Eine Motorradtour von Berlin nach Hamburg entlang der Elbe zählt zu den schönsten, aber am meisten unterschätzten Strecken Deutschlands. Hier geht‘s lang.
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Von der Havel in die Heide
Eine Motorradtour von Berlin nach Hamburg ist für die meisten nicht gerade ein sehnsuchtsvolles Unternehmen. Wer will sich schon freiwillig in den Verkehrsstrom zwischen den beiden Metropolen mischen?
Doch Halt! Da gibt es Varianten, die durchaus eine Überlegung wert sind. Und eine, die ich im Weiteren sehr empfehlen möchte. Grundsätzlich bieten sich drei Strecken für eine Tagestour an: eine schnelle, eine traditionelle und eine spirituelle Strecke.
Streckenvarianten
Die schnelle Strecke ist die A 24, die beide Städte in einem 290 km langen Viertelbogen verbindet. Wer einen Autobahnbrenner fährt wie ich, wird dies mitunter reizvoll finden. Aber es drohen permanente Baustellen, Staus und verläßlich viel Verkehr.
Die traditionelle Strecke ist die B 5, die alte Fernstraße Berlin – Lauenburg – Hamburg, etwa ebenso lang und vielen als ehemalige DDR-Transitstrecke noch in dubioser Erinnerung. Wer aber schon bei Sonnenaufgang auf den Anlasserknopf drückt, findet sich bald auf einer der wunderbarsten und längsten Alleenstraßen, die das deutsche Fernstraßennetz zu bieten hat: knorrige Eichen im schrägen Morgenlicht, kaum Verkehr und die Rennleitung noch in Morpheus‘ Armen.
Als spirituelle Strecke bezeichne ich meine Lieblings-Motorradtour von Berlin nach Hamburg entlang der Elbe. Sie ist zwar kilometermäßig etwas kürzer als die beiden anderen, dafür aber eine ganze Ecke länger zu fahren. Und vor allem viel viel schöner. Deshalb kalkuliere ich dafür gerne einen ganzen Fahrtag ein, inklusive Zwischenstops an romantischen Stellen, die diese Strecke in Hülle und Fülle zu bieten hat.
Da sie sich vor allem bei Fern-Radtouristen einiger Beliebtheit erfreut, ist die Strecke auch gut mit Gasthäusern und Unterkünften bestückt. Dazu gibt es im Netz eine Menge Informationen.
Meine Lieblings-Motorradtour von Berlin nach Hamburg
zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie in weiten Teilen an der Elbe entlang führt. Wer an Elbniederung denkt, an Wendland oder Elbuferstraße – genau dort sind wir unterwegs. Wie verläuft meine Strecke?
Wie gesagt – für den kurvigen Verlauf der Landstraßen gilt es einige Zeit zu investieren. Auch der teilweise ruppelige Straßenzustand macht die Tour nicht unbedingt schneller. Dafür gibt es aber ein sattes Angebot an wunderschöner Natur, die man vom Sattel aus genießen kann. Bei reduziertem Tempo, versteht sich. Hier ist die Datei zum Nachfahren.
Von der Havel an die Elbe
Mit der frühen Morgensonne im Rücken ist die Flucht aus der Hauptstadt keine große Sache. Schon bald verabschiedet mich an der Stadtgrenze der Berliner Bär auf die Bundesstraße 5.
Dann durcheile ich das Havelland bis Friesack, wo ich auf die L 17 Richtung Havelberg einbiege. Navi oder Karte brauche ich hier nicht, denn ich bin auf einer meiner Stammstrecken. Auch der eine oder andere Traktor fahrende Landmann hat sich schon zeitig auf den Weg gemacht. Hand zum Gruß dem Frühaufsteher und weiter geht’s, an der Absturzstelle von Otto Lilienthal vorbei, durch die breiten Auen des Elbvorlandes nach Havelberg.
Sobald ich dort die Havelbrücke überquert habe, auf dem Domberg links auf die L 3 abgebogen bin und das Kasernengelände hinter mir liegt, beginnt der wirklich romantische – um nicht zu sagen spirituelle – Teil meiner Motorradtour von Berlin nach Hamburg.
Störche in der Elbniederung
Daß es im südwestlichen Zipfel der Prignitz rumpelig werden würde, stört mich nicht weiter. Immerhin ein guter Anlaß, bei einer Marschpause im Storchendorf Rühstädt die Maschine auf den Ständer zu schieben und bei einem guten Kaffee aus der Thermoskanne das luftige Treiben der schwarz-weiß gefiederten Kameraden zu beobachten.
Unweit mündet auch die Havel in die Elbe, so daß meine eigentliche Elbtour beginnen kann.
Bienenhonig aus dem Naturschutzgebiet
Jäh unterbrochen wird mein Sprint allerdings beim Anblick eines handgemalten Schildes am Straßenrand „Honig vom Imker 150 m“. Da kann ich doch nicht widerstehen, ein Mitbringsel für den häuslichen Frühstückstisch zu erwerben.
Sehr freundlich führt mich der Herrscher der Bienengeschwader in seinen hübsch hergerichteten Hof und präsentiert mir ein eindrucksvolles Honigsortiment. Gerne greife ich zu und wir unterhalten uns noch hinlänglich über Bienensterben und die Imkerei im Allgemeinen. Es ist wirklich interessant, all das von einem Fachmann zu hören, der sein Gewerbe mit viel Herzblut betreibt.
