Eine Motorradtour Berlin-Dresden als Auftakt zu weiteren Touren im sächsischen Bergland überrascht mit geruhsamem Cruisen und unerwarteten Eindrücken.
Durch märkische Wälder nach Dresden
Die dümmste und langweiligste Art, von Berlin in das Kurvenparadies des sächsischen Berglandes zu touren wäre eine Anreise über die Bundesautobahn A13: Dort hemmen Lastwagenkolonnen nach Polen und Tschechien das flotte Vorankommen. Dann lauert der Stau hinter jeder Autobahnauffahrt. Und da, wo es dennoch vorangeht, ist es auf dem grauen Band durch die märkischen Kiefernplantagen genauso öde wie auf dem äußersten Straßenring rund um Moskau.
Somit stellt sich die Frage: Wie komme ich am besten von Berlin nach Dresden, ohne vor Langeweile halbtot über dem Lenker zu hängen?
Motorradtour Berlin-Dresden
Hier werden altgediente Trabbi-Touristen sagen: klar, über die Bundesstraße 96. Die alte Route 66 der DDR von Zittau im Dreiländereck D – CS – PL nach Sassnitz auf Rügen.
Von Berlin aus ist Zossen ist der erste Anlaufpunkt auf dieser Trasse. Dort geht es vorbei an den großen Hauptquartieren der Vergangenheit: Kaiser, Wehrmacht, Sowjetarmee. Die Überreste der Bunker sind im Wald zu besichtigen.
Je weiter man auf unserer Motorradtour Berlin-Dresden südwärts kommt, desto friedlicher wird es. Dann ebbt der Straßenverkehr zusehends ab, bis man in den endlosen Wäldern Brandenburgs fast alleine unterwegs ist. Aber die Bundesstraße ist gut ausgebaut und verläuft schnurgerade aus. Dadurch kommt man fast so zügig voran wie auf der Autobahn. Nur wesentlich entspannter.
Nach der ersten Etappe kommt eine Kaffeepause in Baruth (Mark) kommt sehr gelegen. Weil wir sehr flott durchgekommen sind, brauchen wir nicht das Gefühl zu haben, wertvolle Fahrzeit zu vergeuden.
Durch das Wolfsland zum Kloster Doberlug
Die einsame Waldgegend, durch die wir über Luckau und Finsterwalde unsere Bahn ziehen, ist kein Wolfserwartungsland mehr. Denn die Wölfe sind dort schon längst heimisch. Stolze 41 Rudel und 8 Wolfspaare durchstreifen mittlerweile die brandenburgischen Forsten. Wilder Osten.
In Sonnenwalde verlassen wir die B 96. Alles heißt hier irgendwie „-walde“: Finsterwalde, Fichtenwalde, Freienwalde und was sonst noch. Ungestört vom Straßenverkehr erreichen wir auf der L 701 über freies Feld das Doppelstädtchen Doberlug-Kirchhain.
Auf dem dortigen Marktplatz überraschen uns eine exzellente Bäckerei und eine reich bestückte Metzgerei mit ihrem verlockenden Angebot. Unsere Ausbeute landet zunächst im Tankrucksack. Aber nicht lange. Denn auf einer sonnigen Bank vor dem Schloß Doberlug geben wir sie zum genüßlichen Verzehr frei.
Unerwarteter Höhepunkt unserer Motorradtour Berlin-Dresden ist die Klosterkirche Doberlug mit ihrer herrlich restaurierten Innenausstattung. Hier hat der Denkmalschutz ganze Arbeit geleistet. Zwischen dem Havelberger Dom in Nordwest-Brandenburg und dem Meißener Dom in Sachsen ist dies wohl das eindrucksvollste Kirchenbauwerk, das man besuchen kann. Wer hätte das wohl vermutet, in dieser abgelegenen Gegend?
Kulturstadt Meißen
Auf einsamer Strecke geht es weiter über Bad Liebenwerda und Großenhain. Das dortige Autokennzeichen „EE“ steht nicht, wie in Italien, für „Escursionisti Esteri“, sondern für den Landkreis Elbe Elster. Was die Bundesregierung bewogen haben mag, diesem Landkreis den Ehrentitel „Ort der Vielfalt“ zu verleihen, erschließt sich uns allerdings nicht so recht.
Über Serpentinen mit ätzenden Verkehrsstaus am Ortseingang von Meißen kämpfen wir uns zur weltberühmten Porzellanmanufaktur vor.
Man sollte sich wirklich die Zeit nehmen, um sich in ihren Schauwerkstätten die Herstellung des hochwertigen Porzellans aus nächster Nähe anzusehen und sich die einzelnen Arbeitsgänge erläutern zu lassen. Die Kunstfertigkeit der Porzellanmacher ringt einem höchsten Respekt ab. Sie erklärt aber auch den hohen Preis, der für diese Luxusprodukte zu bezahlen ist.
Was seit 1710 alles hier gefertigt wurde, ist im gut bestückten Porzellanmuseum zu besichtigen.
Der Manufakturbesuch beschert uns ein ganz neues, persönliches Verhältnis zu den gekreuzten blauen Schwertern.
Über holperiges Pflaster fahren wir hoch auf den Schloßberg. Von der Albrechtsburg aus genießen wir den Blick über Elbe und Altstadt. Auch einen Besuch des benachbarten gotischen Doms mit seiner beeindruckenden Innenarchitektur sollte man sich keinesfalls entgehen lassen.
Mit dem Motorrad über die Sächsische Weinstrasse
In Meißen beginnt ein Streckenabschnitt, der uns als Weinfranken das Herz erwärmt: Die Sächsische Weinstraße entlang der Elbe. Sie zieht sich zunächst am Fluß entlang, um allmählich auf die östlichen Elbhänge hinanzusteigen. An die 50 km führt sie uns über Coswig und Radebeul (Karl May!) nach Dresden.
Gespickt mit herrlichen Aussichtspunkten und verlockenden Einkehrmöglichkeiten ist die Sächsische Weinstraße ein verlockendes Motorraderlebnis der besonderen Art. Wer nach den Eilstrecken durch die märkischen Wälder und dem Cruisen entlang der Weinberge die mitunter doch schnellere Autobahn nach Dresden vermissen sollte, ist wirklich selber schuld.
Wenn es dann kurz vor Dresden wieder talwärts geht und sich vor uns das barocke Weichbild der Stadt öffnet, freuen wir uns auf einen abendlichen Stadtspaziergang – ebenso jedoch auf die folgenden Motorradtouren durch die Sächsische Schweiz und das Erzgebirge.
Aktualisiert am 10/05/2022 von Christian