Motorrad Reiseblog mit Touren, Tipps & Tricks

Nachsommer zwischen Fläming und Elbe

Eine Motorradtour zwischen Fläming und Elbe macht noch mehr Spaß, wenn man sie inhaltlich etwas anreichert. Was erwartet uns in dieser Gegend? 

Geschätzte Lesedauer: 5 Minuten

Nachsommer

Nachsommer – man muß nicht gleich einen der bildstärksten (und zugleich langweiligsten) Romane der deutschen Literaturgeschichte bemühen, um nach überstandenen Hundstagen eine Motorradtour zwischen Fläming und Elbe zu genießen:  jetzt kommt die Zeit des verlängerten Sommers ohne dessen Hitze, mit milden, sonnigen Tagen, aber noch ohne die Kühle der Herbstnacht. Wonnige Tage, in denen es scheint, als würde der Sommer noch einmal kurz zurückkehren.

Weil meine Wetter-Apps unisono einen sonnigen Tag für Mitteldeutschland prophezeit haben, fülle ich meinen Tank letztmalig mit rabattiertem Sprit und mache mich über das – großspurig so genannte – „Hügelland“ des Flämings südwestlich von Berlin auf den Weg an die Elbe. Fahren, schauen, entdecken – ein bewährtes Programm für eine Tagestour.

Durch den Fläming

Nein, ich möchte mich nicht schon wieder über mich selbst ärgern müssen. Also vermeide ich einen voreiligen Druck auf den Anlasserknopf und werfe stattdessen noch einen prüfenden Blick auf Google Maps: siehe da, ein Megastau auf meiner Ausfallstraße, Unfall, 1 Stunde Verzögerung. Zähneknirschend weiche ich deshalb auf den westlichen Berliner Ring aus und auf die ebenso reizlose A 2 Richtung Magdeburg, um bei nächstbester Gelegenheit links weg zu brechen. In den Fläming.

Auch wenn der Sprint auf der Autobahn Spaß gemacht hat – die Fahrt auf einsamer Landstraße durch Alleen und Wälder wirkt irgendwie erlösend. Mit preußischem Ordnungssinn hat man dort die Alleen schnurstracks durch die Wälder gezogen, egal, ob da schon mehr Bäume standen oder nicht. Tut aber trotzdem gut, die frische Spätsommerluft strömt durch das offene Visier in die Nüstern.

ortsschild hundeluft

Die raren Kurven nehme ich ganz bewußt und mit Genuß, den Blick immer wieder in den lichten Wald gerichtet, der den Regen vor vorigen Nacht dankbar aufgenommen hat. Sonnenlicht fällt schräg durch das helle Laub. Die Japaner haben einen besonderen Ausdruck für diese Stimmung, der sich nicht in einem einzigen Wort übersetzen läßt: komorebi  木漏れ日 – Sonnenlicht, das durch die Blätter der Bäume gefiltert wird, bevor es den Boden erreicht. Meiner flotten Japanerin (FJR 1300) wird dieses poetische Konzept wohl vertrauter sein als ihrem europäischen Fahrer.

Training zwischendurch

Hinter der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt fällt meine Wegstrecke dann ab in das flache Elbvorland. Die Silhouetten von Magdeburg und Dessau zeichnen sich am dunstigen Horizont ab. Dazwischen nimmt – unsichtbar – der Fluß seinen Lauf. Weil die Straße so einsam und gerade ist wie das Land weit, ist Unterhaltung angesagt.

ragazzi della curva

In solchen Fällen hat sich mein Trainingsprogramm bewährt, mit dem mich einst Fahrlehrer und Trainer getriezt haben:

Gefahrenbremsungen (auf Zeit oder mit Zielpunkt) auf leerer Landstraße, die das Gefühl für die eigene Maschine präzisieren. Wie verhält sie sich bei knackiger Verzögerung aus verschiedenen Geschwindigkeiten heraus? Schaffe ich den geplanten Anhalteweg aus vorgegebenem Tempo? Wann setzt das ABS ein? Wie reagiert es? Bleibt mein Blick geradeaus? Behalten meine Arme und Hände den Lenker kontrolliert im Griff?

Solche Intermezzi sind unheimlich bereichernd, weil man im Alltagsgebrauch nicht oft dazu kommt, sie einsetzen zu müssen. Wer sich aber einen verläßlichen Automatismus in unvermittelten Gefahrensituationen aneignen und erhalten möchte, kommt nicht umhin, sich Reaktionsmechanismen anzueignen, die beständig up to date gehalten werden müssen.

Öfter gebraucht und ebenso nützlich sind gewisse Grundfahrübungen, mit denen wir in grauer Vorzeit das Motorradfahren angefangen haben. Zum Beispiel das ganz langsame Kurvenfahren, enge U-Turns oder ein entschlossener Ausweichhaken. Am Wochenende bieten sich dafür leere Supermarktparkplätze auf dem Land an. Wer so etwas plant, gebe einfach Begriffe wie [ALDI LIDL Netto OBI im Landkreis XYZ] in Google maps ein und zoome die Satellitenansicht heraus., Dann findet sich entlang der Tourenstrecke mit Sicherheit ein geeignetes Plätzchen.

technik stuetzpunkt

Erinnerung an vergangene Zeiten – jetzt Trainingsgelände

Oder, vor allem in Ostdeutschland, suche man sich eine alte LPG auf dem Land mit großer Betonfläche. Dort gibt es genügend Platz, keiner schaut zu und man kann nach Herzenslust trainieren. Genau eine solche Fläche hat es mir in einsamer Landschaft heute angetan und ich habe mich hinterher richtig gut gefühlt. Wann immer es sich machen läßt, plane ich im Laufe einer Tour mindestens ein Viertelstündchen für solche Spielereien ein. Am besten im weiteren Verlaufe der Tour, wenn ich richtig warm gefahren bin.

