Was bewegt mich in dieser unselig langen verregneten Motorrad-Winterpause? Wie überstehe ich die Wartezeit bis zum Saisonbeginn?
Geschätzte Lesedauer: 4 Minuten
Im traurigen Monat November war′s,
Die Tage wurden trüber,
Der Wind riß von den Bäumen das Laub,
Da reist ich nach Deutschland hinüber.
— Heinrich Heine, Deutschland. Ein Wintermärchen (1844)
Langsam reicht’s mir
Selten hat mich eine Motorrad-Winterpause so angegriffen wie in dieser Pandemiesaison 2021/22. Weniger wegen der fortwährenden Beschränkungen. Die sind ja Kollektivschicksal und wir haben inzwischen lernen müssen, irgendwie mit ihnen zurechtzukommen. Vielmehr ist es die endlose Trübsal, die sich zwischen den beiden Saisons (komisches Wort, stimmt aber offensichtlich so) breit gemacht hat. Warum fällt mir die Motorrad-Winterpause dieses Jahr besonders schwer?
Ein Vierteljahr nichts als Regen
Mitte November 2021 bricht mein Fahrtenbuch abrupt ab. Mit der letzten Tankfüllung nach der Abschlußtour – damals noch zu Preisen, von denen wir heute nur träumen können. Was dann folgte, war nichts als Regen, der gefühlt bis heute andauert. Wie der Wetterrückblick bestätigt, war es seit einen satten Vierteljahr permanent entweder zu naß und/oder zu kalt, um bei einer Tour – sei sie auch noch so kurz – Abwechslung und Entspannung finden zu können.
Morgen für Morgen dräut mir beim Öffnen der Jalousie ein finsterer Himmel entgegen. Panzergrau, RAL 7021. Das Schlafzimmerfenster ist mit Regentropfen besprenkelt oder mit Eisblumen überzogen. An Motorradfahren ist da nicht zu denken, auch wenn mir Regen und Kälte beim Motorradfahren im Grunde wenig ausmachen. Aber für einen nur halbwegs freundlichen Tag in diesen Wochen nähme ich sogar mit einer Spritztour auf einer Simson Schwalbe Vorlieb. Doch es soll nicht sein, schon seit einem Vierteljahr. Was also tun?
Tourenträume
Die Motorrad-Winterpause schenkt mir, wie vielen anderen auch, Zeit für die Tourenplanung der kommenden Saison. Landkarten werden ausgebreitet, Reiseführer gewälzt, Netzbeiträge nach brauchbaren Streckenvorschlägen durchforstet. Anfangs genießt man noch die winterliche Heimeligkeit, wenn der Regen gegen das Fenster prasselt und der Kaffee in der Tasse dampft. Wenn verwunschene Kurvenstrecken, sonnige Meeresküsten und silbergraue Olivenhaine auf dem Bildschirm aufscheinen. Viel zu schnell hat im Planungseifer die Strecke Gestalt angenommen und ist im Navi eingespeichert. Irgendwann sollte man ja endlich loslegen dürfen. Wenn der ewige Regen irgendwann einmal aufhören sollte …
Mit der Zeit legt sich das endlose Warten aufs Gemüt. Dazu wogt mir, während ich dies schreibe, aus den Lautsprechern das Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Symphonie entgegen. Wunderschöne Musik, aber zutiefst melancholisch. Die Filmmusik aus dem Tod in Venedig. Auch nicht gerade erheiternd.
Beschäftigungstherapie?
Um die Trübsal zu verdrängen, wäre natürlich Schrauben in der regengeschützten Garage eine gute Idee. Aber an meiner Maschine mit dem Gütesiegel der letzten Inspektion und taufrischem TÜV gibt es nichts zum Schrauben. Die dunkle Plane liegt auf ihr wie ein Totenhemd. Wenn die Kräder Trauer tragen, frei nach dem ähnlich lautenden Titel eines Horrorfilms.
