8 Goldene Regeln für den Motorrad-Saisonstart verhelfen zu ungetrübten Tourenfreuden. Was muß ich tun? Was muß ich beachten?
Motorradfahrer vor Gericht
Vor einiger Zeit war ich vor Gericht geladen. Als Zeuge in einem Verfahren zu einem häßlichen Motorradunfall, den ich aus nächster Nähe miterlebt hatte. Die Besonderheit des Unfallhergangs führte dazu, daß unversehens ich derjenige war, der im Kreuzverhör des Richters und der involvierten Versicherungsanwälte stand. Der unfallbeteiligte Motorradfahrer saß unterdessen sehr kleinlaut auf der Nebenbank.
Für mich selbst war diese Gerichtsverhandlung eine Lehrstunde erster Güte. Nicht nur, weil ich zu Einzelheiten des verkehrsangepaßten Verhaltens befragt wurde, sondern auch weil die angemessene Vorbereitung des Fahrers auf den Motorrad-Saisonstart zur Sprache kam.
Der Unfall hatte sich an einem sonnigen Tag ereignet, kurz nachdem die 03/er Kennzeichen freie Fahrt erhalten hatten. Einige wichtige Erkenntnisse aus diesem Lehrstück möchte ich gerne mit euch teilen.
Hochsaison für Rettungskräfte
Da ich in der Einflugschneise zu einem großen Unfallkrankenhaus wohne, erwachen diese Erinnerungen jedes Mal, wenn der gelbe Hubschrauber über mein Haus fliegt. Hochsaison ist regelmäßig beim Motorrad-Saisonstart. An sonnigen Wochenenden sowieso. Das bestätigen die Rettungssanitäter, mit denen ich in der Stadt ins Gespräch komme. Was sie in der Schichtpause von ihren Einsätzen erzählen können, klingt für uns Motorradfahrer abschreckend.

Mit steigenden Zulassungszahlen steigt auch die Zahl der Motorradunfälle und der getöteten Motorradfahrer. | Quelle: Destatis
Wenn ich von der Vorbereitung auf den Motorrad-Saisonstart spreche, geht es mir also nicht um Pflege und Wartung der Maschine. Es geht mir vielmehr um die umfängliche Wiedererweckung des Fahrers nach der Winterpause für viele schöne, unfallfreie Kilometer in der neuen Saison.
Worauf kommt es also beim Motorradfahrer an? Hierzu habe ich u. a. aus dem Gerichtsverfahren die folgenden acht Goldenen Regeln mitgenommen:
8 Goldene Regeln für den Motorrad-Saisonstart
1. Bereite dich mental auf die Saison vor
Beim Motorrad-Saisonstart müssen wir erst einmal unsere Ungeduld bezähmen. Diese Ungeduld ist durchaus verständlich. Schließlich hatten wir während der dunklen Winterzeit keine (ausreichende) Gelegenheit, unsere Reflexe, unser Reaktionsvermögen und unser automatisiertes inneres Reaktionsprogramm beim Motorradfahren zu trainieren.
Damit fehlt uns meist noch die nötige mentale Fitness, die uns im Ernstfall in Millisekunden vor der Katastrophe rettet. Zwar kommt sie in der Regel mit zunehmender Übung zügig wieder. Wie aber schaffe ich schon vorher mental meine Vorbereitung auf den Motorrad-Saisonstart?
Mein Einstieg dazu ist das Kopfkino. In einer ruhigen Stunde auf dem Sofa lasse ich eine ganz normale, vertraute Tour vor meinem inneren Auge ablaufen: Fertigmachen, Check der Maschine, Sitzgefühl im Sattel, Anlassen und Motorengeräusch, Hinausfahren auf die Straße, Kreuzungen und Kreisverkehre, Bremsen, Anhalten, Weiterfahren – alles, was dazugehört.
Jede dieser Handlungen fühle ich ganz bewußt nach, korrigiere mich dabei, wiederhole den Vorgang. Immer und immer wieder. Genauso, wie es japanische Zen-Bogenschützen machen. Mentale Vorstellung und Handlung verschmelzen dabei in eines.
Diese Vorstellungen fließen in alle weiteren Schritte der Vorbereitung auf den Motorrad-Saisonstart ein. Und das in jeder Phase, immer nach dem Grundsatz:
Der Laie übt so lange, bis er etwas kann.
Der Profi trainiert so lange, bis er keine Fehler mehr macht.
2. Stärke deine Konzentration
Die Bedeutung der Konzentration für das Motorradfahren habe ich hier in einem besonderen Beitrag dargelegt. Üben müßte man dafür eigentlich nicht extra. Denn unsere Arbeit und viele wichtige Dinge, die wir tun, verlangen unsere Konzentration. Andererseits kann es nie schaden, sich ein Übungsprogramm zurechtzulegen. Das kommt dann auch dem Motorradfahren zu Gute.
3. Werde / bleibe körperlich fit
Viele spüren das: Während des langen, unfreundlichen Winters sind zahlreiche Muskelpartien außer Übung geraten, die wir für ein geschmeidiges und damit auch sicheres Motorradfahren dringend brauchen. Um diesen Mobilitätsverlust nachzuvollziehen, reicht es, sich auf die (aufgebockte) Maschine zu setzen, die gewohnte Fahrhaltung einzunehmen und den eigenen Muskelapparat durchzuscannen.