Auf dem Elbdeich
Die verplauderte Zeit ist auf der einsamen Straße bald wett gemacht. Nun geht es vorbei an Wittenberge Richtung Lenzen, immer an der Elbe entlang. Der Motor zieht turbinenartig hoch, unterbrochen hin und wieder nur vom rot schimmernden Kopfsteinpflaster der Dorfstraßen, bis mich die Elbaue wieder aufnimmt. Bei all dieser Einsamkeit ist kaum zu glauben, daß ich mich hier auf einer Motorradtour von Berlin nach Hamburg befinde. Da sich die Elbe streckenweise hinter einem hohen Damm versteckt, fahre ich zur Deichkrone hoch und halte Ausschau über das wunderbare weite Land.
Unerwartet leisten mir durchziehende Fernradfahrer Gesellschaft. Ihre Touren ringen mir einigen Respekt ab: von Prag nach Hamburg, von Dresden nach Lübeck. Alles Herrschaften deutlich jenseits der Pensionsgrenze. Wir teilen die gleiche Passion für herrliche Landschaften und schöne Strecken, jeder auf seine Weise.
Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“
Eigentlich hätte ich bei Schnakenburg mit der Elbfähre über den Fluß setzen wollen. Aber wegen des herrschenden Niedrigwassers mußte der Kahn leider am Ufer vertäut bleiben. Meine Schuld, ich hätte mich doch besser auf der Liste der Elbfähren über den aktuellen Betriebsstand kundig machen sollen.
Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, als weiter elbabwärts bei dem hübschen Städtchen Darchau über die Brücke in das Wendland einzufahren – aus den Nachrichten bekannt durch jahrzehntelange Demonstrationen und „Aktivisten“ jeglicher Couleur.
Was ich hier vorfinde, entpuppt sich als eine stille, romantische, abgelegene Landschaft. Deutschlands größte Fläche ohne Autobahn, wenn man der Tourismuswerbung glauben will. Wahrscheinlich waren es gerade diese Besonderheiten, die vor allem Leute aus dem städtischen Umfeld angezogen haben. Jedenfalls erweckt die Durchfahrt durch die Dörfer diesen Anschein. Wer von der Großstadt die Nase voll hat, findet hier gewiß ein idyllisches Refugium.
Elbuferstrasse
Kurz hinter dem südlichen Elbufer biege ich von der K 15 ab auf die parallel zum Fluß verlaufende K 13. Wenig später wird sie als „Elbuferstraße“ K 36 firmieren. Zunächst aber fühle ich mich nach Afrika entrückt:
Von der Elbe ist allerdings vorerst noch nicht viel zu sehen. Sie fließt hinter hohen Deichen versteckt vorbei.
Reizvoller wird es dann aber hinter Hitzacker, wo die eigentliche Elbuferstraße beginnt. Unbedingt sollte man aber beachten, daß diese Strecke an Wochenenden und Feiertagen für Motorräder gesperrt ist. Gerade deshalb habe ich mich mitten unter der Woche auf den Weg gemacht.
Nach Durchfahrt durch die hübschen Dörfer Tießen, Drethem und Schutschnur windet sich die Elbuferstraße vom Fluß weg hinauf auf die eiszeitlichen Hügelketten. Durch ausgedehnte Laubwälder geht es immer wieder auf und ab, leckere Kurven warten in erfreulicher Anzahl. Kein Wunder, daß diese Strecke auf die norddeutschen Motorradkollegen eine besondere Anziehungskraft ausübt.
Auf einer Anhöhe kurz vor Bleckede wartet eine Besonderheit, die man sich keinesfalls entgehen lassen sollte: ein Aussichtsturm mit weitem Blick über die Elbniederung. Einfach phantastisch. Er ist gut ausgeschildert, einen Parkplatz gibt’s auch und weiter oben sogar Tische und Bänke für die Rast.
Da ich nun schon mal in der Gegend bin, fahre ich bei Barskamp in den Wald hinein und suche das dort liegende neusteinzeitliche Ganggrab (zwischen 3500 und 2800 v. Chr.) auf. Ich habe nun mal eine Schwäche für Vor- und Frühgeschichte. Damit rundet dieses Bodendenkmal meinen Eindruck von der Fahrstrecke entlang der Elbe ab.
Lüneburg
Normalerweise hätte ich meine Tour von Bleckede aus geradewegs weiter auf der L 219 über Artlenburg nach Hamburg fortgesetzt. Aber aus familiären Gründen mache ich einen Schlenker über Lüneburg. Soviel Zeit für ein Wiedersehen und einen guten Kaffee muß sein. Zumal die Landstraßen hier auch nicht ohne fahrerischen Reiz sind. Und die wunderschöne – im Krieg unzerstörte – Stadt Lüneburg ist ohnehin immer einen Besuch wert.
Durch die Elbmarsch nach Hamburg
Leider bleibt mir heute keine Zeit, um in der Lüneburger Elbtalaue das Schiffshebewerk Scharnebeck zu besichtigen. Aber es ist ein kleiner Trost, daß ich ein solches Bauwerk vor der Haustüre habe, in Nieferfinow an der Oder. Europas größter Schiff-Fahrstuhl.
Die Fahrt durch die Elbmarsch an dem jetzt immer breiteren Strom entlang ist ein Erlebnis besonderer Art. Bei Hoopte setze ich mit der Fähre über die Elbe nach Zollenspieker.
Allmählich beginnt die Hansestadt, mich in Empfang zu nehmen. Die Einfahrt nach Hamburg mit dem Motorrad ist an der Norderelbe hoch unendlich viel reizvoller als auf der Autobahn, die mich an ihrem Ende dann doch nur in einen unvermeidlichen Stau entläßt.
Wegen der Fülle der landschaftlichen und fahrerischen Eindrücke ist eine Motorradtour von Berlin nach Hamburg entlang der Elbe ein Erlebnis, das man sich keinesfalls entgehen lassen sollte. Viel Spaß allen, die diese Tour – hoffentlich bald – nachfahren.
Aktualisiert am 09/05/2022 von Christian