Eine Motorradtour in den Hohen Fläming beschert Fahrspaß und landschaftliche Reize. Geschichte, Kunst und Kultur gibt’s gratis dazu. Was können wir auf einem Tagesausflug erleben?
Geschätzte Lesedauer: 6 Minuten
Motorradtour in den Hohen Fläming
Warum nicht mal dorthin fahren, wo sonst keiner hinfährt? Wo man mit dem Motorrad die Straßen noch für sich alleine gepachtet hat? Die waldige Höhenlandschaft südlich des Havel-U-Bogens ist ein Geheimtipp für alle, die einfach nur mal raus wollen. Wo geht’s lang?
Von Berlin zur Havel
Die Motorradtour in den Südwesten des Berliner Umlandes umschließt drei Landschaftsszenarien von jeweils ganz eigenem Reiz: die Döberitzer Heide, die Potsdamer Fluß- und Seenlandschaft und den Hohen Fläming. Dazu verlassen wir Berlin westwärts Richtung Wustermark und biegen dort links ab auf die L 86 nach Ketzin (Havel). Zunächst überquert die Strecke ein flaches, von einem ausgedehnten Windpark dominiertes Höhenland. Dann fällt sie ab in die breite Flußniederung, bis wir südlich von Ketzin die malerisch dahinziehende Havel erreichen .
Von der Havel zum Hohen Fläming
Die eiserne Kettenfähre bringt uns ans südliche Flußufer. Von dort folgen wir südwärts der L 86 und erreichen, über die B 1 bei Groß Kreutz hinweg, in einer knappen halben Stunde Kloster Lehnin. Auf der B 102 geht es dann weiter nach Bad Belzig.
Mit einer sehenswerten, liebevoll restaurierten Altstadt und der Burg Eisenhardt ist dies ist die erste größere Zwischenstation auf unserer Motorradtour in den Hohen Fläming. Von dort aus schlagen wir einen großen Bogen nach Osten: K 6930 nach Lühnsdorf, K 6932 nach Raben, L 84 nach Neuendorf und L 83 nach Niemegk.
Rückweg nach Berlin
In Niemegk kehren wir auf die B 102 zurück, durchfahren dichten Wald bis Treuenbrietzen und biegen auf die B 2 nach Norden ab. Wegen der benachbarten Autobahn ist sie nur schwach befahren und vermittelt als schier endlose Allee ein herrliches Fahrgefühl. Nach 20 km erreichen wir die Spargelstadt Beelitz. Von der Kreuzung B 2 / A 10 aus kehren wir auf der A 115 nach Berlin zurück, wo uns am Großen Stern der goldene Friedensengel in der tiefstehenden Abendsonne begrüßt.
Streckenverlauf
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest Du hier.
Zeitbedarf:
Streckenlänge 245 km. Reine Fahrzeit 4 ½ Stunden plus Zeit für Pausen und Besichtigungen
Beste Reisezeit:
Ganzjährig. Am besten aber im Mai/Juni, wenn Raps und Bäume blühen und es Beelitzer Spargel frisch vom Feld gibt.
Die Strecke erleben
Am schnellsten entkommt man Berlin mit seinem hauptstädtischen Gewusel auf der B 5, die hinter der Stadtgrenze bei Staaken autobahnähnlich ausgebaut ist. Damit stellt sich schon sehr bald das rechte Fahrgefühl für die Tagesstrecke ein. Der Neugier halber, und weil wir so oft schon daran vorbeigefahren sind, biegen wir gegenüber von „Karls Erlebnisdorf“ rechts nach Dallgow-Döberitz ab. Von hier aus gelangen wir um eine Ecke zum Olympischen Dorf von 1936. Da eine Besichtigung jedoch vorherige Planung und Anmeldung erfordert, geben wir uns mit einem Blick über den Zaun auf das historische Gelände zufrieden.
Havelland für Genießer
Der schönste und kürzeste Streckenabschnitt ist wohl die Fährüberfahrt über die romantische Havel. Nicht allein, weil uns die Zeitmaschine gefühlt ein Jahrhundert zurückversetzt. Auch wegen des Restaurants „An der Fähre“, dessen Besuch nur wärmstens empfohlen werken kann. Von der herrlichen Aussichtsterrasse genossen wir schon manches Mal den Blick über Fluß und Auen mit allem, was da fleucht, kreucht und schwimmt.
