Eine Motorradtour durch den Französischen Jura erschließt den Reiz einer kargen Landschaft mit Kurven und Schluchten abseits der verkehrsreichen Routen.
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Classic Jurassic
Auch herbe Schönheiten haben ihre Reize. Wenn wir dabei von Kurven und frechen Schräglagen sprechen, meinen wir selbstverständlich faszinierende Motorradstrecken. Solche zum Beispiel, wie sie der Mittlere Osten Frankreichs zu bieten hat. Daß das karge Faltengebirge zwischen Rhône und Genfer See zu den eher vernachlässigten Motorradrevieren gehört, ist wahrscheinlich seiner Lage abseits der großen Nord-Süd-Routen geschuldet. Warum ist gerade deshalb eine Motorradtour durch den französischen Jura attraktiv?
Der Jura – das unterschätzte Motorradrevier
Wer jemals Täler und Hügel der Fränkischen Schweiz unter die Räder genommen hat, kennt das Bild einer typischen Juralandschaft: Kurvensträßchen entlang plätschernder Flüsse, grüne Auen, aufsteigende Straßen an Steilufern, Panoramen über eine reich gegliederte Mittelgebirgslandschaft. Wälder, Wiesen, pittoreske Dörfer.
Ähnlich, nur viel weiträumiger, sieht es im Jura aus, der zu 70 % zu Frankreich gehört. Wie ein massiver Riegel erstreckt er sich 300 km in NO-SW-Richtung zwischen den Schweizer Westalpen und Saônetal. Vor allem in seinem südlichen Teil, wo die Hänge stark abfallen, besitzt er alle Attribute eines hinreißenden Motorradreviers.
4 Varianten einer Motorradtour durch den Jura
Für ein unvergeßliches Strecken- und Kurvenerlebnis im französischen und schweizerischen Jura gibt es bei Anfahrt und Gestaltung der Motorradtour vier Varianten:
- Der Klassiker: Vom Dreiländereck aus über Montbéliard durch das Tal des Doubs und über Champagnole in das Rhônetal. Gut geeignet für Touren aus Deutschland nach Südfrankreich.
- Die Kultstrecke: Schweizerischer Jura westlich des Bieler und Neuenburger Sees mit köstlichem Wein, teuren Uhren und üppiger Gastronomie. Typischer Rundstreckengenuß.
- Die urige Strecke durch die Gorges de l’Ain.
- Meine Geheimstrecke aus dem Rhônetal bis kurz vor Genf zum Residenzschlößchen des Philosophen Voltaire. Gut für die Anfahrt aus Süddeutschland, Österreich und der Schweiz in Richtung Süden. Diese Motorradtour durch den französischen Jura beschreibe ich im Folgenden.
Streckenführung und Roadbook
Roadbook der Motorradtour durch den französischen Jura | |
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Start | Lyon |
A 42 | Ambérieu-en-Bugey |
D 1504 | Tenay |
D 21 | Hauteville-Lompnes |
D 21 | Champdor |
D 57A / D 51 / D 55 | Saint-Germain-de-Joux |
D 33 | Saint-Claude |
D 436 | Mijoux |
D 1005 | Ferney-Voltaire |
Gesamtstrecke | 205 km |
Wenn Dir die Tour gefällt, fahre sie doch mal nach unter https://kurv.gr/S9Tqz
Toureneindrücke
Die rechnerischen 140 km von der Rhône zum Genfer See lassen sich auf der Autobahn locker in 1 ½ Stunden bewältigen. Theoretisch. Aber wer will sich auf der belebten Strecke mit dem Motorrad die Reifen eckig fahren, wenn es viel attraktivere Routenoptionen gibt? Ein richtiges Fahrerlebnis sieht doch ganz anders aus!
