein Mobilnetz und selbst das Navi meldet, es bekomme keinen Satellitenempfang mehr. Da müssen wir schon ganz schön weit draußen sein auf unserer Motorradtour Südwestfrankreich Teil 1. Die Zivilisation erreichen wir erst wieder in einem Ort mit dem börsenbekannten Namen Dax, wo wir eine überfällige Trinkpause an einer Tankstelle einlegen.
Danach ist es nur noch ein Katzensprung nach Biarritz ans Meer. Hier bleiben wir erst einmal drei Tage, um am Strand etwas auszuspannen.
Empfohlene Landkarte:
Michelin Départements France N° 335 – Gironde, Landes
8. Etappe
Biarritz – St-Jean-de-Luz – Biarritz.
(0 km. Nur Bahn /Bus)
St-Jean-de-Luz
Dann entern wir kurzentschlossen den nächsten Bus zum Bahnhof, springen in den abfahrbereiten TGV und fahren eine Station weiter nach St-Jean-de-Luz. Diese kleinere, bürgerliche Schwester von Biarritz gefällt uns viel besser als unser derzeitiger Aufenthaltsort. Aber die Hotels sind hier eine ganze Ecke teuerer und so gut wie ausgebucht. Die fin-de-siècle-Bauten und die baskische Architektur dieses Seebades haben es uns sehr angetan. Zunächst besuchen wir die sehr eindrucksvolle Kirche des Namenspatrons St-Jean-Baptiste, in der im Jahre 1660 Ludwig XIV. die spanische Infantin Maria Teresa geheiratet hat.
Den Rest des Tages genießen wir das Strandleben, das tatsächlich einen Eindruck vermittelt, wie ihn Cézanne im 19. Jahrhundert auf seinen Bildern festgehalten hat. Etwas weiter, hinten beim Leuchtturm, wurde der Komponist Maurice Ravel geboren.
9. Etappe
Biarritz
Heute eine echte Nullrunde auf unserer Motorradtour Südwestfrankreich Teil 1. In vielerlei Beziehung. Morgens wollten wir einen Strandspaziergang machen, aber Flut und Brecher hatten alles überschwemmt. Also machen wir aus der Not eine Tugend und suchen einen Waschsalon auf, um unsere Wäsche zu waschen. Auch nicht besonders prickelnd. Ergebnislos ebenso die Suche nach einer Pediküre für Christine, da selbst menschenleere Salons nur nach längerem Terminvorlauf zu solcher Dienstleistung bereit sind. Das anschließende Vorhaben, ein Picknick im Hotelzimmer zu veranstalten, steht insoweit unter keinem guten Stern, weil ich den Supermarkt für die Proviantierung absolut scheußlich finde. Außerdem war das Picknick selbst auch nicht gerade der Brüller, nicht zuletzt, weil das Hotel nicht in der Lage war, unser Zimmer bis zum mittleren Nachmittag wieder herzurichten.
Unter einem Sonnenschirm im Hotelgarten versuche ich schließlich, die Frustration wegzudösen, was mir aber nur solange gelingt, bis ich Christine vorschlage, uns mit einem Eis zu trösten. Kilometerlang patrouillieren wir in Gluthitze durch die Stadt, ohne fündig zu werden. Entweder nichts oder sündhaft überteuert. Ach, liebes Russland, Du hast es besser! Wie schön war es doch, beim nächsten Kiosk am Fensterchen zu fragen „У вас есть мороженое ?» und darauf die verständnislose Antwort zu erhalten „Да, конечно. “ Und für 85 Rubelchen bekam man ein herrliches Eis. Ganz davon zu schweigen, daß man für den Gegenwert einer Flasche mittelmäßigen Rotweins in Frankreich dort fünf Liter Wodka bekam.
Hinterm Horizont geht’s weiter!
Die Fortsetzung unserer Motorradtour Südwestfrankreich durch die Pyrenäen und die Schluchten der Ardèche findet sich hier.
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Aktualisiert am 05/03/2021 von Christian