Eine Motorradtour entlang der Sächsischen Saale beweist, daß man zu einem attraktiven Motorrad-Kurzurlaub nicht unbedingt in die Ferne schweifen muß.
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Keine Tour ohne Struktur!
Eine Motorradtour bleibt oft dann erst in schöner Erinnerung, wenn sie eine gewisse innere Struktur hat. Wenn sie einer bestimmten Route folgt oder eine Reihe von Zwischenstopps miteinander verbindet, die erst auf zwei Rädern (mit einem Motor dazwischen) intensiv erlebbar werden. Eine attraktive Strecke kann an einem romantischen Flußlauf entlang führen, durch eine wilde Schlucht oder auf Küstenstraßen rund um eine Insel. Oder sie kann, ganz nach persönlichem Interesse, von Station zu Station Besuchsziele miteinander verbinden, die wir schon immer einmal in Augenschein nehmen wollten.
Für ein solches Tourenerlebnis muß man nicht unbedingt in die Ferne schweifen. Warum auf einer öde langen Anfahrt die Reifen eckig fahren? Daß es durchaus etwas bescheidener geht, und das sogar in der engeren Heimat, zeigte uns unsere Motorradtour entlang der Sächsischen Saale von ihrer Mündung in die Elbe bis zur Quelle im Fichtelgebirge.
Tourenrevier Sächsische Saale
Damit keine Verwechslung entsteht: Vorsicht, es gibt zwei Flüsse namens Saale! Die kleinere, Fränkische Saale genannt, fließt in den Main. Die größere aber, die Sächsische, fließt in die Elbe. Beide durchziehen wunderschöne Tourenreviere. Als gelernte Franken haben wir uns jedoch bewußt für eine Motorradtour an der Sächsischen Saale entlang entschieden, durch Sachsen-Anhalt, Thüringen und Oberfranken. Als schöne Abwechslung, vor allem aber auch wegen der verkehrsarmen und kurvenreichen Sträßchen und der schier endlosen Kette von Burgen, Schlössern und Domen, die eine Kurventour auch zur Genußtour machen.
Vom Fichtelgebirge aus fließt die Saale munter nordwärts über Rudolstadt, Jena, Naumburg und Halle, bis sie bei Barby südlich von Magdeburg in die Elbe mündet. Genau hier starten wir praktischerweise unsere Tour, da wir von Berlin aus bis dorthin nur eine gute Stunde zu fahren haben.
Zugegeben: Unsere Tourenstrecke mit viel Flachland und Industriegebieten ist nicht gerade als „Reißer“ bekannt. Aber auf unseren diversen Lustreisen mit dem Motorrad (1 Woche +/-) haben wir gelernt, selbst solchen Aschenputtelstrecken unerwartete Reize abzugewinnen. Da heißt es dann Planen und Recherchieren, sich über die Karte beugen und die Strecke mit all dem, was sie zu bieten haben könnte, vor sich erstehen zu lassen.
Von der Saalemündung bis Halle
Die Probe aufs Exempel machen wir in den „Great Plains“ südlich von Magdeburg auf Wegen, die normalerweise der motorisierten Konkurrenz von Fendt, Claas und John Deere vorbehalten sind:
Pirschtempo im 3. Gang. Blühende Buschreihen flankieren unsere Piste, Lerchen steigen trillernd in den Himmel, schillernde Fasane eilen empört in schützende Deckung. Durch das geöffnete Visier dringt der Duft frischer, heiler Natur.
Diese Natur hat aber auch ihre Tücken, besonders im Sommer, wenn die von uns avisierten Flußfähren entweder wegen Niedrigwassers an der Kette liegen oder kaputt sind. Das erzwingt mitunter ausgreifende Umwege durch das Nirwana Sachsen-Anhalts.

Maschin kaput: Um ans andere Elbufer zu gelangen, beschert uns die Fähre bei Barby einem Umweg von 80 km.
