Lohnt sich eine Motorradtour mit Autoreisezug und Fähre, um über weite Strecken Zeit und Kosten zu sparen? Ein taufrischer Erfahrungsbericht.
Motorradtour mit Autoreisezug und Fähre nach Süditalien
Bei der Planung unserer diesjährigen Tour durch Süditalien war die große Frage: Entweder die weite Anfahrtstrecke auf eigener Achse zurückzulegen. Oder eine kombinierte Motorradtour mit Autoreisezug und Fähre unternehmen.
Auf dieser Tour von Sizilien bis zum Brenner wollten wir einen Eindruck davon bekommen, was sich in diesem Land in den letzten Jahren getan hat. Ein Land, das ich seit 1954 in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen bereist habe. Schauen, vergleichen, mit Menschen reden und vor allem aber herrliche Strecken fahren, auf denen sich noch nicht halb Nordeuropa tummelt.
Dabei sollte nach Sizilien, Kalabrien und der Basilikata der apulische Stiefelabsatz bei S. Maria di Leuca die Wendemarke unserer Motorradtour nach Süditalien sein. Dann weiter auf den Spuren der Staufer durch Apulien mit Highlight Castel del Monte. Schließlich ein paar Tage Basislager in Bari, um in den Bergen die unverzichtbaren kurvigen Tagesschleifen zu drehen. Daran sollte sich am Monte Gargano ein kleiner Badurlaub anschließen. Dort, auf dem Stiefelsporn wartete wiederum ein herrliches Kurvenrevier auf uns.
Für den zweiten Teil unserer Tour hatten wir eine Streckenführung durch die weniger befahrenen Gegenden der Abruzzen, Umbriens und die Toskana vorgesehen. Im wesentlichen folgte sie der diesjährigen Motorradrallye Milano-Taranto in umgekehrter Richtung.
Option Autoreisezug
Die Anreise von Berlin nach Palermo zieht sich über satte 2.395 km hin, für die (mit Pausentag) eine gute Fahrtwoche zu veranschlagen wäre.
Das kann man machen. Aber es bringt nur begrenzten Spaß, sich von Berlin bis Verona tagelang auf der Autobahn die Reifen eckig zu fahren.
Zudem ist es in unserem Falle so, daß wir von früheren Aufenthalten in Italien her das Land vom Brenner bis Neapel recht gut kennen. Da haben wir die interessanten Strecken bereits ausgiebig unter die Räder genommen. Warum dann die bekannten Strecken nochmal fahren?
Deshalb schien uns eine Motorradtour mit Autoreisezug und Fähre die klügere Variante zu sein: Einfach mit dem Autoreisezug nach Verona fahren, dann auf eigener Achse bis Genua und von dort aus mit der Fähre nach Palermo. Auf die Kosten gehe ich weiter unten ein.
Gibt es noch Autoreisezüge?

Autoreisezug 1954: FIAT Giardiniera beim Eisenbahntransport auf einem Flachbettwagen mit dem reiselustigen Autor nebendran.
Damit bleibt als Alternative der Autoreisezug. Früher war das mal eine große Sache. Von Berlin, Hamburg und anderen Großstädten aus gab es tolle Verbindungen in den Süden. Die Parole „Güter gehören auf die Bahn“ wurde damals noch ernst genommen. Bis die Deutsche Bahn 2016 eine Verbindung nach der anderen einstellte und den fernreiselustigen Kraftfahrer auf der Rampe sitzen ließ. Kein guter Zug, ehrlich.
Wie im Falle der eingestellten Nachtzüge sprangen Private und die Österreicher in die Bresche – mit der Folge, daß jetzt wieder ein begrenztes Angebot an Autoreisezügen verfügbar ist.
Autoreisezug Hamburg – Verona
Der ehemalige Verladeort Berlin-Wannsee hätte direkt vor unserer Tür gelegen. Jetzt aber mußten wir wohl oder übel 304 km nach Hamburg-Altona zurücklegen, um dann gen Süden zu fahren. Aber was soll’s.
An einer roten Ampel in Hamburg stießen wir auf eine vollbepackte Biker-Truppe aus Meckpomm, die offensichtlich das gleiche Ziel ansteuerten wie wir. Auf meine Frage: „Auch nach Altona?“ erntete ich ein lakonisches „Jou“. Und ab ging die Post. Nachdem wir uns dem erfahrenen Leitwolf angeschlossen hatten, standen schon kurz darauf an der Verladerampe. Die Wartezeit bis zur Abfahrt am Abend bot die willkommene Gelegenheit, alle möglichen Erfahrungen von den Mitreisenden einzuholen.