Ganz ohne Autobahn geht es dennoch nicht: Deshalb schlage ich mich in aller Herrgottsfrühe auf die A 42 bis Ambérieu-en-Bugey. Das ist genau die Ausfallstraße, auf der man auch die malerischen Gorges de l’Ain erreicht. Hier läßt sich „Strecke machen“ und dadurch Zeit für die anschließende Kurventour sparen.
Dem schmalen Tal der Albarine folge ich der D 1504 bis Tenay. Dort biege ich links in die Berge ab. Von hier an wird es richtig knackig. Die D 21 führt eine kurvenintensive Schlucht hinauf. Auf halber Strecke bis Hauteville-Lompnes laden die Wasserfälle bei Charabotte zu einer kurzen Pause ein. Wem die Kurven auf der bisherigen Strecke immer noch nicht reichen, der findet sich auf dem folgenden Streckenabschnnitt bis Saint-Germain-de-Joux bestens bedient.
Echtes Herzflimmern stellt sich jetzt aber beim der Wechsel auf die D 33 ein. Diese führt abermals durch kurvige Schluchten auf die Höhen des Jura hinauf. Im gleichnamigen Nachbardépartement geht es dann weiter auf der D 124 bis Saint-Claude. Danach windet sich die D 436 / D 1005 durch den herrlichen Naturpark Hoher Jura hinunter zu meinem Zielort Ferney-Voltaire.
Philosophenresidenz von Voltaire
Bonté de l’exil. – Voltaire est plus Voltaire à Ferney qu’à Paris.
Die Güte des Exils. – Voltaire ist mehr Voltaire in Ferney als in Paris.
— Victor Hugo
Bevor ich mich vom Jura gemütlich Richtung Genf hinabrollen lasse, genieße ich noch die weiten Kehren des Col de la Faucille (1.320 m). Von hier aus öffnen sich mir wechselnde Ausblicke auf den langgestreckten Genfer See. Doch ehe ich mich versehe, bin ich am Schloß Ferney angelangt. Auf dem Kiesweg am Eingang zum Park schiebe ich meine Maschine auf den Ständer.
Nicht schlecht, was der alte Herr Voltaire sich da an Residenz zugelegt hatte: Ein proper dimensionierter Landsitz mit Park. Ländereien ringsum, die den Unterhalt dieser reizvollen Immobilie sicherstellten. Außerhalb, aber doch in sicherer Sichtweite vom calvinistischen Genf.
Gespannt, wie es wohl von innen aussehen mag, strecke ich erst einmal mein müdes Kreuz aus und schlurfe den Kiesweg hoch zum Eingangsportal. Dort empfängt mich der überaus freundliche Kustode zu einer Tour durch das Haus. Das Interieur ist schlicht, aber sehr stilvoll. Teilweise sogar mit Mobiliar aus der Zeit bestückt. In der Folge entwickelt sich ein angeregtes Gespräch, das Wind- und Motorengeräusche der vergangenen Stunden vergessen macht.
Dann überläßt mich der Kustode im Salon des Philosophen meinen Eindrücken. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, Helm und Handschuhe auf Voltaires persönlichem Lehnstuhl abzulegen. Soviel Stil muß sein. In diesem Raum schrieb er also seine wichtigsten Werke. Auch seine Briefe an Friedrich den Großen.
Königliche Korrespondenz
Dabei war es mitunter ganz schön starker Tobak, was der Preußenkönig da antwortete:
Ihre Franzosen verlieren allesamt den Verstand, wenn es um den Vorrang ihres Königreiches geht; … Ich meinerseits verschone niemanden, der mich in Wut bringt, ich beiße zurück, so gut ich kann. … Werden Sie endlich Philosoph, das meint: vernünftig.
— Friedrich d. Gr. an Voltaire am 10. Juni 1759
Zwischen Ferney und Sanssouci, dem Schloß des Philosophen auf dem Königsthron in Potsdam, liegen satte 1.100 km. Ein harter Ritt damals von Schloß zu Schloß. Bemerkenswert, dieser intensive Austausch über eine so große Entfernung zur damaligen Zeit.