Eine solche „Technologische Pause“ verschafft uns willkommene Muße, um zu beobachten, wie die Saale zwischen zwei mächtigen Kugelbäumen, einem Portal gleich, in die Elbe strömt.

Ausgangspunkt unserer Tour: Ganz unspektakulär ergießt sich die Sächsische Saale zwischen zwei Kugelbäumen in die Elbe.
Von hier aus sind es 413 km und 650 Höhenmeter bis zu ihrer Quelle. Wenn es irgendwo Einsamkeit gibt in Deutschland, dann hier.
Nur ein paar Kilometer weiter verkehrt bei Groß Rosenburg eine putzige Fähre über die Saale, die hier kaum breiter ist als das Wasserfahrzeug selbst. Um die bukolische Ruhe noch ein wenig zu genießen, lassen wir einem Traktorgespann den Vortritt üben uns in Beschaulichkeit.
Mittlerweile zeigt das Thermometer auf dem Multifunktionsdisplay erbarmungslose 30° an. Kein Schatten weit und breit. Also: Fahrtwind suchen und im Aufgalopp weiter nach Nienburg. Am Ende einer Rüttelstrecke holperiger Pflasterstraßen finden wir wohlige Kühle in der romanischen Klosterkirche St. Marien und Cyprian. Eine Erholungspause auf einer Kirchenbank läßt unsere Betriebstemperatur wieder auf normale Werte sinken, so daß wir, halbwegs erfrischt und mit interessanten architektonischen Eindrücken bereichert, den Motor wieder anwerfen können.
Retour à la nature: Südlich von Bernburg verlassen wir die Hauptstraße und schwingen auf herrlichen Serpentinen (ja, sogar die gibt’s hier!) zum Fähranleger in Rothenburg hinab. Dort umgibt uns abermals betörende Ruhe, mit Ausblick auf den landschaftlich bemerkenswerten Saaledurchbruch. Unverhofft kommt oft.
Ein Stück flußaufwärts grüßt Wettin mit seiner hoch über der Saale aufragenden Burg, samt einer weiteren Fähre.

Flußüberfahren auf der Tour sind immer ein besonderes Erlebnis, vor allem in landschaftlich reizvoller Umgebung.
Von hier aus ist Halle nicht mehr weit. Zeit, Station zu machen. Bei einem Abendspaziergang durch die Stadt leisten wir Georg Friedrich Händel Gesellschaft, mit einem Eis in der Hand.
Von Halle nach Rudolstadt
Eine der großen Überraschungen unserer Saaletour ist der Streckenabschnitt südlich von Halle. Eigentlich hatten wir billigend in Kauf genommen, eine gesichtslose Industrielandschaft mit trüber ökologischer Vergangenheit durchqueren zu müssen. Aber siehe da: Ein unscheinbares und dabei fahrerisch recht ansprechendes Landsträßchen führt uns diskret an der Saale entlang östlich um das Chemiedreieck herum.
Zunächst lassen wir unserem Entdeckergeist freien Lauf am verwunschenen Schloß Dieskau mit seinem weitläufigen Landschaftspark. Schade, daß so ein historisches Bauwerk dem Verfall geweiht ist, wenn sich keine angemessene Verwendung dafür findet.
Immer weiter entlang der Saale, gelegentlich die Gashand bei Ortsdurchfahrten lockernd, finden wir uns unvermittelt auf einer gepflasterten Bogenbrücke wieder. Auf dem bewaldeten Bergrücken vor uns zieht sich die Silhouette von Schloß und Dom hin wie ein Wegweiser für unsere weitere Route.
Das nächste Wahrzeichen dieser Art wäre ein paar Kilometer weiter der Dom zu Naumburg (mit seiner sinnlich blickenden Stifterinnenfigur Uta). Beide Dome lassen wir jedoch unbesucht, da wir sie von früheren Touren her kennen.
