Eine Motorradtour am Internationalen Frauentag an den Werbellinsee als Auftakt zur neuen Saison.
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Ein geschenkter Tourentag
8. März, Internationaler Frauentag – da werden Erinnerungen wach an zahlreiche Festivitäten, die ich in den Stammländern dieses Feiertages miterleben durfte: dürre rote Nelken, kalorienträchtige Süßwaren und reichlich Alkohol als flankierende Maßnahme. Den Herren der Schöpfung schien alles recht, um die Patroninnen dieses Ehrentages gebührend zu feiern. Unvergeßlich auch die adretten Kranführerinnen in einer Lokomotivenfabrik, die keinen Zweifel aufkommen ließen, daß sie die Kerle drei Etagen tiefer eisern im Griff hatten.
Die Stadt Berlin hat diesen einzigartigen Tag zum offiziellen Feiertag erkoren. Da zudem noch ein brillantes Frühlingswetter lockte, konnte die Parole nur lauten: rauf auf die Maschine, raus aufs Land. Eine Motorradtour am Internationalen Frauentag. Ohne Promille und – aus Gesundheitsgründen – leider auch ohne meine Frau und Sozia.
Unbeschwerter Saisonauftakt
Nach mehr als drei Regenmonaten erwacht neues Leben in mir: Der massige Vierzylinder zündet endlich wieder und inszeniert seinen sonoren Sound. Satt rastet der Gang ein; ich lasse den Kupplungshebel kommen, die Fuhre schiebt vorwärts. Ein Bewegungsgefühl kehrt wieder, das ich seit dem letzten Herbst schmerzlich vermißt habe. Die Straße hat mich zurück.
Ganz so, wie mein Vater es mir als Fahranfänger gepredigt hat: Ein Ohr gehört immer dem Motor. Auf den ersten Kilometern tun die Kolben mechanisch brav ihr Werk, bis sich dann jener seidige Rundlauf einstellt, der stete Fahrfreude für den Rest des Tages verheißt. Diese Geschmeidigkeit läßt mich förmlich spüren, wie die diversen Öle in ihrer Betriebstemperatur aufgehen. Alles so, wie es sein soll.
Auch bei mir: Die Fahrhaltung hat sich in meine Neuronen eingebrannt. Die Fahrhandlungen verlaufen synchronisiert und schwerelos; die unverzichtbaren Automatismen sind zuverlässig am Werk; Reaktionen und Reflexe kommen prompt.
Als ich mein kurviges Zielgebiet erreiche, bin ich froh um mein Beweglichkeitstraining, das ich den Winter über absolviert habe. Die Wirbelsäule ist in allen Teilen flexibel, die Hüfte mobil und die Handgelenke sind locker. Da kann ich es mir nicht verkneifen, gleich dreimal den autofreien Kreisverkehr zu umrunden und ein paar Geschicklichkeitsübungen auf dem leeren ALDI-Parkplatz zu machen. Wie ein Fohlen, das man endlich aus der Box auf die Weide gelassen hat.
Vorfrühlingsstimmung
Da alles so schön rund läuft, kann ich mit Muße die aufkommende Frühlingsstimmung genießen: sprießende Saat, Seen und Kanäle hinter den noch unbelaubten Waldstreifen und auf den Feldern Kraniche, die als winterliche Stammgäste bei uns geblieben sind.
Zu meiner nicht geringen Verwunderung bin ich ein lonesome rider auf meiner Strecke. Vielleicht sind frische 5° am Morgen nicht nach jedermanns (oder jeder Frau?) Geschmack. Auch die Rennleitung macht sich merkwürdigerweise rar. Mich soll’s nicht stören. Die Landstraße, die sich am sonnenbeglänzten Werbellinsee entlangwindet, habe ich heute Morgen ganz für mich, samt Wasserpanorama und lichtem Wald, durch den sich die Sonnenstrahlen ihren Weg bahnen.
Wäre ich nicht so mollig eingepackt, würde ich glatt erschauern beim Anblick der neoprenumhüllten Menschen, die zu Tauchgängen ins eiskalte Wasser waten. Da ist es der emsig radelnden Zunft am Uferweg dann doch wärmer.
Ein geschichtsträchtiges Revier, das ich hier durchkreuze: Früher ging Kaiser Wilhelm hier auf die Jagd, später das Zentralkomitee. Ein Wegweiser zum ehemaligen Jagdschloß Hubertusstock erinnert daran, daß hier im November 1981 Helmut Schmidt und Erich Honecker zusammentrafen.
An dem eigens für Wilhelm II. gebauten Kaiserbahnhof in Joachimsthal biege ich ab Richtung Grumsin, einen der größten Buchenwälder Deutschlands. Vorher lasse ich mich aber auf einer Anhöhe mit Blick über den Grimnitzsee nieder, um in der ersten Sonnenwärme dieses Monats mein Picknick zu genießen.
Nur ungern, aber getröstet durch die Aussicht auf das weitere Fahrerlebnis kehre ich in die Zivilisation zurück – an das Ostufer des Werbellinsees. Hier tummeln sich bereits die Berliner Feiertagsausflügler an einem beliebten Fischrestaurant. Ich markiere es als Zwischenstopp für eine künftige Tour Richtung Osten an und über die Oder. Ebenso die Grumsiner Brennerei, die heute wegen des derzeitigen Fastenregimes unbesucht bleiben muß.
Wehmütige Erinnerungen
Weil die Strecke gar so schön war an diesem Internationalen Frauentag fahre ich sie in umgekehrter Richtung zurück. Der Verkehr ist zwar etwas lebhafter geworden, aber immer noch sehr mäßig, so daß ich es unbeschwert rollen lassen kann.
Einziger Wermutstropfen an diesem wunderbaren Tourentag: mein abschließender Besuch an der Tankstelle. An die Ziffer „2“ vor dem Literpreis werden wir uns wohl oder übel gewöhnen müssen. Als ich vor langer Zeit mit dem Motorradfahren anfing, zahlte ich für den Liter „Normal“ (verbleit) 50 Pfennig. Soviel, wie man damals bei einer Stunde Bälle aufheben auf dem Tennisplatz verdiente. Heute bekommen Balljungen mehr als das Zehnfache. So gesehen ist der Sprit sogar leistbarer geworden. Aber ich will dieses Glasperlenspiel nicht überstrapazieren, nach so einem tollen Tag.
Fazit
Auch wenn man ganz alleine auf eine Motorradtour am Internationalen Frauentag geht – die Frauen verdienen es, gefeiert zu werden. Nicht nur nach Rückkehr von der Strecke, sondern jeden Tag. Lassen wir uns also was einfallen!
Aktualisiert am 10/03/2022 von Christian