Motorrad Reiseblog mit Touren, Tipps & Tricks

Richtige Motorradbekleidung bei Kälte

Ratgeber für die richtige Motorradbekleidung bei Kälte, damit auch eine winterliche Tour zu einem schönen Erlebnis wird. Was mußt du beachten?

Geschätzte Lesedauer: 6 Minuten

Was zählt: Richtige Motorradbekleidung bei Kälte

An einem kalten, bleigrauen Spätnachmittag endet meine winterliche Motorradtour in der heimatlichen Garage. Die Maschine steht wieder auf dem Hauptständer. Ich recke meine müden Knochen und lasse noch einmal die Eindrücke des Tages an meinem inneren Auge vorüberziehen: leergefegte Landstraßen, freudloser Himmel, Melancholie bis an den Horizont. Aber auch eine wunderbare Dynamik des Fahrens, die das winterliche Grau vergessen läßt. Wie kalt es auf den zurückliegenden dreihundert Kilometern wirklich war, wird mir erst so recht bewußt, als ich Helm und Sturmhaube abziehe und die milde Garagentemperatur meine Backen rot färbt.

Der bullige Motor, der jetzt im Abkühlen neben mir tickt, war mir ein willkommener Wärmespender, genau wie die Griffheizung und der starke Tee aus meiner Thermosflasche. Mehr aber noch hat mich meine praktisch-warme Motorradbekleidung bei der Kälte vor einem Tourenblues bewahrt, der mich wohl auf halber Strecke hätte umkehren lassen.

Wie schaffe ich es, auf meinen  Wintertouren dauerhaft warm zu bleiben?

Meine Wärmestrategie

Früher habe ich es mir einfach gemacht: Winterfutter in die Kombi eingezogen,  lange Unterwäsche an und einen Pullover drüber. Fertig.

Das kann man so machen. Aber es hat in der Praxis zwei entscheidende Nachteile:

  1. Das Winterfutter plustert die Kombi auf, macht sie unhandlich. Ich komme mir so plump darin vor wie ein Hustinetten-Bär.
  2. Auch wenn ich gerne und so lange wie möglich in meiner klassischen zweiteiligen Lederkombi fahre – sie ist zwar schön winddicht, aber bei tieferen Temperaturen bietet sie nur einen unzureichenden Wärmeschutz.

Damit der Fahrspaß nicht bei tiefen Temperaturen erstarrt, habe ich meine Motorradbekleidung bei Kälte optimiert. Inspirierend waren da meine Herbsttouren in Rußland, wo es meist schon Ende Oktober zu schneien beginnt. Von verschiedenen Outdoor-Aktivitäten habe ich mir Bekleidungs- und Ausrüstungstipps abgeschaut und an meine persönlichen Bedürfnisse beim Motorradfahren angepaßt.

Allerdings gibt es dabei einen bedeutsamen Unterschied zu beachten: Während Bewegungssport in kühler Umgebung (Skifahren, Eislaufen) den Körper aufwärmt, spielt der „Schutz gegen Schwitzen“ beim Motorradfahren im kaltem Fahrtwind keine Rolle. Meine Bekleidungsstrategie soll deshalb Wind und Feuchtigkeit draußen halten, die mollige Körperwärme aber drinnen unter der Kombi.

Bei der Zusammenstellung der richtigen Motorradbekleidung bei Kälte ist mir deshalb folgendes wichtig:

  1. Wie organisiere ich mir einen optimalen Wind- und Wärmeschutz?
  2. Welches Material verwende ich am besten dazu?
  3. Bei welchen Bekleidungsstücken setze ich das jeweilige Material ein?
  4. Was brauche ich sonst noch, um mich auf der Tour warm zu halten?

Schalenkonzept für Wind- und Wärmeschutz

Daraus folgend habe ich speziell für meine Motorradbekleidung bei Kälte ein Zwiebelschalenkonzept entwickelt, das winddicht ist und mich warm hält, aber nicht zu sehr aufträgt. Revolutionär neu ist das nicht, aber es vereint etliches, was sich bei „sitzenden“ Winteraktivitäten (z. B. Motorschlittenfahren, Nachtansitz auf der Winterjagd) bewährt hat.