Als fahrerisches Schmankerl erweist sich die Weinstraße Saale-Unstrut von Naumburg aus am beschaulichen Flüßchen entlang über Freyburg und Nebra nach Memleben. Weite Weinbergshänge und eine abwechslungsreich gegliederte Landschaft erinnern uns ein wenig an das heimatliche Franken. Ohne Zweifel gehört die beschwingte Kurvenfahrt an der Unstrut entlang zu den Pretiosen unserer gesamten Tour.
Das 700-Seelen-Örtchen Memleben steht weit oben auf unserer Hitliste, denn mit seiner Kaiserpfalz zählte es im Mittelalter zu einem der prominentesten Regierungsorte deutscher Kaiser nördlich der Alpen. Wo heute Bienen durch die sommerlichen Gartenanlagen summen, wurde vor 1.000 Jahren Weltpolitik gemacht, wurden Ränke geschmiedet und gestorbene Kaiser betrauert. Wer es einrichten kann, sollte eine Erfrischungspause auf einem stillen Bänkchen im Schatten der majestätischen Klosterruine einlegen. Helm und Jacke kann man derweil in einem Garderobenschrank im Eingangsgebäude einschließen.
Die anschließende Etappe zurück an die Saale bei Camburg überrascht mit einer exquisiten Routenplanung, die mir das Navi ausgespuckt hat. Kurvenreiche Landsträßchen führen über Hügel, durch Täler und Wälder, zwischendurch immer wieder neue Ausblicke über die Landschaft eröffnend. Ab und zu kreuzt allenfalls ein Traktor oder ein Viehtransporter unseren Weg – das war’s dann auch schon.
Irgendwann am weiteren Verlauf der Saale grüßt schon von weitem hoch auf dem Talrücken das Ensemble der drei Dornburger Schlösser. Wer nach einer Illustration für ein Märchenbuch sucht – hier findet er sie.
Also den Blinker rechts gesetzt und die Serpentinen hinauf! An diesem Wochentag scheinen wir die einzigen Besucher zu sein, die von der Burgmauer aus das faszinierende Panorama über das Saaletal genießen wollen. Hier fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Wie in der, die man sucht, um alles andere hinter sich zu lassen.
Versonnen rollen wir dann im 2. Gang wieder talwärts, schwingen die Kurven hinab und genießen den immer neuen Ausblick auf das Saaletal. Diesem folgen wir durch Jena hindurch bis in die Gegend von Rudolstadt. Dort finden wir, ganz unserer Weltflucht entsprechend, ein überaus angenehmes Quartier in einem kleinen Schloß mit Ausblick auf Fluß und Wälder.
Von Rudolstadt zur Saalequelle
Ein opulentes Frühstück im Schloß und die Aussicht auf einen kurvenreichen Tourentag durch den Thüringer Wald sind ein perfekter Start in mein neues Lebensjahr. Erster Programmpunkt ist das Schillerhaus im ehemaligen Residenzstädtchen Rudolstadt – der Ort, an dem sich Goethe und Schiller am 7. September 1788 kennenlernten.
Hand zum Gruß und weiter geht’s, denn hier beginnt die große fahrerische Verwöhnung. Immer eng an der Saale entlang, jeder Biegung folgend, hinein ins Kurvenparadies am Hohenwarthe-Stausee. Aber leider – Paradise Lost – lassen uns einige Straßensperrungen diese wunderbare Strecke nicht auskosten. So laufen wir schließlich am Bikertreff an der Staumauer auf, wo wir uns in Gesellschaft anderer Enttäuschter wiederfinden.
Aber das Glück ist uns letztlich doch hold – Paradise Regained – und wir werden mit einer wunderbare Ersatzstrecke über das Thüringer Schiefergebirge entschädigt.
Endlose Kurven ziehen sich an rauschenden Bächen entlang durch den finsteren Tann. Eine perfekte Gelegenheit, die Gänge hübsch auszudrehen und dabei Vorzüge des agilen Quickshifters auszukosten. Dann Verschnaufpause auf dem bedrückend stillen Marktplatz von Bad Lobenstein wo wir uns vorkommen wie zwei lonesome riders in einem Italo Western. Sergio Leone läßt grüßen.