Lesen
Ein ungläubiges Schmunzeln überkommt mich immer dann, wenn Leute mich glauben machen wollen, sie könnten den langen grauen Regenwinter sehr wohl mit geruhsamer Lektüre überstehen. Mag sein, auch ich lese nicht ungern und habe mir in dieser Motorrad-Winterpause einige gute Sachen reingezogen. Auch Motorradliteratur; aber damit landen wir wieder bei der eingangs beschriebenen Tristesse. Schließlich sind wir Motorradfahrer doch (vermute ich mal) eher extrovertierte Menschen, die es hinauszieht auf die Straße, die aktive Abwechslung suchen und die etwas erleben wollen. Da ist ein Buch eher Anregung zu etwas als Dauerbeschäftigung mit etwas.
Auch die winterliche Lektüre der Motorradmedien ist nicht besonders ersprießlich: Vieles liest sich dort wie frisch aus den Pressemappen der einschlägigen Hersteller. Und je weiter der Winter fortschreitet, desto mehr verlieren sich die Tourenberichte in ferne Gegenden. Mancher Motorrad-Normalo wird da grübelnd die Augenbrauen hochziehen, zumal sich die Sicherheitslage vielerorts verschlechtert. Träume sind Schäume.
Fitness
Ein Gutes hat diese Zeit – wie die Pandemie insgesamt – für mich auf jeden Fall: Ich nehme es inzwischen ernst mit der körperlichen Fitness. Gerade in einer Phase, in der man ohnehin zu wenig Bewegung hat, kommen Beweglichkeit, Stabilität und Kraft häufig zu kurz. Fit für die neue Motorradsaison zu werden ist für mich dabei die stärkste Motivation.
Nur Geduld!
Mit hochgeschlagenem Kragen quäle ich mich hinaus zu einen Winterspaziergang. Und was höre ich in unserer Allee? Eine fröhliche Vogelstimme. Der erste Frühlingsbote. Ein gutes Vorzeichen, daß es doch bald wieder losgeht. Nur noch ein bißchen warten. Wie sagen die Russen in so einer Situation? Halte nur durch, Kosak. Dann wirst du bald wieder im Sattel sitzen. Daß wir darauf nicht allzu lange waren müssen, wünsche ich uns allen.
Aktualisiert am 13/02/2022 von Christian
Frau Mirtana
13. Februar 2022 at 18:15
Du bist nicht alleine, ich warte auch sehnsüchtig darauf, meine Maschine endlich aus dem Winterschlaf holen zu können. Hier regnet es gefühlt seit November in einer Tour und wenn es nicht regnet, dann hat es Frost und Straßenglätte – die einzigen Gründe, warum ich die Maschine dann doch lieber in der Garage lasse.
Leider ist unsere Garage weder warm noch windgeschützt, da macht das Schrauben wenig Spaß wenn einem die Finger am Werkzeug festfrieren … Wird Zeit für Frühling, der Winter war grau, nass und lang genug 😉
Christian
14. Februar 2022 at 15:59
Der Wettergott scheint mich erhört zu haben: Heute hatten wir einen wunderbaren Frühlingstag. Mit Fahren war aber nichts, denn ich hatte meine liebe Sozia zu einem schönen Valentine’s Lunch eingeladen. Das hat halt Vorrang. Viele Grüße, Christian
Lukas Kiermeyr
14. Februar 2022 at 13:24
Christian Danke. Du sprichst mir aus der Seele. Ich plane auch schon wieder und hoffe, dass ich etwas davon verwirklichen kann. Ich wünsche Dir weiterhin gute Gesundheit und „baldiges Aufsitzen“.
Christian
14. Februar 2022 at 15:44
Prompt hatten wir heute, am Valentinstag, ein prachtvolles Frühlingswetter, ideal für die erste Jahrestour. Aber ich hatte meine Frau zum Mittagessen eingeladen. Und eine wunderbare Sozia läßt man nicht einfach sitzen. Das hätte sie nicht verdient. Also warten wir auf das nächste Zwischenhoch. Viele Grüße und eine möglichst kurze Wartezeit,
Christian