Was kannst du bei einer Motorradtour auf der Deutschen Alpenstraße erleben? Hier steht alles dazu!
Geschätzte Lesedauer: 5 Minuten
Warum auf die Deutsche Alpenstraße?
Bleibe im Lande und nähre dich redlich – dieser Bibelspruch wurde zum Motto unserer zweiten Sommertour. Die Alpen kamen uns dabei in den Sinn, nach einigem Herumblödeln auch Alpenmilchschokolade und schließlich: die Deutsche Alpenstraße. Jahrelang waren wir auf diesen Gebirgszug nur von Nord nach Süd zugefahren (oder mitten drinnen herum). Aber so richtig von West nach Ost, immer an der deutschen Südgrenze entlang, das war uns dann doch neu.
Fahrerisch ist diese ab 1934 gebaute Ferienstraße hochinteressant: Von Lindau am Bodensee führt sie ca. 450 km im Zickzack-Kurs am Alpennordrand entlang bis ins Berchtesgadener Land. Bergstrecken (Oberjoch, Sudelfeld, Obersalzberg, Roßberg-Höhenstrecke) reihen sich an ihr auf, dazu die bayerischen Königsschlösser, turmalingrüne Bergseen und schattige Biergärten ohne Zahl. Steter Begleiter bleibt das majestätische Alpenpanorama, in das man über weite Strecken tief eintaucht. Ganz großes Kino!
Damit uns in diesen großartigen Film genug Muße zum Fahren und Schauen bleibt, haben wir die Gesamtstrecke in drei ungefähr gleichmäßige Etappen von ca.150 km aufgeteilt. Der Streckenbazillus wird auf der abschließenden Heimfahrt ohnehin zu seinem Recht kommen.
Lindau – Füssen
Die Beine behaglich unter einem Restauranttischchen am Lindauer Hafen ausgestreckt, lassen wir unseren Blick über den Bayerischen Löwen hinweg auf die abendlich sanft besonnte Alpenkette gleiten, der wir die nächsten Tage ostwärts folgen werden. Was wir noch nicht ahnen: Die Strecke wird noch viel reizvoller werden, als sie jetzt am Vorabend preisgibt.
Im Frühtau zu Berge, hinaus aus Lindau. Der Bodensee verschwindet allmählich im Rückspiegel und alle Aufmerksamkeit gehört nun der B 308 Richtung Lindenberg – Oberstaufen – Immenstadt – Sonthofen. Zu unserer Rechten zeichnet sich die Alpenkette in zartem Blaugrau gegen den strahlenden Morgenhimmel ab. Und schon ruft eine Serpentinenstrecke zwischen Lindenberg und Scheidegg zum Frühsport, wie wohltuend! Immer wieder öffnet sich der Blick auf die Berge, denen wir immer näher kommen.
Am Ufer des Alpsees vor Immenstadt haben zu früher Stunde schon Schwimmer, Surfer und Segler Stellung bezogen; wir beobachten ihr Treiben von der Terrasse eines Bäckereicafés aus, das wir für eine rituelle Coffeintransfusion und den Kauf der unvermeidlichen Leberkässemmeln für die Mittagspause aufgesucht haben. In Sonthofen gestattet uns eine rote Ampelphase einen ausführlichen Blick auf den Held-Flagship-Store (Östliche Alpenstraße 32, 87527 Sonthofen), doch leider brauchen wir nichts und hätten in unserem Gepäck auch keinen Platz für eventuelle Zukäufe. Also munter weiter, und ab Hindelang beginnt schon die Gashand zu kribbeln – der Oberjoch-Paß naht. Dem Walten einer gütigen Macht verdanken wir es wohl, daß die Serpentinenstrecke vor uns wie leergefegt ist. So ziehen wir ungestört 106 Kurven rauf und wieder runter, nicht ohne auf der Paßhöhe (1.136 m) Aussicht und Brotzeit zu genießen.
Neue landschaftliche Reize tun sich auf: Über Kilometer zwängt sich die Alpenstraße durch das baumbestandene Tal der Wertach, die wenig später in den aufgestauten Grüntensee mündet und sich bei Nesselwang wieder von unserer Tourenstrecke verabschiedet. Mit immer neuen Ausblicken gondeln wir auf Füssen zu und beziehen dort Quartier.