Warten auf die Motorradverladung in Hamburg-Altona
Das Verladen verläuft erstaunlich unproblematisch: Ein Einweiser der Bahngesellschaft klebt den Zettel „Verona“ (oder „Lörrach“) an die Windschutzscheibe. Man reiht sich ein und fährt über eine Rampe in die untere Etage der Fahrzeugwaggons, bis man seinen Stellplatz erreicht hat. Dort kommt die Maschine auf den Seitenständer und wird von Bahnarbeitern routiniert verzurrt. Nur Vorsicht: Die untere Etage der Waggons ist nicht sehr hoch. Also Scheibe herunterfahren und mit Brust auf dem Tank vorsichtig nach vorne. Sonst gibt es Kopfschmerzen.

Sicher verzurrt rollt die Maschine ab in den Süden
Für die Passagiere ist gut gesorgt
Nach dem Verladen zogen wir uns zunächst in den Speisewagen und genossen ein durchaus akzeptables Abendessen. Vom Schlafwagenabteil verfolgten wir die Fahrt durch die Heide, bis uns der Schlaf übermannte. Als wir am nächsten Morgen wieder erwachten, rauschte bereits die Etsch neben der Eisenbahnstrecke. Das Frühstück im Speisewagen war wie in einem einfacheren Hotel, aber ok.
Mit leichter Verspätung rollte unser Zug gegen 10.00 Uhr in Verona P. N. ein. Dann verlief alles ganz unkompliziert: Wir stiegen aus, warfen einen Orientierungsblick in die Runde. Und am Bahnsteig ragte schon unser Sohn aus der Schar der Wartenden hervor. Er war mit seiner Multistrada direkt von Norddeutschland hierher gedüst. Zum Familientreffen mit anschließender Motorradtour durch Süditalien.
Die Autowaggons wurden abgekoppelt und an ein benachbartes Entladegleis rangiert. Einer nach dem anderen rollte auf seiner Maschine tief geduckt über die Rampe auf festen Boden. Unsere Familie rottete sich zusammen und ab ging’s auf die Autobahn nach Genua.
Auf eigener Achse von Verona nach Genua
Die zweite Etappe unserer Motorradtour mit Autoreisezug und Fähre beginnt unspektakulär. Zunächst bringt die Autobahn unser Zweierteam flott auf Südwestkurs Richtung Genua. Dann aber wird es richtig interessant auf den letzten 90 km auf der A7 zwischen Tortona und Genua. Für mich ist das fahrerisch die interessanteste Autobahnstrecke in Italien. Erst kurvt sie in schönen Schwüngen den Apennin hoch. Dann geht es hui Bruch über 30 km achterbahnmäßig hinunter nach Genua.
Da kann man sich die SS 45 über Piacenza – Bobbio getrost sparen. Es sei denn, man bringt sehr viel Zeit mit und möchte das nördliche Mittelgebirge näher erkunden. So rollen wir ohne Zeitdruck in das gut ausgeschilderte Hafengelände von Genua ein.
Fähre von Genua nach Palermo
Das Beladeverfahren verläuft wie in allen Fährhäfen unseres Kontinents: Beim Außenposten zeigen wir unsere Papiere (Personalausweis + Buchungsunterlagen) vor und beziehen Warteposition am zugewiesenen Platz. Ein halbes Dutzend Motorräder gesellt sich zu uns. Zeit zum Plaudern, Erkundigen und zum Erfahrungsaustausch.

Warten auf die Fahrzeugverladung in Genua
Wer auf der Linie nach Palermo den Standard der Skandinavienfähren anlegt, wird in Genua wahrscheinlich eher enttäuscht werden. Nicht wegen der endlosen LKW-Auflieger, die eine Stunde lang aus dem Bauch unserer M/N Excelsior herausrollen. Das gehört nun mal zu dieser Größenordnung (40.000 BRT, 202 m Länge). Vielmehr ist der Verladevorgang das reine Chaos. Man wird erst hier eingewiesen, dann dort, um schließlich doch wieder umdirigiert zu werden. Alles verläuft vollkommen frei von vernünftiger Planung, geschweige denn gelassenem Vorgehen. Wer aber Spaß an Clownerien hat und seine Maschine ihrem Schicksal überlassen möchte, der ist im abgasgeschwängerten Schiffsinneren der M/N Excelsior bestens bedient. Aber schließlich ging alles doch irgendwie. Italien eben.

