Eine Motorradtour durch Burgund bietet wunderbare Kurvenstrecken, Kulturdenkmäler, guten Wein und exzellente Küche. Wie finde ich die ideale Strecke?
Geschätzte Lesedauer: 5 Minuten
Motorradtour durch Burgund
Die meisten Frankreich-Touristen bereisen die reiche Kulturlandschaft Burgund eigentlich vom falschen Ende her. Denn sie stürzen sich, von Norden kommend, mit ihren klugen Reiseführern auf Städte wie Beaune oder Dijon. Alles schön und gut. Aber für den Motorradfahrer liegen die Reize dieser Region eher im Süden. Dort, wo man noch unter sich und der Wein (für französische Verhältnisse) erschwinglich ist. Hier liegt das Grenzland zwischen Wein (dem Maconnais) und Rindfleisch (dem Charolais). Es ist durchzogen von unendlich vielen Kurvensträßchen, die Gashand, Auge, Kehle und Magen voll auf ihre Kosten kommen lassen:
Auf Straße | Zwischenziel |
---|---|
Start | Lyon |
N 7 | Lozanne – Tarare |
D 8 | Amplepuis |
D 13/D 9 | Villerest - Roanne |
D 482 | Charlieu |
D 487/D 987 | Châteauneuf |
D 20 | St-Christophe-en-Brionnais |
D 989 | Marcigny |
D 982 | Anzy-le-Duc |
D108/D 174 | Varenne-l’Arconce |
D 34 | Paray-le-Monial |
N 79/D 17/D 980 | Cluny |
D 15/D 416/D 187/D 14 | Tournus |
A 6 | Lyon |
Gesamtstrecke: | 393 km |
Da unsere Motorradtour durch Burgund lang und kurvenreich ist und zudem vieles zum Anschauen bietet, empfiehlt es sich, sehr früh loszufahren und großzügig Pausen einzulegen. Es wird eine lange, satte Tagestour. Aber was für eine!
Die .gpx-Datei zum Nachfahren findest Du hier.
Streckenplanung
Seit Tagen warnen alle Medien vor Verkehrschaos an diesem Ferienwochenende. Wir wollen aber trotzdem die heiße Stadt hinter sich lassen. Was liegt dann näher, als auf kleinen Straßen in die tiefe Provinz zu fahren? Immerhin, in der französischen Provinz leben 20 Prozent der Bevölkerung auf 80 Prozent der Fläche des Landes. Dadurch beschränkt sich der Straßenverkehr allenfalls auf benachbarte Ortschaften.
Das sollte für eine Motorradtour durch Burgund gut passen. Die Regionalkarte ist rasch auseinandergefaltet und lockt mit ihrem grüngeränderten Nebenstraßennetz. Sie ist bunt aufgefüllt mit landeskundlichen Notizen, die ich im Laufe der Zeit eingetragen habe.
Angeregt von der Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt wollen wir den südlichen, für uns attraktiveren Teil der kleeblattförmigen Chemins du Roman abfahren, uns einige der besser erhaltenen romanischen Kirchen ansehen und irgendwo ein schönes Picknick machen. Und natürlich gute Kurvenstrecken fahren:
TIP: Die Tour ist so angelegt, daß man als Motorradfahrer ein Maximum an Fahrspaß hat und gleichzeitig viel von den Sehenswürdigkeiten Burgunds und seiner schönen Landschaft mitbekommt. Wer nur fahren will, wird voll auf seine Kosten kommen. Dagegen sollte etwas mehr Zeit und Pausen einplanen, wer unserer Beschreibung folgt. Aber wer nur die highlights der romanischen Baukunst besichtigen will, kann sich getrost auf folgende drei Ziele beschränken: Lancharre, Chapaize und Tournus. Doch davon mehr weiter unten.
Ländlich-sittliches Burgund
Nach sehr frühen Frühstück verlassen wir unseren Ausgangsort Lyon in nordwestlicher Richtung. An den Abhängen des Beaujolais fahren das sanft geschwungene Tal der Azergues hoch. Sattbunte Wiesen und gelb blühender Ginster säumen unseren Weg.