Die bayerischen Königsschlösser
Wer eine Motorradtour auf der Deutschen Alpenstraße absolviert und dabei die Königsschlösser Neuschwanstein, Hohenschwangau und Linderhof links liegen läßt, braucht sich wohl zu Hause nicht mehr blicken zu lassen. Problem dabei: Diese Sehenswürdigkeiten sind üblicherweise von Heerscharen asiatischer, amerikanischer und italienischer Touristen total verstopft. Deshalb unser
TIPP:
Ein Besuch der Schlösser selbst ist angesichts des Touristenandrangs durchaus verzichtbar. Wer will, kann sich eine Doku aus der Mediathek des Bayerischen Rundfunks ziehen oder sich den Syberberg-Film Ludwig II. ansehen.
Um trotzdem einen fotogenen Anblick zu erhaschen, fahren wir von Füssen nach Schwangau, biegen rechts auf eine kleine Landstraße Richtung Neuschwanstein ab, und schon tun sich zu unserer Linken die Königsschlösser in voller Pracht vor uns auf. Das reicht im Regelfalle. Am besten macht man das abends, wenn die meisten Touristen schon wieder weg sind.
Eine kurze Schlußetappe führt uns zum Lechfall am Südrand von Füssen, den man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Weil der Tag gar so schön war, lassen wir uns anschließend in einem romantischen Biergarten nieder und genießen – über zwei alkoholfreie Weizen hinweg – den Blick auf die Tannheimer Berge in letzter Sonnenglut.
Füssen – Lenggries
Von südlich Füssen bis Lenggries überrascht uns ein veritables Tourenwunder: Auf dieser Etappe von gehört die Straße ganz allein uns. Keine Karawanen italienischer Wohlmobile, keine Rentner im Kriechgang, keine LKW. Nur wir und vor und hinter uns – nichts. Mit beschwingten Walzermelodien im Sinn lasse ich Motor und Fahrwerk freien Lauf am kurvenreichen Ufer des Plansees entlang, der ins im Morgenlicht kaltblau entgegenglitzert.
Nach einer Tagesstrecke mit deutlich über 30° erfrischt uns der kühle Bergwald zum Ammersattel hinauf und wieder hinunter nach Linderhof. Dort gönnen wir uns für drei Euronen einen Slot auf dem noch weitgehend leeren Parkplatz und tapern durch den Park hoch zu dem Schlößchen, in dem sich der Bayernkönig einst in seinen Spintisierereien verlor. Wir aber bleiben im Diesseits, umkreisen Schloß und Park und setzen dann unsere Fahrt durch das Tal der Linder fort, die diesem Kleinod seinen Namen gegeben hat.
Dem Flüßchen folgen wir bis Ettal, wo wir im Biergarten der Klostergaststätte Schutz vor der brennenden Mittagssonne finden. Hier ist dezidierte Flüssigkeitsaufnahme angesagt, ergänzt von dem, was die bemerkenswert gute Küche zu bieten hat. Anschließend geht es hinüber zur opulent-barocken Klosterkirche. Zum Dank an die nette Familie, die uns in einem Dorf auf dem Weg nach Lindau mit dem hauseigenen Kompressor vor dem Plattfuß gerettet hat, zünden wir eine Kerze an und schicken ihr eine Ansichtskarte.
In Vorfreude auf die nun folgende Serpentinenstrecke hinunter nach Oberau setzen wir uns in Pole Position und rauschen hinab ins Loisachtal. In Garmisch befällt uns neben drückender Hitze auch noch ein Verkehrsstau, so daß wir leider den Besuch der Museumsvilla des Komponisten Richard Strauß von unserem Tagesprogramm streichen müssen.
Von Füssen bis Miesbach haben wir unsere persönliche Alpenstraße kartiert, die von der offiziellen Ferienstraße abweicht. Warum? Wegen Linderhof, das ist eh klar, und auch weil wir die Strecke am Walchensee und Kochelsee entlang schon gut kennen. Vor allem wollten wir aber die wunderbare Forststraße von Wallgau bis zum Sylvensteinsee fahren. Also 5 Euro Maut an die Bayerische Forstverwaltung berappt und das Sträßchen bis Vorderriß gehört uns. Wer sich in der Kunst der Münchener Schule ein wenig umgetan hat, findet hier ein déja vu. Eine Landschaft wie gemacht für romantisierende Maler.