Fahrzeugverladung auf die Fähre
Praktisch ist es bei Fährtransfers immer, sich eine Tasche mit den notwendigsten Übernachtungssachen mit in die Kabine zu nehmen. Die Koffer bleiben an der Maschine. Unsere Kabine war sauber und ordentlich, da gibt es nichts zu sagen.
Wer nicht gerade im First Class Restaurant tafeln will, ist gut beraten, die Wartezeit bis zum Verladen zum Einkauf in den hafennahen Länden zu nutzen und seine Mahlzeiten in der Kabine einzunehmen. Das schont auch die Reisekasse.

Nächtliches Auslaufen aus dem Hafen von Genua
Mini-Kreuzfahrt mit dem Motorrad
Das Schönste am Fährtransfer ist die 20stündige Mini-Kreuzfahrt bei strahlendem Wetter. Wir machen es uns ab Oberdeck gemütlich, blinzeln in den stahlblauen Himmel, während sich unser Schiff mit 21 kn durch das spiegelglatte Mittelmeer pflügt. So kommen wir prächtig erholt im Zielgebiet unserer Tour an.

Entspannte Fährüberfahrt von Genua nach Palermo
Am Abend laufen wir in den Hafen von Palermo ein und finden – ei Wunder – unsere Maschinen brav aufrecht stehend im Fahrzeugdeck wieder. Über die lange Rampe rollen wir an Land, wo uns gleich uns der chaotische sizilianische Feierabendverkehr verschlingt. Aber unser Hotel ist nicht weit. Wir haben Zeit für einen gepflegten kulinarischen Abend und unsere Tour durch Süditalien kann am nächsten Morgen beginnen.
Welche Leute benutzen den Autoreisezug?
Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) räumt ein, daß ihr Autoreisezug-Angebot vor allem von einer zahlungskräftigeren Kundengruppe genutzt wird, die ihre Rundreise durch Italien unmittelbar vor Ort beginnen will. Dabei betont sie, daß sich dieses Geschäft nicht das ganze Jahr trage.
Dem entsprechen auch unsere Beobachtungen und Unterhaltungen an den Verladestationen: Oldtimer und Cabrios vor allem, die materialschonend ins Zielgebiet gebracht werden sollen. Motorradgruppen oft aus Skandinavien, die von Verona aus eine Woche durch die Dolomiten oder die Toskana touren wollen. Und eben Leute wie wir, die der Weg noch viel weiter nach Süden führt und denen es keine Extra-Woche wert ist, um in ihr Zielgebiet zu gelangen. Aber da sind wir eher die Ausnahme.
Erfahrungen mit dem Autoreisezug Hamburg – Verona
Wer die Kosten (s. u.) einzukalkulieren bereit ist, für den ist ein Motorradtransfer mit dem Autoreisezug durchaus eine Überlegung wert. Die Verladung ist unproblematisch, verlangt jedoch auf den Waggons ein wenig Geschick. Die Schlafwagenabteile sind ok. Luxus wird hier niemand erwarten. Immerhin, man spart 2 Tage Zeit und kommt ausgeruht in Verona an. Wer sich Essen im Speisewagen bestellt, wird kaum schlechter bedient als in einer Autobahnraststätte. Selbstverpflegung ist aber möglich und sicher keine schlechte Option.
Erfahrungen mit der Fähre Genua – Palermo
Der Zeitfaktor schlägt natürlich bei der inneritalienischen Strecke noch viel stärker zu Buche. Eine Woche mit Ruhetag wäre von Verona bis Palermo wohl zu veranschlagen, besonders in der Sommerhitze. Anders ist es jedoch, wenn man sich auf der Anreise einiges ansehen oder bestimmte Strecken fahren möchte. Aber es geht schon in die Knochen. Unser Sohn hat das auf seiner Rückreise von Bari nach Norddeutschland gemacht. Na ja, das geht auch, nur …