Hinter dem Bergkamm auf 900 m beginnt das Département Loire. dann senkt Die Straße sich wieder zum Brionnais und zum Charolais hin, deutlich erkennbar an der stetig wachsenden Zahl von Rindern beiderseits unseres Weges.
Blütenduft dringt durch das geöffnete Visier. Die reich gegliederte Landschaft mit ihren sanften Hügeln, ihren von Buschwerk umrandeten Weiden, Wäldern und Weinbergen bietet ein ideales Szenario für kurvige Landstraßen, wie wir alle sie lieben. Auf unserer Motorradtour durch Burgund kann man der Maschine freien Lauf lassen oder an einem netten Plätzchen Halt machen – ganz wie es beliebt.
An der oberen Loire
Dies ist unsere Stammstrecke zu schönen Touren an die obere Loire. Wenig später erreichen wir den Aussichtspunkt auf das Flußkraftwerk von Villerest. In Erinnerung an das Vorhandensein eines Kiosks an diesem Ort steuern wir diesen an und lassen uns unter einem verblichenen Sonnenschirm auf zwei knatschblauen Plastikstühlen zum Eis nieder. Umschwärmt werden wir dabei von Heerscharen ferienmüde lärmender Kinder, deren Eltern sie zu einer Fahrt mit einer Mini-Eisenbahn hergeschleppt haben.
Frisch gestärkt folgen wir nordwärts dem Flußlauf der Loire und durchqueren auf Irrwegen die Départementhauptstadt Roanne mit ihren Vororten.
Romanik in Burgund
Befreiend wirkt dann der weitere Weg zur Benediktinerabtei Charlieu. Von dieser ist aber, wie so oft, dank der Segnungen der Französischen Revolution nur ein Abbruchrest übrig geblieben. Ein restauriertes Tympanon mit der Darstellung der 12 Apostel ist alles, was an Erinnerung bleibt.
Auf einem kurvenreichen Nebensträßchen erreichen wir den bezaubernden Ort Châteauneuf. Da wir noch viel Strecke vor uns haben, lassen wir die zahlreichen netten Cafés und die verlockenden Antiquitätenläden diesmal links liegen. Stattdessen steuern wir die hoch über dem Ort gelegene romanische Kirche an. Dort sind wir ganz alleine und genießen von einem sonnenbeschienenen Mäuerchen aus den Blick über das Land.
Durch das Brionnais
Dann drehen wir nordwärts ein Richtung Varenne-l’Arconce. Hier wird es dann richtig ländlich-sittlich. Das hübsche Landstädtchen St-Christophe-en-Brionnais ist wegen eines rege besuchten Wochenmarktes abgesperrt. Die Umleitung versöhnt uns jedoch mit Landstraßen im englischen Stil, die, beiderseits gesäumt von dichten Hecken und Trockenmauern, das Weideland der Charolais-Kühe abgrenzen.
Unsere Maschine zieht brav die Berge hoch, als genieße sie die Befreiung nach monatelangem Zwangsaufenthalt in der dunklen Garage. Von Butterblumen gelb gesprenkelte Wiesen bieten den zufrieden käuenden Rindern ein gemütliches Bett.
Hoch neben der Straße verläuft das Gleis einer Lokalbahn, die hier wohl alle heilige Zeit einmal verkehrt.
Wir lenken unsere Fahrt nach Marcigny, wo die Aussicht gestellte Kirchenfassade aber so aussieht, als habe ein Bauarbeiter bei der Mittagspause vergessen, sein Sandstrahlgebläse abzustellen. Durch das konturlose Portal gelangen wir in ein nichtssagendes Inneres und ebenso schnell wieder heraus. Versöhnt werden wir etwas durch den „Tour du Moulin“ im gleichen Ort, der seinen guten Restaurierungszustand wahrscheinlich dem in ihm untergebrachten Heimatmuseum verdankt.
Anzy-le-Duc
Der nächste Ort Anzy-le-Duc ist wegen der Größe von Kirche und ehemaliger Klosteranlage besser besucht, wahrscheinlich auch wegen des benachbarten Gartenrestaurants, das wir aber wegen unseres Generalverdachts auf schlechten Kaffee meiden. Stattdessen vertiefen wir uns in den Anblick der ikonographisch sehr interessanten romanischen Kapitelle.