Mein Wind-/Wärmeschutz besteht aus drei Lagen mit jeweils einer besonderen Funktion:

  • Innere Lage = Wärmeschicht
    Sie wird direkt auf der Haut getragen (Unterwäsche, Strümpfe) und besteht aus einem wärmenden Material, das ein molliges Tragegefühl vermittelt. Der Markt bietet eine Fülle von Bekleidungsstücken, die sich für das Motorradfahren bei tiefen Temperaturen eignen. Abzuraten ist jedoch von Baumwolle (z. B. irgendwelche T-Shirts), die weniger Wärmeschutz bietet und darüber hinaus unnötig Feuchtigkeit speichert.
  • Mittlere Lage = Isolierschicht
    Sie wird über der Unterwäsche getragen und hält die Wärme schön am Körper. Wie dick sie zu sein hat, richtet sich nach der herrschenden Außentemperatur. Im goldenen Herbst kann noch eine Fleecejacke ausreichen. Wird es kälter, leistet eine HighTech-Softshelljacke (aus dem Trekking-Bereich) gute Dienste.
  • Äußere Lage = Wetterschutzschicht
    Das ist unsere Kombi, die mit funktionaler Außenschicht und integrierter Membran den Wetterschutz gegen Wind und Regen übernimmt.

Materialien

Nie zuvor bot der Bekleidungsmarkt so viele Materialien, Verarbeitungskonzepte und Kombinationsmöglichkeiten für den Freizeitbereich, zu dem auch das Motorradfahren gehört. Damit kann jeder passend genau auf ein hochwertiges Angebot zurückgreifen. Was hat sich bei mir bewährt?

Wolle oder Synthetik?

Bei aller Wertschätzung der technischen Vorteile von Kunstfaserprodukten bevorzuge ich bei der Wärmeschicht auf der Haut die althergebrachte Merinowolle, denn sie

  • ist besonders fein und weich und kratzt nicht auf der Haut,
  • isoliert gut gegen Kälte,
  • transportiert Feuchtigkeit,
  • behält die Passform,
  • lädt sich nicht elektrostatisch auf,
  • ist biologisch abbaubar.

Der große Vorteil von Synthetikwäsche – das schnelle Trocknen nach dem Waschen während der Tour – kommt bei meinen Wintertouren nicht zum Zuge: Bei Kältegraden komme ich kaum durchgeschwitzt nach Hause und Mehrtagestouren mit Wäsche waschen unterwegs sind in dieser Jahreszeit eine seltene Ausnahme.

Leder oder Textil?

Das ist nicht nur eine Geschmacks-, sondern in erster Linie auch eine Wetterfrage. Zugegebenermaßen: Lederklamotten verströmen beim Motorradfahren einen unverwechselbaren Charme, bestechen durch ihre unverwüstliche Optik und haben einen tollen Tragekomfort – solange das Wetter mitmacht. Leder ist winddicht, isoliert gut und ein Wärmeschutzschild darunter läßt sich (siehe oben) leicht installieren. Aber wenn’s zu regnen beginnt, hört halt der Spaß auf. Bei allen Vorzügen, die Leder hat, ist es doch kaum ganz wasserdicht zu bekommen.

Wetterprobleme hat man dagegen mit Hightech-Textilklamotten nicht. Da sind halt Materialien wie Goretex und Co. unschlagbar.

Für mich gilt deshalb: Leder, solange es die Witterung zuläßt und keine Regenwolken am Horizont dräuen. Im Zweifelsfalle aber eine hochwertige wind- und wasserdichte Textilkombi, bei der ich jedoch aus Gründen des Tragekomforts auf das voluminöse Innenfutter verzichte.

Pullover: die wärmende Isolierschicht

Der Pullover zählt wohl zu den Kleidungsstücken, bei denen jeder seine besondere Vorliebe hat. Oft hat er sich im Outdoor-Einsatz bewährt, manchmal ist er von liebender Hand gestrickt – wie auch immer. In dieser Saison habe ich aber umgestellt und bin unter „Arbeitsbekleidung“ fündig geworden: Was für Gerüstbauer und Asphaltierer bei Kälte gut ist, kann für uns Motorradfahrer nicht schlecht sein. Ich liebe dieses Teil, einen gut isolierenden Fleecepullover, „verkehrsrot“, mit wärmendem hohen Kragen und Abschlußbündchen an Taille und Ärmeln gegen den kalten Wind. Dazu hat er noch Reißverschlußtaschen an der Brust und an den Seiten für die diversen Kleinigkeiten, die man bei einer Wärmepause unterwegs braucht.

