Eine Motorradtour im Land Ruppin folgt den Wanderungen Theodor Fontanes durch Wälder und Alleen zu Schlössern und Seen zwischen Uckermark und Havelland.
Geschätzte Lesedauer: 8 Minuten
Das Land der Schlösser und Seen
Jede Motorradtour im Land Ruppin auf den Spuren von Theodor Fontanes durch die Mark Brandenburg beschert mir stets auf neue Überraschungen und Entdeckungen. Dort, wo sich Schlösser und Seen wie an einer Perlenkette aneinander reihen, fahre ich immer wieder gerne herum. Entweder alleine, oder mit meiner Frau als Sozia. Oder manchmal mit meinem Sohn als Kaczmarek.
Dazu eignet sich eine solche Schlösser- und Seentour hervorragend, um auswärtigen (Motorrad-)Freunden ein wunderbares Stück unseres Landes näherzubringen.
Doch muß man nicht unbedingt alle hier beschriebenen Wegepunkte auf einmal anfahren. Eine individuelle Auswahl reicht durchaus. Aber lohnend und keineswegs langweilig ist es dennoch, die Motorradtour im Land Ruppin im Laufe der Jahreszeiten zu wiederholen. Dann kann man sich ganz nach Gusto das eine oder andere näher anzusehen.
Streckenbeschreibung
Die Route der Motorradtour im Land Ruppin beschreibt eine 8 mit dicker Taille: zwischen Oranienburg im Süden und Rheinsberg im Norden, zwischen Neuruppin im Westen und dem Löwenberger Land im Osten. Die Straßen dort sind durchweg gut zu fahren, auch wenn sie in einsameren Gegenden streckenweise etwas rumpelig sind.
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest Du hier.
Schloß Oranienburg – Löwenberg – Vielitzsee – Lindow (Mark) – Schloß Meseberg – Luisendenkmal Gransee – Großwoltersdorf – Schloß Köpernitz – Schloß Rheinsberg – Zechow – Schloß Binenwalde – Boltenmühle – Stendenitz – Zermützel – Schinkelkirche Krangen – Schloß Karwe – Schloß Wustrau – Schloß Radensleben – Herzberg (Mark) Sommerfeld – Schloß Schwante – Schinkelkirche Germendorf – Schloß Oranienburg. 240 km
Von Oranienburg nach Lindow (Mark)
Das blendend weiß restaurierte Schloss Oranienburg ist mit seinem weiten Vorplatz und dem benachbarten Schlossrestaurant am Havelufer ist ein idealer Ausgangs- und Sammelpunkt für unsere Motorradtour im Land Ruppin. Von hier aus führt unsere Strecke zunächst auf die B 96, die „Route 66 der DDR“.
Obwohl es noch etwas früh für einen Imbiß ist, verdient der Räucherfischstand in Teschendorf lobende Erwähnung. In „Andy’s Räucherkate“ (nur echt mit dem Sächsischen Genitiv) sind die Fischbrötchen allererste Klasse.
Von hier aus geht es schnurstracks weiter nach Löwenberg, wo wir an der (sinnigerweise am Karl-Marx-Platz gelegenen) Feldsteinkirche links Richtung Herzberg abbiegen. Auf halbem Weg dorthin, in Grieben, führt ein Sträßchen (Vorsicht, märkische Holperstrecke!) an den Vielitzsee, den wir an seiner naturbelassenen Ostseite umrunden. Der Blick über den See nach Lindow (Mark) ist idyllisch.
Schloss Meseberg

Schloß Meseberg, das Gästehaus der Bundesregierung
Am Ortsausgang von Lindow biegen wir rechts ab Richtung Gransee. Auf einer kilometerlangen Allee erreichen wir Meseberg. Hier machen wir an einem Parkplatz Halt, bevor die Straße in einer lang gezogenen Rechtskurve in den Ort hineinführt.
Vom Picknick- und Badeplatz am Huwenowsee aus hat man einen herrlichen Blick auf die Gartenfront des Schlosses Meseberg. Wie so viele Herrensitze in Brandenburg blickt auch dieser auf eine bewegte Geschichte zurück. Um es erwerben zu können, verkaufte Prinz Heinrich, der Bruder des Alten Fritz‘, 29 Gemälde aus seiner Sammlung an Zarin Katharina d. Gr. Zu besichtigen sind sie seither in der Eremitage in St. Petersburg.