Mittägliches Idyll in Burgund
Kurz vor Varenne-l’Arconce entdecken wir hinter einem hübsch hergerichteten Straßenwärterhäuschen mit angeschlossenem Mini-Weinberg einen Zugang zu einer bunt blühenden Wiese. Zu mittäglicher Stunde breiten wir unsere Strichtarn-NVA-Zeltplane zum Picknick aus. Außer einem gelegentlich vorbeifahrenden Auto stört kein künstlicher Laut unser Idyll. Insekten summen über Kräuter und Gräser.
Dabei werden Jugenderinnerungen wach. Wie der Bauernbub auf dem Gemälde von Franz Lenbach strecken wir uns aus, schauen in den Himmel, legen uns aber sicherheitshalber bald einen Sonnenschutz über die Augen.
In Varenne-l’Arconce erwartet uns eine äußerlich zwar sehr ansehnliche, im Inneren aber dringend renovierungsbedürftige romanische Kirche. Risse ziehen sich über die ganze Länge des einen Seitenschiffs, die Rundbögen des anderen neigen sich sehnsuchtsvoll nach Norden, grüner Schimmel durchdringt die Decke, Restflecken der ehemaligen Ausmalung verweisen auf frühere Fresken und gemaltes Mauerwerk. Traurig, traurig. Wir sind die einzigen Besucher, wohl auch die einzigen Lebewesen in diesem recht hübschen Ort.
Von hier aus sind es nur 15 km bis nach Paray-le-Monial. Seine weithin sichtbare Basilika weist darauf hin, daß wir uns in einem der meistbesuchten Pilgerorte Frankreichs befinden. Entsprechend gut ist die Kirche besucht. Auch hier hat der Abbruchwahn der Französischen Revolution seine Spuren hinterlassen.
Cluny
Knapp eine Stunde später sind wir in Cluny mit seiner über 110 Jahre alten Benediktinerabtei. Was steht in klugen Geschichtsbüchern nicht alles über die Bedeutung der cluniazensischen Reformbewegung im hohen Mittelalter und ihre geistliche Strahlkraft über ganz Europa. Wir stehen hier aber vor einem gigantischen, wenn auch didaktisch aufbereiteten Abbruchgelände, das die Revolution hinterlassen hat. Dennoch: Ein großer Ort mit einer großen Vergangenheit. Beschränken wir uns also auf das historische Kopfkino.
Sechspässefahrt in Burgund
Wie gut es war, eine ausgiebige Erholungspause in den Überresten des einstmals stolzen Klosters Cluny einzulegen, spüren wir auf den nächsten 40 Kilometern. Sie sind das fahrerische highlight unserer Tour. Kurven ohne Ende über 6 Pässe: Col des Quatre Vents, Col de la Percée, Col de la Croix, Col de la Pistole, Col de Brancion und Col de Beaufer. Wir hätten nie geglaubt, ein so tolles Kurvenrevier in dieser Gegend zu finden. Wir gesagt: Die meisten fahren an den besten Strecken vorbei.
TIP: Wer bei der Kurvenfahrerei eine kleine Pause einlegen will, kann kurz nach Lancharre und Chapaize abbiegen. Es lohnt sich!
Tournus
Danach ist in Tournus erst einmal eine Kaffeepause angesagt. Gleich neben unserem sehr netten Café liegt die mächtige tausendjährige Kirche St-Philibert, der größte erhaltene romanische sakrale Großbau Frankreichs. Im Abendlicht wandeln wir ganz alleine im Kirchenschiff um die mächtigen Säulen. Auch in der Krypta mit ihren filigranen Säulen sind wir ganz unter uns. Ein wunderbarer Abschluß unserer Romanik-Motorradtour durch Burgund.
Danach können wir es wirklich gut sein lassen. Wir begeben uns auf die Autobahn und rollen wie mit dem Autopiloten die restlichen 70 km zurück nach Lyon. Danach sind wir wirklich geschafft – aber von einer fahrerisch einzigartigen Tour mit herrlichen Eindrücken.
Aktualisiert am 09/05/2022 von Christian