 

Winterhandschuhe

Motorradbekleidung bei Kälte: Handschuhe und Mütze

Griffheizung hin oder her – kaum etwas ist auf Tour unangenehmer als kalte Flossen. Aber dafür halten ja die einschlägigen Verdächtigen ein reichhaltiges Angebot an Winterhandschuhen bereit.

Mein Schichtsystem habe ich auf die Handschuhe übertragen: Ich habe meine handelsüblichen Winterhandschuhe eine Nummer größer gekauft und trage darunter ein Paar dünnere Isolierhandschuhe, die ich einmal bei einem amerikanischen Ausrüster an Land gezogen habe. Diese Kombination hält einerseits die Fingerchen schön warm, läßt andererseits aber kein klobiges Gefühl an den Griffhebeln aufkommen. Dagegen kann Väterchen Frost nichts ausrichten.

Stiefel

So gerne ich mit meinen bewährt bequemen und top-verarbeiteten Daytona-Stiefeln fahre, bei Winterfahrten schraube ich meine Anforderungen in puncto (Wärme-)Schutz um einiges höher. Auch wenn ich hin und wieder komische Blicke ernte, wenn ich mit meinen Bundeswehrstiefeln auftauche – aber nach 300 km sind meine Zehen nicht so kalt wie jene der Lästerer. Da grinse ich mir eins, und zwar mit gutem Grund: Was den Wetter-, Wärme- und Nässeschutz anbetrifft, erfüllen sie die Anforderungen nach STANAG 2333, und hinsichtlich des Schutzes liegen sie über STANAG 2920. Wer sich für einen Vergleichstest aller in der NATO eingeführten Stiefel interessiert, findet ihn hier. Nicht zu vergessen: Solche Stiefel sind (schon aus Mengengründen) meist günstiger als Motorradstiefel vergleichbarer Qualität.

Kniestrümpfe

Für die Strümpfe gilt das Gleiche die für die Unterwäsche: Merinowolle, fein und dicht gestrickt (am besten mit 2er Nadeln). Hier hat sich meine Schwiegermutter bleibende Verdienste erworben. Sie strickte gerne, viel und gut und würde sich sicher heute noch freuen, wie sehr ihre Strümpfe auf dem Motorrad zu Ehren kommen.

Halsschutz

Von einer Wintertour mit kratzigem Hals zurückkommen und dann womöglich noch in der HNO-Praxis landen mag natürlich niemand. Ein mollig warmer Hals auf der Fahrt schafft Wohlbehagen. Dafür sorgt einmal die Sturmhaube. Mehr aber noch ein Traditionsstück unserer Familie. Von meinem Vater habe ich einen weißen „Fl. Halsschal“ geerbt, den er (laut Eintrag im Soldbuch) am 23.09.1941 empfangen hatte. Das Teil hat Tausende von Flugstunden hinter sich und mit mir auf dem Motorrad nochmal zig-tausend Kilometer. Es muß nicht unbedingt eine solche Antiquität sein. Aber ein weicher, winddichter Halsschal sollte zur Winterausrüstung gehören. Gegenüber dem Schlauchschal (gut für die Übergangszeit) hat er den Vorteil, daß man ihn sich bequem in der Kältebrücke zwischen Helm und Kombi einrichten kann.

Rücken-/Nierenwärmer

Wer in der unteren Rückengegend empfindlich ist, sollte unter dem Unterhemd einen Rückenwärmer tragen.  Seine Wärme entspannt die Muskulatur im Lendenwirbelbereich beim Fahren mit dem Motorrad. Dies hilft, Verspannungen zu vermeiden oder aufzulösen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß der Rückenwärmer aus dem Sanitätsfachhandel wesentlich dünner ist und weniger aufträgt als die Nierengurte, die wir aus dem Motorradbereich kennen.