Zwei Drittel aller Ortschaften, die wir hier durchrauschen, enden regionaltypisch irgendwie auf –grün, -brunn oder –mühle. Als das Ortsschild von Marxgrün den Landkreis Naila ausweist, wissen wir, daß wir in Bayrisch Sibirien angekommen sind. „Hochfranken“, wie sich die Region neuerdings hochtrabend nennt. Trotzdem ist es hier meist unwirtlich kalt und windig, Landschaft und Menschen versprühen einen sehr herben Charme. Wie auch die Küche, die wir am Abend in unserem Landgasthof genießen dürfen.
Für die Schlußetappe zur Saalequelle im Fichtelgebirge haben wir einen Quasi-Ruhetag geplant. Schlappe 35 km bleiben uns bis Zell i. F., dann ackern wir einen Forstweg hoch bis an eine Wegekreuzung. Ganz artig lassen wir unsere Maschine auf dem Seitenständer und brechen auf zu einer kleinen Wanderung die letzten 600 m bergan bis zur Quelle.
Geschafft! Gut 500 km sind wir jetzt die Sächsische Saale von ihrer Mündung her entlang gefahren. Und wie immer, wenn wir eine solche Strecke absolviert haben, mischt sich Freude über das Ankommen mit einem wenig Wehmut darüber, daß die Tour schon vorbei sein soll. Aber sie ist es nicht, denn im Anschluß unternehmen wir eine zweite Tour nach Berlin zurück, die gänzlich anders ist und ihre eigenen Reize hat. Doch darüber an anderer Stelle mehr.
Fazit
Eine Motorradtour entlang der Sächsischen Saale bietet – gleich in welcher Flußrichtung – ein hervorragendes Programm für einen Kurzurlaub mit allen seinen Vorzügen: tolle, abwechslungsreiche Strecken, herrliche Landschaft, unterwegs genug zum Anschauen und Entdecken, und eine dichte gastronomische Infrastruktur. Dazu kaum Verkehr und kein Tourismusrummel. Vor allem kann man diese Tour, wenn man schon einmal in dieser Gegend ist, locker mit Abstechern in den Thüringer Wald und das Fichtelgebirge verbinden. Unser Land bietet viel zum Erleben, gerade mit dem Motorrad.
Die –gpx Datei zum Nachfahren findest Du hier.
Start / Ziel:
Barby (Salzlandkreis, Sachsen-Anhalt) / Zell im Fichtelgebirge (Lkr. Hof, Bayern)
Streckenverlauf:
Barby – Bernburg – Halle – Naumburg – Memleben – Camburg – Jena – Rudolstadt – Saalfeld – Hof – Zell im Fichtelgebirge
Landkarten:
ADAC Regionalkarte Blatt 9 Leipzig, Erfurt, Halle – 1:150.000
ADAC Regionalkarte Blatt 13 Bayerischer Wald, Bayreuth, Regensburg – 1:150.000
Fahrtstrecke:
ca. 500 km
Zeitbedarf:
ca. 4 Tage + Extrazeit für eigene Unternehmungen am Rande der Strecke, z. B. Anschlußtouren durch das Fichtelgebirge und den Thüringer Wald
Touristische Informationen:
Sachen-Anhalt. Reiseland vom Harz bis zur Elbe
Tourismus in Thüringen
Natur und Tourismus – Aktivregion Oberfranken
Zusatztipp:
Arche Nebra mit der Dokumentation der Himmelsscheibe
Aktualisiert am 09/07/2023 von Christian
Lukas Kiermeyr
1. Juli 2023 at 07:41
Servus Christian, wie immer Spitze und nachträglich -so entnehme ich dem Beitrag- alles Gute zum Geburtstag.
Christian
3. Juli 2023 at 10:56
Servus Lukas, herzlichen Dank für Deine Geburtstagsglückwünsche, die mich sehr gefreut haben. Auch Dir alles Gute, Christian