Dann geht es weiter über den – jetzt im Sommer teilweise ausgetrockneten – Sylvensteinsee hinweg ins Isartal nach Lenggries. Nach einer durchschwitzten Fahrt machen wir in unserem Quartier erst einmal Anzugserleichterung und pirschen durch den Auenwald hinunter zur eiskalt rauschenden Isar. Auf einem Geröllstein sitzend und die Füße im erfrischenden Gebirgsfluß sehen wir auch heute einem schattigen Biergarten entgegen, der unseren Tourentag würdig ausklingen läßt.
Lenggries – Reit im Winkl
Da an der Tegernsee-Uferstraße in der Urlaubssaison kaum ein Durchkommen ist, schlagen wir einen nördlichen Bogen um diese Tourismus-Hochburg und treffen bei Hausham wieder auf die Deutsche Alpenstraße, die auf der weiteren Strecke als B 307 ausgewiesen ist. Schon glitzert uns der Schliersee entgegen – Zeit für eine Kaffeepause.
TIPP:
Wenn du an einen See kommst und ein schönes Plätzchen für eine Pause suchst, folge einfach Schildern wie „Bootsverleih“, „Bootswerft“ oder „Strandbad“. Da kommst du dann meist ohne größere Probleme ans Ufer und einen Snack.
Vom Schliersee aus geht es das Leitzachtal hinauf, wo hoch über dem Taleingang der Wendelstein (1.838 m) ein weiteres fahrerisches Schmankerl ankündigt: den Sudelfeldpaß (1.123 m), der eben dieses Leitzachtal mit dem Inntal verbindet. Eine geschickt genutzte Baustellenampel an der Westauffahrt verschafft uns freie Fahrt durch dieses Kurvenparadies, rauf und wieder runter, streckenweise bis zu 16 %. Auf dem Parkplatz an der Ostauffahrt legen wir eine Genußpause ein. Burnout-Streifen zieren in großen Schleifen die Teerdecke, während etliche Berg-Heizer in Endlosschleife bergauf und wieder bergab fahren. Das läßt uns verstehen, warum sich die radfahrende Gemeinde auf dieser Bergstrecke eher zurückhält.
Fahrerisch nicht weniger ansprechend ist die Strecke hinunter ins Inntal nach Oberaudorf. Von dort aus führt die Deutsche Alpenstraße eher kommod, aber stets mit wechselnd reizvollem Bergpanorama, über Bernau nach Marquartstein. Zum Abschluß unserer Etappe überqueren wir den Masererpaß (793 m), der zwar keine Super-Fahrkünste abfordert, dafür aber mit landschaftlicher Schönheit entschädigt.
In Reit im Winkl begeben wir uns ins Quartier und lassen auf dem holzgeschnitzten Balkon einen erfüllenden Tourentag mit Bergblick und hausgebranntem Obstler ausklingen.
Reit im Winkl – Königssee/Berchtesgaden
Taufrisch entläßt uns ein sonniger Morgen zu einer beschwingten Fahrt durch das Schwarzlofertal Richtung Ruhpolding, vorbei am Weitsee, Mittersee, Lodensee und dem Forchensee. Gegen die Frühsonne zeichnet sich der Rauschberg (1.671 m) ab. Wenig später markieren die Weißbachfälle den Eingang zur Weißbachschlucht, auch sie ein fahrerisches Schmankerl, zumal, wenn man die Kurvenfahrt ganz exklusiv genießen darf.
Obersalzberg
Das folgende Kapitel ist nicht allein einer fahrerischen Spezialität geschuldet, sondern auch unserem historischen Interesse. Von Berchtesgaden aus führt die B 319 in steilen Kurven hoch hinauf zum Obersalzberg, auf dem einst Hitlers Berghof thronte. Fahranfänger sollten diese Strecke besser etwas vorsichtig angehen, wenn sie das Anfahren am Berg und spitze Kehren noch nicht so beherrschen.