Kloster und Kirchen im Fläming
Die L 86 animiert in ihrem weiteren Verlauf dazu, die Pferdchen munter traben zu lassen. Durch eine blühende Obstanbaulandschaft und ausgedehnte Wälder führt sie uns zum malerischen Kloster Lehnin. Dieses Baudenkmal ist einen Rundgang wert. Inmitten des zugehörigen idyllischen Kräutergartens (mit Pflanzenverkauf) lädt ein kleines Café zu einer kurzen Pause ein.
Die weitere Route unserer Motorradtour in den Hohen Fläming führt ganz entspannt durch tiefe Wälder nach Golzow. Als Fotomotiv wartet in der Ortsmitte die oktogonale barocke Kirche aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Den nächsten kurzen Stop legen wir in der benachbarten Ortschaft Lütte ein. Links in der Dorfmitte findet sich eine Schinkelsche Normalkirche. Ein Standard-Kirchenbau, wie ihn die auf Sparsamkeit bedachte preußische Obrigkeit in zahlreichen Ortschaften des Königreiches errichten ließ.
Burg Eisenhardt in Bad Belzig
Das trauliche Städtchen Bad Belzig lassen leider allzu viele bei ihrer Vorbeifahrt auf der Autobahn unbeachtet. Umso lieber nehmen wir uns Zeit für eine kleine Runde durch die liebevoll restaurierte Altstadt und einen Besuch der Marienkirche mit ihrer Orgelsammlung. Auf dem Weg zur Burg Eisenhardt passieren wir in der Wittenberger Straße eine restaurierte kursächsische Postmeilensäule (1725) mit den Initialen Augusts des Starken.
Von der Burg genießen wir den herrlichen Blick über Stadt und Umgebung. In der Chocolateria Burg Eisenhardt können wir einem Eis in der Frühjahrssonne nicht widerstehen.
Vor der Burg wartet die frisch restaurierte St.-Briccius-Kirche aus dem 12. Jahrhundert auf unseren Besuch. Im Kircheninneren allüberall üppig bemalte Holzpaneele. In Bayern würde man sagen: Bauernmalerei.
Auf der Empore hat ein Orgelbauer der renommierten Firma Alexander Schuke aus Werder bei Potsdam das Instrument auseinandergebaut. Jetzt fügt er mit fachmännischer Erfahrung und viel Sorgfalt die überholten Einzelteile wieder zusammen. Dann kann die bescheidene Orgel bald wieder erklingen. Übrigens ist uns die Firma Schuke schon auf einer früheren Tour begegnet: Ihre Orgeln haben wir bereits im wieder aufgebauten Dom von Königsberg gesehen und gehört.
Der höchste Berg Brandenburgs
Von Bad Belzig fahren wir westwärts weiter nach Hagelberg und „erklimmen“ das gleichnamige Massiv (201 m), den höchsten Berg Brandenburgs. Von einer Holzbank am Kriegerdenkmal für die Schlacht bei Hagelberg (27. August 1813) öffnet sich der Ausblick über das weite Land.
Geographischer Mittelpunkt der DDR
Auf holperigen Sträßchen pirschen wir nordwärts durch dichte Wälder. Hinter dem malerischen Örtchen Verlorenwasser, im Weitzgrund, hat die TU Dresden im Jahre 1974 den geographischen Mittelpunkt der DDR verortet (Koordinaten: 52° 12′ N, 12° 31′ O). In den Boden einer Schutzhütte ist der geodätische Meßpunkt eingelassen. DDR in the middle of nowhere.
Schloß Wiesenburg
Durch die Wälder zurück und dann weiter westwärts führt unsere Motorradtour in den Hohen Fläming nach Wiesenburg. Dort entdecken wir einen für diese Gegend erstaunlich massiven Schloßbau aus der Spätrenaissance. Erfreulicherweise hat dieses denkmalgeschützten Gebäude eine private Umnutzung gefunden: Die früheren Repräsentationsräume wurden in private Wohnungen und Ateliers umgestaltet. Nicht die schlechteste Unterkunft für ein idyllisches Leben auf dem Lande.