Dornröschenschloß an der Elbe

ABI – die Autokennzeichen verraten mir, daß ich im Landkreis Anhalt-Bitterfeld gelandet bin. Wie sagte man in der DDR so schön: Sehn wir uns nicht in dieser Welt, dann sehn wir uns in Bitterfeld. Zur Abwechslung nehme ich entlang der Strecke noch zwei kurze Besichtigungen mit: Burg Lindau und Schloß Leitzkau. Keine große Sache, aber interessant zu sehen und zugleich gut für einen Schluck aus der Wasserflasche.

Anschließend gönne ich mir noch einen Abstecher in die ehemalige Residenzstadt Zerbst. Zu sehr lockt mich das leckere Eis in der Schloßkonditorei. Mit diesem in der Hand schlendere ich dann zum nahegelegenen Residenzschloß der Fürsten von Anhalt-Zerbst, respektive zu dem kümmerlichen Rest, der seit der Zerstörung der Stadt bei Kriegsende davon übrig geblieben ist. Hier wuchs einst eine junge Dame auf, die später als Zarin Katharina die Große in die Geschichte einging.

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Das ehemalige Residenzschloß der Fürsten von Anhalt-Zerbst

Wie in dieser Gegend kaum anders zu erwarten, geht es dann immer geradeaus weiter, dafür aber höchst flott. Es sei denn, ich werde vom eiszeitlichen Felssteinpflaster durchgerüttelt oder eine verträumte Bahnschranke versperrt mir für ein geschlagenes Viertelstündchen die Weiterfahrt.

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Endloses Warten in der Einsamkeit

Geradewegs auf die Elbe zu führt mich ein Landsträßchen zu meinem eigentlichen Tourenziel, dem Schloß Dornburg. Einst diente der Barockbau der Mutter der späteren Zarin Katharina der Großen als Residenz. An einem Altwasser der Elbe versteckt sich eine Mischung aus Versailles und Dornröschenschloß. Einst prunkvoll, heute aber verlassen, öde und dem Verfall preisgegeben.

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Am fürstlichen Residenzschloß in Dornburg (Elbe)

Ein jammervoller Anblick, den dieses architekturgeschichtliche Relikt in einer abgelegenen Gegend bietet. Selbst der Elberadwanderweg R2 von Prag nach Cuxhaven, der hier vorbeiführt, ist nur spärlichst befahren. Ich tue mich noch ein wenig um uns lege, von einer gewissen Melancholie befallen, wieder den Gang ein.

Rückfahrt mit Umwegen

Vielleicht habe ich mich doch zu früh gefreut, meine Motorradtour zwischen Fläming und Elbe doch noch planmäßig abspulen zu können. Aber nein, auch dieses Mal schickt mich eine Umleitung auf verschlungenen Wegen durch die Walachei. Im Grunde eine tolle Strecke, aber: Umleitung bedeutet in dieser Gegend einen Umweg von mindestens 30 Kilometern. Nun, was soll’s? Schließlich bin ich ja zum Fahren hier.

Immer wieder kreuzt meine Straße eine aufgelassene Bahnlinie, die nach menschlichem Ermessen ins Nirgendwo führen muß. Es ist die alte Kanonenbahn, eine nach dem 70er Krieg gebaute strategische Bahnlinie von Berlin nach Metz in Lothringen, für die künftige Kriegführung im Westen. Damit der Nachschub ungestört rollen konnte, wurde die Trasse bewußt durch spärlich besiedelte Gegenden gelegt – wie dieser, die ich gerade durchfahre.

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Auf der ehemaligen Kanonenbahn

Was diese Bahnlinie auszeichnet, ist eine große Zahl interessanter ingenieurtechnischer Bauwerke (Brücken,Tunnels), vor allem in den Flußtälern von Lahn und Mosel. Übrigens: Der Streckenverlauf eignet sich hervorragend für eine spannende Motorradtour quer durch Deutschland in die Vogesen. Ein künftiges Projekt von mir.

Als mich die Umleitung dann doch Richtung Heimat führt, falle ich noch bei lieben Freunden im Fläming ein, die mich mit Kaffee und Kuchen in ihrem Garten erwarten. Ein gelungener Tourenabschluß nach 300 Kilometern.

Fazit

Eine Motorradtour zwischen Fläming und Elbe beweist wieder einmal, daß auch unscheinbare Gegenden mit interessanten und schön zu fahrenden Strecken aufwarten. Dafür bedarf es allerdings einer etwas eingehenderen Planung und einer gewissen Flexibilität. Schon die Vorbereitung läßt Tourenfieber aufkommen.

Streckenführung

Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.

Informationen

Reiseregion Fläming
Landkreis Jerichower Land 
Landkreis Anhalt-Bitterfeld

Landkarten

ADAC Regionalkarte Blatt 6 Berlin und Umgebung 1:150 000
ADAC Regionalkarte Blatt 5 Hamburg – Hannover – Magdeburg 1:150 000

 

Aktualisiert am 08/09/2022 von Christian

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