Nach Kriegsende versetzten jedoch Enteignung und Verfall das Schloß in einen jammervollen Zustand. Dann wurde es von der Messerschmitt-Stiftung erworben und mit großem Aufwand denkmalgerecht restauriert. Seitdem dient es als Gästehaus der Bundesregierung. Sozusagen unser Chequers, Camp David oder Rambouillet. Nur eben preußisch schlicht.
Gransee: Denkmal für Königin Luise

„Prinzessinnengruppe“ der Schwestern Luise und Friederike von Johann Gottfried Schadow (1764 – 1850) │ © FA2010 • Kunstgewerbemuseum Berlin
Nach ein paar Kilometern erreichen wir das mittelalterliche Städtchen Gransee. Von Süden her biegen wir in die Altstadt ein. Uriges Feldsteinpflaster führt uns zum großen, rechteckigen Marktplatz, in dessen Mitte das Königin-Luise-Denkmal thront.
Nach ihrem Tode im Juli 1810 wurde die überaus populäre Königin Luise von Preußen von Schloß Hohenzieritz nach Berlin überführt. Auf dem Weg dorthin bahrte man die Verstorbene auf dem Marktplatz von Gransee über Nacht auf – unter trauernder Teilnahme der Bevölkerung.
Die aufsteigende Mittagssonne läßt die goldene Krone im Ring der hübsch restaurierten Ackerbürgerhäuser erglänzen. Groß muß die Trauer um die „Königin der Herzen“ gewesen sein: „Ein Jammer sie ist hin“, beklagt die Inschrift auf dem gußeisernen Sarkophag. An ihm sollte man nicht achtlos vorbeifahren.
Durch den historischen Ortskern hoppern wir weiter zur mächtigen St. Marien-Kirche, einem beeindruckenden Monument der frühen Backsteingotik. Im Sommer finden hier, wie ein attraktives Programm bezeugt, Kirchenkonzerte statt.
Rückkehr nach Gransee ist vorgemerkt, vielleicht auch wegen des benachbarten Geschäfts für „Wild und Geflügel“, das sicher unseren Tisch bereichern wird.
Schloss Köpernitz
Von Gransee aus schlagen wir über die L 222 einen weiten nordwestlichen Bogen Richtung Rheinsberg. Kilometerlange Alleen saugen den Motorradfahrer gleichsam auf und spenden kühlenden Schatten. Die Straßenbankette sind gesäumt vom Blau der Kornblumen, der Lieblingsblume von Luise, der „Königin der Herzen“.
In Köpernitz liegt, etwas ab von der Bundesstraße, das ehemalige Gutshaus. Ein schlichter spätbarocker Bau mit achtfenstrigem Erdgeschoss und beidseitig dreieckigem Mansardengiebel.
Rote Dächer, die verschwiegen
Still an Wald und Wiese liegen
— Theodor Fontane, Köpernitz
Die charaktervollste Besitzerin des Anwesens war wohl Karoline Gräfin La Roche-Aymon. Als glänzende Köchin übersandte sie König Friedrich Wilhelm IV. regelmäßig selbstgemachte Trüffel- und Zervelatwürste. Der König revanchierte sich zu Weihnachten mit einem Collier aus goldenen Würstchen, verziert mit dem Motto „Wurst wider Wurst“. Nachdem ihre Lieblingskatze sie in die Lippe gebissen hatte, starb die alte Dame 1859 mit 89 Jahren friedlich auf ihrem Sofa.
Wer gerne Pause einlegen möchte – der öffentlich zugängliche Park lädt dazu ein.
Schloss Rheinsberg
Nur wenige Kilometer nördlich liegt das viel beschriebene Schloss Rheinsberg. Vor allem Kurt Tucholskys gleichnamige Novelle machte es zum Synonym für ein Idyll am See.
Dort angekommen, genießen wir von einer Parkbank am Südende des Grienericksees aus den spektakulären Panoramablick auf das Schloß. Hier verbrachte der junge Friedrich einen prägenden Teil seiner Kronprinzenzeit. Man sieht ihn förmlich beim Flötenspiel in der Bel Étage des linken Flügels mit dem Blick über den See. Das war eine Zeit, in der er noch Notenblätter beschrieb anstatt Aufmarschpläne für seine Armeen.