Wie steht es um die Beweglichkeit des Nackens, der Schulterpartien, der Brustwirbelsäule, der Hüfte? Stellen sich mit den ungewohnten Bewegungen auch ungewohnte Gefühle ein? Fühlst du dich fit und beweglich genug für die nächsten 32 Serpentinen, für den Schulterblick an der Autobahnauffahrt oder für ein gelenkiges Ausweichmanöver?
Spätestens jetzt wird es Zeit, den Körper wieder in Schwung zu bringen. Denke daran: Die nötige Körperkraft zu besitzen ist sicher wichtig bei einer Maschine, die gut und gerne das Gewicht von drei bis vier Waschmaschinen auf die Waage bringen kann. Aber Kraft ist nicht alles.
Wichtig für den Start in die neue Saison ist vor allem auch die Mobilisierung des Muskelapparates und eine gezielte Schulung des Gleichgewichts. Über die Bedeutung der körperlichen Fitness für das Motorradfahren habe ich einen besonderen Beitrag geschrieben. Lest doch mal nach.
4. Frische deine Fahrtechnik auf
Damit sind Körper, Geist und Seele auf den Motorrad-Saisonstart vorbereitet. Bis zum erlösenden Druck auf den Anlasserknopf bleibt aber noch Zeit, um sich (über)lebenswichtige Fahrtechniken ins Gedächtnis zurückzurufen. Wie war das nochmal mit dem Bremsen in der Kurve? Oder mit dem Fahren bei Nässe? Traue ich mir noch das Notprogramm für den organisierten Abstieg zu?
Dazu gibt es unschlagbar gute Bücher, die man an langen Winterabenden (noch mal) lesen kann. Wie viele verschüttete Erinnerungen kommen dabei überraschenderweise wieder hoch!
5. Beginne mit kleinen Eingewöhnungstouren
Dann ist es endlich soweit! Die Maschine ist brav angesprungen und wir rollen hinaus in die freie Wildbahn. Körperlich trainiert und mobilisiert und geistig aufgefrischt. Zur Eingewöhnung unternehmen wir am besten eine kleine, überschaubare Tour auf unserer Hausstrecke. Denn dort sind wir mit allen Besonderheiten vertraut und können uns deshalb auf das Fahren konzentrieren.
Unterwegs wartet immer irgendwo ein weitläufiger Supermarkt-Parkplatz, auf dem wir ausprobieren können, wie weit es mit unserer grundlegenden Fahr(schul)technik und dem Gleichgewichtssinn noch her ist.
Solche Eingewöhnungstouren fahre ich aber immer alleine, ohne Sozia. Man weiß ja nie, sollte doch mal was passieren …
6. Stelle dich auf den Stadtverkehr ein
Jetzt hast du endlich das Gefühl dafür gewonnen, wie es ist, endlich wieder im Sattel zu sitzen. Sofern du in der Stadt oder in einem verkehrsreichen Ballungsraum wohnst, solltest du dein inneres Warnsystem für die Fahrsicherheit in der Stadt wiederbeleben. Lies dir dazu am besten mal meinen Beitrag dazu durch. Etliche Hinweise darin könnten für Dich sehr nützlich sein.
7. Mache ein Auffrischungs-Fahrtraining
Ein Auffrischungs-Fahrtraining, wie es z. B. von Automobilclubs angeboten wird, ist allemal sein Geld wert. Selbst wenn man hinterher sagt: „Na ja, eigentlich habe ich das alles schon gut gekonnt.“ Aber vielleicht hat es dann doch mehr Spaß gemacht als erwartet. Besonders, wenn ein Kumpel dabei war oder wenn man neue Leute kennengelernt hat. Ein Gemeinschaftserlebnis.
8. Stelle dich auf die Autofahrer ein
Wenn du die körperlichen, geistigen und technischen Lockerungsübungen hinter dir hast, vergiß eines nicht: Sei besonders aufmerksam, wenn die warme Frühlingssonne die Motorradfahrer in Scharen auf die Straßen lockt. Nicht nur wegen Unsereiner, sondern auch wegen der Autofahrer. Auch sie müssen sich erst einmal wieder darauf die einstellen, daß sie von jetzt an PS-starke, schnelle Konkurrenz in Gestalt von Motorrädern haben werden.
Gleichermaßen müssen wir Motorradfahrer nach lähmenden Wintermonaten unsere Ungeduld bezähmen und die rechte Hand unter Kontrolle halten. Besonders, wenn wieder einmal eine Blechkiste langsam vor uns herzockelt und ein Überholmanöver keine Option ist.
Wiebke
27. April 2021 at 16:23
Hey,
zum Start in die neue Motorradsaison finde ich es immer total wichtig, besonders auf meine Sicherheit zu achten. Dazu gehört natürlich das Durchchecken meines Bikes, aber auch, auf meine Fahrweise zu achten. Richtig gute Tipps habe ich in diesem Artikel gefunden: https://www.kommgutheim.com/tips/7-tipps-fuer-mehr-sicherheit-beim-motorradfahren.
Ich habe mir auch die KommGutHeim-App heruntergeladen, um meinen Standort live mit meiner Familie zu teilen und im Ernstfall über einen Notfall-Button schnell Hilfe anfordern zu können. Außerdem macht es echt Spaß, hinterher die zurückgelegte Route nochmal anzuschauen und zu teilen.
Christian
27. April 2021 at 17:36
Hallo Wiebke,
besten Dank für Deinen Tipp. Man lernt nie aus!
Viele Grüße in die Oberpfalz, wo ich auch immer gerne auf Tour gehe.
Christian