Volles Programm bei einer Motorradtour um den Schwielowsee: Schlösser Caputh und Petzow, Fischerkirche Ferch, Albert Einsteins Sommerhaus und noch mehr.
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Auf zur Motorradtour um den Schwielowsee
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Eine Motorradtour um den Schwielowsee südwestlich von Potsdam versetzt den Besucher in eine andere Welt. Denn er ist wohl dasjenige Gewässer Brandenburgs, an dem sich die meisten Sehenswürdigkeiten aneinanderreihen: das Schlößchen Caputh, das alte Fischerdorf Ferch mit seiner Fischerkirche, das Sommerhaus Albert Einsteins. Dazu das Grün des ausgedehnten Lenné-Parks von Schloß Petzow und eines entrückten japanischen Gartens.
The best alarm clock is sunshine on chrome.
— Unbekannter Philosoph
Wenn ein sonniger Tag einige Stunden Zeit für eine überschaubare Tour in der Nähe Berlins läßt, wo soll es da hingehen? Darum ist eine Motorradtour um den Schwielowsee mit seiner Panorama-Uferstraße stets eine gute Empfehlung.
Der morgendliche Berufsverkehr der Hauptstadt ist schon verrauscht. Die Morgensonne steht warm im Rücken. Gelassen rollen wir westwärts die Heerstraße hinaus bis nach Spandau, biegen links auf die Bundesstraße 2 ein und genießen die lange Allee, die uns nach Potsdam bringt.
Vorbei an Neuem Palais und Stadtschloß queren wir abermals die Havel. Dann fädeln wir uns rechts auf die kleine Landstraße zum Schwielowsee ein. Durch Schilf und Bäume schimmert rechter Hand der See. Ausflügler und Wassersportler lassen sich an diesem Werktag an einer Hand abzählen.
Schloss und Park Caputh
Am späten Vormittag erreichen wir Caputh, das im Rufe steht, eines der längsten Dörfer in der Mark zu sein. Vor dem Schloß stellen wir die Maschine ab. Mit gut gefülltem Tankrucksack wandern wir an die Uferpromenade des Schloßparks. Dort holen wir auf einer Bank unser Picknick hervor und genießen den freien Blick auf das weite Wasserpanorama.
In der grenzenlosen Ruhe schweifen die Gedanken zurück in die Geschichte zu Kurfürstin Sophie Charlotte, der ihr Mann Friedrich III. dieses bescheidene Schloß zum Geschenk machte. Und zu den ersten Julitagen 1709, als drei Könige mit Namen Friedrich auf einer prächtigen, eigens in Holland gebauten Yacht genau hier, wo wir jetzt sitzen, zu froher Feier anlandeten: Friedrich IV. von Dänemark, Friedrich August von Polen und Friedrich I. von Preußen. Ein Bild der Drei hängt im Schloß, das vor allem wegen seiner Porzellankammer und seinem mit holländischen Fliesen ausgelegten Souterrainsaal einen Besuch lohnt.
Albert Einsteins Sommerhaus in Caputh
Auf dieser Motorradtour um den Schwielowsee machen wir es endlich wahr und fahren am nördlichen Ortsrand von Caputh hoch zu der idyllisch klingenden Adresse „Am Waldrand 15-17“. Dort steht das Sommerhaus Albert Einsteins, ein Geschenk des Berliner Bürgermeisters zum 50. Geburtstag des Nobelpreisträgers (1921/22) im Jahre 1929.
Dieses vermutlich berühmteste und außergewöhnlichste Holz- und Fertighaus mit angebauter Wohnveranda und Dachterrasse war Einsteins kleines Paradies. An seinen Sohn Eduard schrieb er 1931:
Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt, und auf Papa, wenn Dirs gefällt.
Hier empfing Einstein die Größen der Wissenschaft, Kunst und Literatur: Die Nobelpreisträger Max Planck, Otto Hahn und Fritz Haber, den Maler Max Liebermann, den Kritiker Alfred Kerr, den Dirigenten Erich Kleiber und den Schriftsteller Arnold Zweig. Sie alle fanden ihren Weg an den Waldrand in Caputh.
Unten am Ufer lag sein Segelboot, auf dem er nach eigenem Bekunden die glücklichsten Stunden seines Lebens beim Kreuzen auf dem Schwielowsee und den angrenzenden Seen verlebte. Allerdings segelte er zumeist allein, denn das ist der Luxus, den Denker brauchen.
Jede Menge Telefonzellen in Michendorf
Bereichert durch diese Impressionen drücke ich auf den Anlasserknopf . Dann suchen wir unseren Weg einige Kilometer südwestwärts Richtung Michendorf. Etwas abseits des Ortes findet sich eine Kollektion besonderer Art: 3.000 Telefonzellen aus ganz Deutschland, die die Telekom mitten im Wald deponiert hat. Vogelgezwitscher, Pinienduft und ein Blick in die Vergangenheit der Telekommunikation. Da stehen sie also, gelbe noch und magentafarbene. Nicht mehr gebraucht. Ausgemustert. Freigegeben zum Verkauf an Liebhaber und Nostalgiker. Wen‘s interessiert: 52°19’07.1″N 13°00’52.9″E
Am 21.11.2022 hat die Telekom die letzte Telefonzelle in Deutschland abgeklemmt. Was übrig geblieben ist, kann man sich für 500 Euro in den Garten stellen.