Schloss Binenwalde
Von Rheinsberg geht es wieder auf der alten Strecke ein Stück zurück und dem Wegweiser Richtung Braunsberg nach. Was nun folgt, erinnert mich an die Fernsehserie „Wege übers Land“ (von Christian Diederich Hahn), die ich als Bub im Schwarz-Weiß-Fernsehen der frühen 50er Jahre als Belohnung fürs Bravsein anschauen durfte: Weiter Blick über Wiesen und Felder, Alleen, holperige kleine Straßen.
Vor dem Schloß Binenwalde treffe ich den Besitzer, der sich mir als fränkischer Landsmann vorstellt. Mit großem Einsatz richtet er das Gebäude wieder her. Einfach ist das nicht, aber der Mühe wert. Freundlicherweise empfiehlt er mir einen Picknickplatz am malerischen Kalksee, den er von seinem Schloß aus überblicken kann.
Zum Abschluß unseres überaus netten Gespräches empfiehlt er mit noch einen kurzen Gang zum gegenüber liegenden Denkmal für die Försterstochter Sabine, zu der Kronprinz Friedrich (von Rheinsberg aus) in Liebe entflammt gewesen sei. Die Maid wurde dann auch zur Namensgeberin für den Ort – Binenwalde.
Boltenmühle
Im Nachbarort Gühlen-Glienicke biegen wir südwärts auf die L 16 Richtung Neuruppin ein. Nach wenigen Kilometern verlassen wir aber die Landstraße wieder links waldeinwärts Richtung Boltenmühle. Die nächsten 4 km windet sich ein ruppeliges Sträßchen durch den Wald. Man befährt es am besten im Frühjahr, wenn man durch das zartgrüne Blattwerk noch den Tornowsee schimmern sehen kann.
Dann belohnt die holperige Fahrt mit der Ankunft in der Boltenmühle. Ein idyllisches Plätzchen zum Kaffeetrinken und für allfällige Verköstigung.
Schinkelsche Normalkirche in Krangen
Die Weiterfahrt erspart uns weder den holperigen Rückweg noch den sandigen Waldweg nach Stendenitz. Auf der Brücke sollte man kurz Halt machen. Links der Zermützelsee, rechts der Tetzensee. Frische Fische inklusive.
In der Ortsmitte von Krangen, dem nächsten Ort, lohnt ein Stop an der Kirche – eine sog. Normalkirche, wie wir schon mehrere in der Umgebung gesehen haben, z. B. in Perwenitz bei Oberkrämer, in Lütte bei Bad Belzig oder in Tarmow bei Fehrbellin.
Im 19. Jh. wurden von Schinkel und seinen Schülern die „Preußischen Normalkirchen“ entwickelt – grundsätzliche Baukonzepte für einen kostengünstigen Kirchenbau. Damit wurde die Normalkirche zum Musterentwurf für ländliche Kirchbauten in den Preußischen Provinzen, dessen einheitliche Anwendung eine zügigere Bearbeitung der Baupläne ermöglichte. Für die in aller Regel ärmeren Gemeinden verringerten sich dadurch Kosten.
Für die Normalkirche gab es mehrere Musterentwürfe – mit und ohne Turm. Architektonisch handelt es sich dabei um einen klassizistischen Rundbogenbau mit Rundbogenfenstern an den Längsseiten. Der Innenraum ist mit Pfeilern unterteilt, hat an den Längsseiten Emporen und ist mit einer Holztonne überwölbt. Je nach Finanzlage der Gemeinde konnte auf die fertigen Musterentwürfe zugegriffen werden, die ohne größeren Aufwand an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden konnten.
Schloss Karwe
Wenige Kilometer später erreichen wir Karwe am Ruppiner See. Das Schloß des preußischen Feldmarschalls von dem Knesebeck suchen wir jedoch vergebens: Nach dem Kriege wurde es enteignet, zu DDR-Zeiten verstaatlicht, dann verfiel es irreparabel und wurde 1970 abgerissen.
Vergebens suchen wir auch die 21 Edeltannen, die der greise Feldmarschall hatte pflanzen lassen, als er im Sommer 1821 erfuhr, daß Napoleon am 5. Mai auf St. Helena gestorben sei.