Burg Rabenstein
Unser weiterer Weg führt zum nächsten bedeutsamen Repräsentationsbau im Hohen Fläming: Von Raben aus holpern wir eine unbefestigte Waldstraße zur mittelalterlichen Burg Rabenstein hoch. Dort erwartet uns neben einem sehenswerten Gemäuer auch eine Gastwirtschaft mit Biergarten, der uns an diesem sonnigen Tag willkommenen Schatten spendet. Auf dem Rückweg zum Parkplatz kommen wir an der Falknerei vorbei, die auch Flugvorführungen zeigt. Nebenher werfen wir noch einen Blick auf ein seltenes Naturdenkmal, die 450 Jahre alte Geschwisterlinde.
Der Ritt nach Niemegk verläuft ländlich-sittlich-locker. Am ehemaligen Wittenberger Tor grüßt uns eine Kursächsische Postdistanzsäule von 1725. Bei dieser Gelegenheit machen wir noch einen Schlenker zur Großstraße 69 neben dem Rathaus, wo der berühmte Arzt Robert Koch in den Jahren 1868/1869 eine Praxis betrieb. Allerdings gab er sie, wie auch sein Vorgänger, wegen fehlender Patienten bald wieder auf.
Nächster Halt ist die Spargelstadt Beelitz. Frisch vom Feld erwerben wir ein Bündel der weißen Stangen und magazinieren sie im Tankrucksack.
Telefonzellenlager: Rufen im Walde
Ein Kuriosum wollen wir auf unserer Motorradtour in den Hohen Fläming keinesfalls auslassen: Den größten Telefonzellenparkplatz Europas bei Michendorf. Stadteinwärts fahren wir zum Bahnhof, folgen der Bahnstraße und biegen dann rechts ab in die Flottsteller Straße, die in den ortsüblichen Fichtenwald hineinführt. Dort residiert unter Hausnummer 43 die Außenstelle Potsdam des Fernmeldezeugamts Berlin, auf deren Gelände dicht an dicht an die 3.000 gelbe und magentafarbene Telefonzellen gelagert sind. Das Zeitalter des Mobilfunks läßt vielmals (über den Zaun) grüßen.
Da wir uns für die einzelnen Stationen reichlich Zeit gelassen haben und noch ein schöner Abend auf uns wartet, düsen wir über die A 115 nach Berlin zurück. Wer aber mehr Zeit hat, sollte die schönere Variante wählen: am Schwielowsee entlang nach Potsdam und dann über die Bundesstraße 2, wie schon beschrieben.
Nachdem wir unser braves Eisenroß in seinen Berliner Stall zurückgebracht und unsere Ausrüstung wieder verräumt haben, ist es Zeit zum Spargelschälen. Der Dritte im Bunde ist eine gute Flasche fränkischer Silvaner, mit dem wir die Erlebnisse dieses herrlichen Tourentages noch einmal Revue passieren lassen.
Aktualisiert am 13/05/2022 von Christian
Wolf
22. März 2022 at 16:16
Die Route sieht sehr interessant aus, und ist auch schön beschrieben, leider ist der Streckenverlauf dann nur bei einem „ominösen“ App-Anbieter, der eine Registrierung verlangt, beor man sich die Route anschauen kann.
Hier wäre es besser/schöner ein GPX-Track zu hinterlegen, den man dann auch z.B. bei Openstreetmap verwenden kann…
Ich werde mal versuchen mir anhand der Beschreibung selbst die Routenpunkte „zusammen zu fummeln“. 😉
Gruß, und gute Fahrt!
Wolf
Christian
22. März 2022 at 19:02
Lieber Wolf,
herzlichen Dank für Deinen hilfreichen Hinweis, den ich gerne aufnehme. Wie ich erst jetzt feststelle, hat der Kartenanbieter ein update durchgeführt, das nunmehr eine Registrierung der Nutzer erfordert. Das geht natürlich gar nicht! Ich werde das jetzt Zug um Zug umstellen. Damit Du nicht erst lange rumbasteln mußt, schicke ich Dir schon mal jetzt die zugehörige .itn-Datei zur Tour durch den Hohen Fläming. Sollte es dabei Probleme geben, melde Dich bitte.
Viele Grüße und gute Fahrt
Christian
Christian
13. Mai 2022 at 20:32
Ist inzwischen erledigt!