Oben auf dem Parkplatz angekommen belohnt den Fahrer dann aber ein weites Gebirgspanorama, von dem man nur sagen kann: atemberaubend. Die rauhe Berglandschaft präsentiert sich in einer ungestümen Wucht, die sicherlich mit der politischen Gewalt des früheren Berghofes korrespondieren sollte. Was mag der britische Premier Neville Chamberlain wohl empfunden haben, ein durch und durch städtischer Mensch, als er 1938 in einer fetten Mercedes-Limousine die Steilkehren hoch chauffiert wurde? Der Obersalzberg, ein deutscher Schicksalsberg.
Endstation: Königssee
Da wir etwas in Zeitverzug geraten sind, verschieben wir die anschließende Tour auf der Roßfeld-Höhenringstraße auf das nächste Mal. Stattdessen wenden wir uns friedlicheren Ambiente zu: Nach einer Talfahrt zurück nach Berchtesgaden biegen wir auf die B 20 in den Malerwinkel ein, der zum Königssee hinführt. Am Ende erwartet uns ein voll belegter Parkplatz so groß wie vor einem Bundesliga-Stadion, dankenswerterweise mit einem großen, schattigen Sonderbereich für Motorräder. Mit einem Anflug von Wehmut wandern wir schließlich 10 Minuten hinunter an das Ufer des Königssees, denn hier endet nun definitiv unsere Motorradtour auf der Deutschen Alpenstraße.
Fazit
Eine Motorradtour auf der Deutschen Alpenstraße vom Bodensee zum Königssee entfaltet auf ungefähr 450 Kilometern ein wunderbares Panoramabild dessen, was unser Land an landschaftlichen Schönheiten zu bieten hat. Dies alles läßt sich auf spannenden Strecken erfahren, die eigentlich zum Erlebnisinventar eines jeden Motorradreisenden gehören sollten.
Tourenstrecke
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.
Landkarten
ADAC-Regionalkarte Blatt 15 Allgäu Bodensee Schwäbische Alb, 1:150.000
ADAC-Regionalkarte Blatt 16 Oberbayern,1:150.000
Vertiefende Informationen
Homepage Deutsche Alpenstraße:
https://www.deutsche-alpenstrasse.de/de/startseite
Bau der Deutschen Alpenstraße:
Fischer, Josef: Entstehung, Linienführung und bauliche Ausgestaltung der Deutschen Alpenstraße, in: Die Straße, Heft 7 (1935), 208 – 212.
Chamberlain auf dem Obersalzberg:
Documents on British Foreign Policy 1919 – 1939, Third Series, Vol. 2, Chapter IX, 315 – 445.
Danksagung
Auf unserer Motorradtour auf der Deutschen Alpenstraße sind wir unerwartet vielen netten Menschen begegnet – an der Tankstelle, auf dem Parkplatz, am Nebentisch im Biergarten, im Hotel oder auf freier Strecke. Ihnen gilt unser herzlicher Dank für die anregenden, ermutigenden Gespräche und für ihr aufrichtiges Interesse an dem, was uns mit dem Motorrad umtreibt. Sie alle haben unsere Tour menschlich bereichert.
Aktualisiert am 11/09/2023 von Christian
ingold serafini
1. September 2023 at 17:23
Lieber Christian, für Holger und mich immer wieder ein Highlight Deine Berichte .Unglaublich Eure neuen Entdeckungen. Weiter so auch mit Fotos von Dir u.Christine gespickt.
Danke lieb.
Jürgen
1. September 2023 at 18:19
Vielen Dank für die schöne Beschreibung Eurer Tour über die Deutsche Alpenstraße. Ich hatte diese Tour vor ein paar Jahren allein abgefahren mit fast genau denselben Etappen. Es bleibt die Erinnerung an eine sehr schöne Tour. Viele beeindruckende Momente sind in meinem Gedächtnis geblieben. Vielen Dank für speziell diesen Fahrtbericht, er hat mir viel Freude bereitet.
Christian
2. September 2023 at 11:55
Hallo Jürgen,
ich freue mich, mit meinem Tourenbericht über die Deutsche Alpenstraße schöne Erinnerungen geweckt zu haben. Vielleicht wäre es interessant, die Strecke auch einmal in umgekehrter Richtung zu fahren. Oder Teile davon mit einer anderen Tour zu verbinden.
Viel Spaß noch und gute Fahrt,
Christian