So begeben wir uns ein Stück weiter zum kommunalen Badestrand und fühlen uns wie in einer Sommerfrische vor 150 Jahren. Dann entledigen wir uns unserer Motorradklamotten und nehmen ein ausgiebiges erfrischendes Bad im blitzsauberen Ruppiner See. Anschließend werden auf der Liegewiese Schinkensemmeln und Getränke ausgepackt. Selig dösen wir in der Mittagssonne. Ein ländliches Idyll.
Schloss Wustrau
In Sichtweite und nur ein paar beherzte Gasstöße mit dem Motorrad entfernt liegt in Wustrau am anderen Seeufer das Schloß des legendären Husarengenerals Hans-Joachim von Zieten. Nach Restaurierung beherbergt es jetzt die Richterakademie. Es kann auf Anfrage besichtigt werden.
Sicherlich entspricht es der tiefen Religiosität des Generals, daß auch seine Patronatskirche in Wustrau wunderbar restauriert wurde. Ein Kleinod unter den märkischen Dorfkirchen. Daneben sein Grab und das seiner Frau:
Hier liegen wir zwei beide
Bis zum Appell im Grab
— Theodor Fontane, Wustrau
Schloss und Friedhof Radensleben
Auf dem Weg nach Herzberg erreichen wir Radensleben – in the middle of nowhere – den früheren Sitz der Familie v. Quast. Es muß eine sehr kunstsinnige Familie gewesen sein: Fontane listet eine üppige Kunstsammlung im Herrensitz auf, die von Fra Filippo Lippi bis Dürer gereicht habe. So verwundert auch nicht, daß die Familie einen veritablen toskanischen Campo Santo an die märkische Feldsteinkirche gesetzt hat. In ländlicher Einsamkeit erfreuen wir uns bei einem kleinen Rundgang an dieser hübschen Überraschung.
Die Strecke nach Herzberg ist berüchtigt durch ihre Radarfallen. Deshalb stelle ich vorsichtshalber den Tempomat auf die vorgeschriebene Geschwindigkeit ein und spare mir überflüssige Punkte in Flensburg.
Dann außerorts ein kurzer Lenkimpuls und schon sind wir wieder mitten im Wald. Vorsicht ins angesagt wegen des regen – und von vielen unterschätzten – Wildwechsels. Im letzten Spätherbst kam mir dort ein Damwildrudel mit über 35 Stück hochflüchtig über die Straße.
Ihre Liebe zu den Alleen müssen die alten Preußen sehr genau genommen haben: Ich kenne kein Land, in dem man knallhart eine Eichenallee kilometerlang durch einen Kiefenwald gepflanzt hätte. Sei’s drum, es sieht schön aus und fährt sich noch viel schöner durch die Einsamkeit, die hier auch Ortsnamen hat:
Die Landstraße entlang des Ruppiner Kanals überrascht mit einer Sequenz von fünf (!) 90-Grad-Kurven (wahrscheinlich der einzigen in ganz Brandenburg), die wir dank verkehrsfreier Strecke genußvoll durchziehen können.
Schloss Schwante
Auf dem Weg nach Oranienburg kommen wir durch Schwante. Abseits des Ortskerns durchqueren wir einen weitläufigen Park und stoßen auf ein stattliches, dreiflügeliges Herrenhaus. Die gängige Bezeichnung „Schloß“ ist zwar protokollarisch nicht korrekt, aber von der Größenordnung her durchaus zutreffend.
In der bunten Reihe seiner Eigentümer findet sich auch ein ehemaliger Protokollchef des Auswärtigen Amts. Heute wird das Anwesen für Theateraufführungen genutzt, ein Restaurant ist angegliedert. Wenigstens etwas.
Zurück nach Oranienburg
Auf dem Weg zurück nach Oranienburg kommen wir durch Germendorf. Linker Hand grüßt uns in der Ortsmitte eine altbekannte Konstruktion: eine Schinkelsche Normalkirche.
Auf den letzten Kilometern unserer Motorradtour durch das Land Ruppin ist nur noch die B 96 zu überqueren – und nach 240 erlebnisreichen Kilometern stehen wir im sanften Abendlicht wieder vor dem blendend weißen Oranienburger Schloß.
Aktualisiert am 23/05/2022 von Christian