Streckenvariante für den Rückweg
Für den Rückweg – also den Jura wieder nach Süden hinunter – nehme ich zur Abwechslung die D 991: Im Tal der Semine geht es über Pont d’Ain und von dort auf der Autobahn in der eigenen Spur zurück nach Lyon.
Diese beiden Teilstrecken – den Jura hinauf und dann wieder hinunter – sind das fahrerische Herzstück der Tour. Dort ist in aller Regel nur wenig los. Allenfalls ein paar Rennradler aus der Umgebung. Oder ein Bauer auf dem Weg ins Nachbardorf. Trotzdem ist stets Vorsicht geboten bei der Versuchung, auf der letzten Rille zu fahren. Denn die Kurven sind unübersichtlich. Und dahinter lauert schon mal ein unvermuteter Traktor. Dazu immer wieder Schotter, Steinschlag oder Schlaglöcher. Außerdem verhilft eine sorgsam kontrollierte Gashand zu mehr Genuß an der landschaftlichen Schönheit dieser Strecken.
Dabei empfiehlt sich, schon früh in die Pötte zu kommen. Denn eine längere Landstraßen-Kurventour erfordert Kondition, Konzentration und Pausen zwischendurch. Deshalb sollte man sich ausreichend Zeit für die Strecke nehmen.
Heimfahrt über den Jura in das Rhônetal
Nach einem frugalen Imbiß schwinge ich mich wieder auf meine Maschine kurve den Col de la Faucille hoch. Dann biege aber gleich auf die D 991 Richtung Süden ein, auf der man etwas zügiger unterwegs sein kann. Bald erreiche ich die kurvenreiche Cluse des Hôpiteaux, durch die ich ohne größere Verkehrsbelästigung die Autobahn erreiche. An ihr führt leider kein Weg vorbei, wenn man beizeiten am heimischen Garagentor ankommen möchte.
Fazit
Die wenig befahrene Strecke meiner Motorradtour durch den südlichen Französischen Jura bietet alle Ingredienzien eines ungewöhnlichen Fahrerlebnisses: Täler und Bergstrecken, Waldlandschaft und offene Weiden, Bergbäche und Wasserfälle und vor allem naturberlassene Kurvenstrecken abseits des allgemeinen Toureninteresses. Das macht die Tour attraktiv für all jene, die aus Süddeutschland, Österreich oder der Schweiz den sonnigen Süden Frankreichs ansteuern.
Logistische Hinweise für eine Motorradtour durch den Französischen Jura
Landkarten:
Michelin Départements France 321 Doubs, Jura
Michelin Départements France 326 Ain, Haute-Savoie
Touristische Informationen:
https://www.france-voyage.com/frankreich-reisefuhrer/jura-departement.htm
Wein:
Käse:
Aktualisiert am 07/05/2022 von Christian
Lukas Kiermeyr
4. Januar 2022 at 09:34
Danke Christian, wie immer perfekt. Wenn ich gesund bleibe, werde ich dorthin fahren. Dir und Deinen Angehörigen ein unfallfreies und gutes neues Jahr.
Christian
7. Januar 2022 at 12:05
Danke für das Kompliment! Viel Spaß im Jura und eine gute, unfallfreie Zeit Dir und den Deinigen.
Klaus Mairhöfer
14. Februar 2022 at 13:04
Hallo Christian, danke für die Anregungen und Strecken im Jura, von denen wir eine gen Süden nutzen werden. Deine Beschreibungen „leben“ und sind wunderbar zu lesen.
Christian
14. Februar 2022 at 15:51
Lieber Klaus, ich hoffe, diese meine geheime Lieblingsstrecken wird Dir beim Fahren ebenso gut gefallen wie beim Lesen. Danke für Deine Zuschrift und alles Gute für die neue Saison. Viele Grüße, Christian