Die Fischerkirche in Ferch
Mit frischem Schwung kehren wir zunächst nach Caputh zurück, um dann einige Kilometer südwärts das alte Fischerdorf Ferch zu erreichen. Zunächst verirren wir uns in der ausgedehnten Ortschaft, finden dann aber doch mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Post und der örtlichen Straßenmeisterei die alte Fischerkirche.
Leider reicht die Zeit auf dieser Motorradtour um den Schwielowsee nicht, um die uns angebotenen Schlüssel beim Küster abzuholen und uns die Kirche von innen anzusehen. Aber durch die Fenster der denkmalgeschützten Kirche aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg ist die als Tonne gewölbte, mit Wolken bemalte Holzdecke in Form eines auf dem Kopf liegenden Kahns und der lebensgroße Taufengel zu erkennen. Bei Taufen läßt man ihn von der Decke herunter.
Zum Schutz gegen nagende Holzwürmer wurde die Kirche bei ihrer Restaurierung für mehrere Tage in Folie verpackt und anschließend einer Blausäurebegasung ausgesetzt. Zur Kontrolle wurden empfindliche Mikrofone so angebracht, dass die Freßgeräusche der Insektenlarven zu hören waren. Eine wunderschöne und sehr gefühlvoll restaurierte Kirche.
Japanischer Bonsaigarten in Ferch
Am Ortsausgang von Ferch tauchen wir in eine andere Welt ein: Wir besuchen den Japanischen Bonsaigarten, der dort mit viel Liebe und Engagement angelegt ist. Nicht nur die sorgsam coupierten Bäumchen gibt es dort zu sehen, sondern auch ein japanisches Teehaus, in dem man bei einer Schale des grünen Getränks seine innere Ausgeglichenheit (wieder) finden kann.
Wenn Sie nicht wissen was Sie als Erstes tun sollen, trinken Sie eine Schale Tee.
— Japanisches Sprichwort
Es tut wohl, die verschiedenen künstlerischen, ästhetischen, religiösen und gesellschaftlichen Aspekte zu verinnerlichen, die ein japanischer Garten in sich vereinigt. Man kann nachfühlen, wie auf verschiedene Art und Weise eine Landschaft dargestellt wird – entweder als nachempfundene reale Landschaft, die man durchlaufen kann, oder ein Wandelgarten, oder aber ein Garten, der von einem bestimmten Punkt aus, z.B. von einer Veranda, betrachtet wird.
Dort gönnen wir uns eine Schale Tee und genießen die Atmosphäre der Ruhe und der Gelassenheit, die über diesem wunderschönen Garten liegt.
Es ist so anheimelnd in dieser Gegend, daß sich auch die Wölfe hier wohlfühlen. Den Beweis für ihre Präsenz liefert ein Wildunfall im April 2018, bei dem ein Isegrim von einem Auto tödlich verletzt wurde.
Schloss und Park Petzow
Mit solchen Bildern im Kopf umrunden wir auf unserer Schwielowsee Rundtour die Südspitze des Sees und machen kurz Halt in Petzow, um einen Blick auf Schloß und Lenné-Park zu werfen. 1825 von Schinkel erbaut, stellt das Schloß eine Mischung aus italienischen Kastell- und englischen Tudorstil dar. Park und Seeufer laden zum Verweilen ein, wovon wir ausgiebig Gebrauch machen.
Sanddorn in Petzow
Da heute das Wohlbefinden im Vordergrund steht, suchen wir einen weiteren Garten auf: Auf der anderen Straßenseite besuchen wir den Sanddorn-Garten. Dort gibt es alles zu sehen und zu kaufen, was sich Schmackhaftes aus diesen orangefarbenen Beeren herstellen läßt. Im Verkaufsladen erstehen wir als Andenken ein Glas Sanddornmarmelade. Und für draußen unter einem sanddornfarbenen Sonnenschirm ein Sanddorn-Eis. Wohlig schleckend genießen wir den Blick über den hübsch angelegten Garten. Ein verlockendes Ziel für einen Zwischenstop, wenn man wieder in die Gegend kommt.
Bevor der Feierabendverkehr allzu dicht wird, treten wir den Heimweg an. Auf sonnendurchschienenen Alleen rollen wir zurück in das Herz Berlins. Kaum zu glauben, aber all das ist machbar in einigen wenigen Stunden. Wer mehr Zeit hat, sollte einen Abstecher in den Hohen Fläming machen, so wie wir ihn an anderer Stelle beschrieben haben.
Bei einer weiteren Tasse Tee auf unserer Terrasse lassen wir noch einmal alles an uns vorbeiziehen und genießen diese Halbtagestour ein zweites Mal.
Aktualisiert am 26/11/2022 von Christian