Filzsohlen

Auch wenn das Gefühl kalter Füße durch ihre Nähe zum heißen Motorblock gemildert wird, kann man noch einen drauflegen: Im Winter rüste ich in meine (Winter-)Motorradstiefel mit Filzsohlen aus, die ich auf einem russischen Bauernmarkt gefunden habe. Was Wärme anbetrifft (nicht nur von innen), da sind die Russen echte Fachleute.

Rollstrickmütze

Der Helm hält, zusammen mit der Sturmhaube, auf einer kalten Wintertour den Schädel warm. Was aber, wenn man unterwegs eine Pause einlegt, um sich aus der Thermosflasche mit einem Heißgetränk zu laben? Ohne Kopfbedeckung wird das bei zugigem Wind verdammt ungemütlich. Da leistet eine warme Rollstrickmütze unschätzbare Dienste. In der Jackentasche, im Staufach des Motorrades oder im Tankrucksack findet sie immer ein Plätzchen.

Damit während der Pause die Finger nicht klamm werden, empfehle ich – siehe oben – meine Zwei-Handschuh-Methode: Der Winterhandschuh wird ausgezogen und der dünne Unterhandschuh anbehalten. Er ist dünn genug für die Handhabung der Marschverpflegung und gleichzeitig warm genug, um die Fingerchen während der Pause nicht auskühlen zu lassen.

Taschenwärmer

Taschenwärmer mit Heizelementen als Ergänzung zur Motorradbekleidung bei Kälte

Genau wie beim Ansitz auf der Winterjagd sitzt man auch auf dem Motorrad stundenlang in der Kälte. Diese greift erfahrungsgemäß zuerst an den Oberschenkeln an. Da helfen Großvaters Wärmenöfchen in der Tasche der Kombihose. Einmal angeglüht, halten die Brennelemente eine Tagestour gut durch und spenden wohlige Wärme in einer überaus empfindlichen Körperzone.

 

Aktualisiert am 21/10/2021 von Christian

Comments (6):

  1. Thomas Titsch

    27. November 2020 at 12:47

    Sehr interessanter Artikel. Welche BW-Stiefel sind gemeint, die Schnürstiefel oder die Marineboots?

    Antworten
    • Christian

      27. November 2020 at 14:22

      Hallo Thomas,
      schön, daß dieser Beitrag Dein Interesse gefunden hat. So war es ja auch beabsichtigt. Ich habe gute Erfahrungen mit den Schnürstiefeln gemacht (Ausführung Heer und Luftwaffe) und noch nie kalte oder nasse Füße darin bekommen. Kleiner Tipp nebenbei: Die Vorgängerstiefel habe ich – da ich zufällig gerade in der Gegend war – direkt beim Hersteller gekauft. Fa. Bergmann in Kevelaer https://www.fabrikverkauf.com/outlet/35/schuhfabrik_bergmann_outlet_kevelaer.html An einem ruhigen Tag bin ich mit dem Lagerverwalter durch die Regalreihen gegangen. Er hat mit das in Größe und Fußbreite passende Paar (2. Wahl, mit mikroskopisch kleinen Macken) herausgesucht. Top-Kauf.
      Viele Grüße und gute Fahrt
      Christian

      Antworten
  2. dirk

    29. Dezember 2020 at 13:23

    Ich habe mir jetzt bei „Bundeswehr und mehr“ die Bundeswehr Motorradstiefel bestellt, die sind aktuell im ANgebot. 129 euro statt knapp 300 ..

    Antworten
    • Christian

      31. Dezember 2020 at 11:54

      Viel Spaß mit den neuen Tretern, die sicher auch ohne Motorrad ihren Nutzen beweisen werden. – Guten Rutsch, viele Grüße und viele schöne Kilometer im neuen Jahr!

      Antworten
  3. mokani

    25. Januar 2022 at 19:49

    informativ. unprätentiös. hilfreich. vielen dank 🙂

    Antworten
    • Christian

      25. Januar 2022 at 20:48

      Ich freue mich, daß mir das gelungen ist. Vielen Dank für den Kommentar und beste Grüße,
      Christian

      Antworten

Ich freue mich über Deinen Kommentar:

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.