Nicht zu unterschätzen ist natürlich der Erlebnis- und Erholungswert einer Mini-Kreuzfahrt bei schönem Wetter.
Kostenvergleich Selbstfahrt / Autoreisezug
Kommen wir zum wichtigsten: dem Kostenvergleich.
Autoreisezug:
Ausgaben für | Euro |
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Fahrt Berlin – Hamburg: 304 km : 6 l/100 km = 50 l x € 1,42 | 71,00 |
Schlafwagenabteil | 649,00 |
Motorradtransport | 269,00 |
Summe | 989,00 |
Fiktive Reisekostenberechnung Selbstfahrt:
Ausgaben für | Euro |
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Fahrt Berlin – Verona: 1.013 km : 6 l/100 km = 169 l x € 1,42 | 240,00 |
Autobahnmaut Österreich: (Zweimonatsvignette) | 13,40 |
Autobahnmaut Italien | 15,80 |
3 Hotelübernachtungen à € 80,00 | 240,00 |
Summe | 509,00 |
Nicht eingerechnet sind die (Mehr-)Verpflegungskosten, die bei Selbstfahrt noch hinzuzurechnen wären.
Fazit:
Die Anreise Hamburg – Verona mit dem Autoreisezug kostet ungefähr doppelt soviel wie die Selbstanreise, wobei die Kosten der Anreise zum Heimat- zum Verladeort unterschiedlich ausfallen.
Kostenvergleich Selbstfahrt / Fähre
Fähre:
Kabine für 2 Personen + Motorrad: € 170
Fiktive Reisekostenberechnung Selbstfahrt:
Ausgaben für | Euro |
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Fahrt Verona – Palermo: 1.395 km : 6 l/100 km = 233 l x € 1,57 | 365,00 |
Autobahngebühr | 64,30 |
4 Übernachtungen à € 80 | 320,00 |
Summe | 750,00 |
Fazit:
Beim Fährtransfer kehrt sich der Kostenvergleich drastisch gegenüber der Selbstfahrt um. Die Fähre ist wesentlich billiger und man spart 4 Tage Zeit.
Würde ich das wieder machen?
Auf meiner Motorradtour mit Autoreisezug und Fähre haben wir insgesamt gute Erfahrungen gemacht und würden eine Motorradtour mit weit entferntem Zielgebiet wieder so planen. Für eine kürzere Tour (z. B. in die Alpen oder nach Kroatien) würde ich jedoch die Anreise durch Deutschland in Form einer eigenen Tour gestalten, vielleicht durch den Bayerischen Wald oder entlang einer der deutschen Ferienstraßen. Aber nicht zu vergessen: Man spart Zeit (und bei Frühbuchung auch Geld) und insbesondere die Fähre hat ihren eigenen Erlebniswert.
Zweiter Teil dieser Tour:
Dritter Teil dieser Tour:
Aktualisiert am 12/12/2019 von Christian
bluecher2101
30. Juli 2019 at 20:38
Eine wirklich klasse Seite. Respekt und weiter so!
Helmut Schlichtherle
30. August 2019 at 22:36
Lieber Hr. Seebode,
ich erlaube mir, Ihre Berechnung des Treibstoffverbrauchs zu korrigieren:
Die Wegstrecke durch den Verbrauch je 100 km zu dividieren ist nicht korrekt. 50 l auf 300 km schluckt die FJR selbst auf der Autobahn zu zweit mit Gepäck nicht …
Die Brennermaut wäre ggf. bei diesem Vergleich auch noch zu berücksichtigen.
Ansonsten wider ein toller Reisebericht!
BG
H.S.
christianseebode
30. August 2019 at 21:40
Lieber Herr Schlichtherle, herzlichen Dank für die Korrektur. Ich werde sie gerne einarbeiten. Viel Spaß noch bei der Reisevorbereitung und viele Grüße, C. S.
Simon Thalmann
3. Januar 2021 at 13:34
Besten Dank für diesen ausgezeichneten Bericht über Ihre Süditalientour. Sie motivieren uns ebenfalls, darüber nachzudenken, trotz Corona-Krise.
Christian
3. Januar 2021 at 17:43
Schön, daß ich dazu beitragen konnte, Ihre Tourenpläne in dieser grauen Zeit zu beflügeln. Hoffen wir auf einen reisefreien Frühling. Viel Spaß und gute Fahrt!