Kulinarische Motorradtouren durch die Heimatregion verlocken zum Einkauf naturbelassener Lebensmittel am Straßenrand. Was gibt es dort Besonderes?
Spezialitäten vom Land
Kulinarische Motorradtouren – was soll das denn? Ausnahmsweise schweifen meine Erinnerungen heute nicht zurück zu ausgetüftelten Urlaubstouren entlang der Michelin-Route. Nicht die Sterneküche ist mein Thema, sondern um das kleine Glück auf zwei Rädern in der Heimat. Auf Tagestouren mit dem Motorrad in unserer Umgebung wollen wir unsere Küche mit dem bereichern, was die Land(wirt)schaft am Rande unserer Lieblingsstrecken zu bieten hat.
Ein bißchen Vorgeschichte spielt dabei auch mit: Aus den Erzählungen meiner Großmutter klingen mir noch die Nachkriegs-Hamstertouren auf das Land in den Ohren. Und im Kriegsrechts-Polen Anfang der 80er Jahre, haben wir – als Westausländer ohne Lebensmittelmarken – „Kompensationstouren“ unternommen, um mit den Bauern zu tauschen: Wodka gegen Gemüse, Zigaretten gegen Obst, Benzin gegen Fleisch. Heute kaum mehr vorstellbar.
Aber auch heute lassen sich kulinarische Motorradtouren glänzend damit legitimieren, daß es am Rande der Lieblingsstrecke sooo tolle Lebensmittel zu kaufen gibt – naturbelassen, öko, preiswert, lecker. Als ich mich darüber ausgelassen habe, was in den Tankrucksack gehört, habe ich vergessen, den Platz zu erwähnen, der nötig ist, um eßbare Mitbringsel von der Tour zu verstauen. Was findet also auf einer kulinarischen Motorradtour den Weg in meinen Tankrucksack?
Honig vom Imker
Süßer Seim „Aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern“ ist nicht so meine Sache. Warum soll ich mir chinesischen Honig antun, wenn es in unserer Region naturbelassene und viel schmackhaftere Erzeugnisse gibt? Auf meinen Touren das Jahr über beobachte ich gerne, was die Bienen da Gutes sammeln: von Rapsfeldern und Robinienalleen, aus Lindenhainen, Bauerngärten und Blumenwiesen. Mit der Zeit habe ich mir meine Lieblingsimker an der Strecke als POIs auf dem Navi gespeichert.
Bei einem Besuch bleibt meist ausreichend Zeit für ein Schwätzchen, das für einen Städter wie mich immer aufschlußreich ist: Wenn mir der Imker z. B. erklärt, was es mit dem Bienensterben auf sich hat oder welche Pflanzen in seiner Umgebung Probleme haben.
Für meinen Beutezug mache ich gerne eine kulinarische Motorradtour an die mittlere Elbe. Beiderseits des Flusses gibt es herrliche Tourenstrecken.
Eier von freien Hühnern
Seit die Nachricht die Runde gemacht hat, daß Eier, in Maßen genossen, offensichtlich doch nicht so gesundheitsschädlich sind wie häufig behauptet, verzehre ich sie noch lieber – insbesondere, wenn ich die gefiederten Produzentinnen persönlich kennenlernen konnte.
Das Angebot an frischen Eiern ist in unserer Gegend reichlich. Meist steht ein Schild vor dem Bauerngarten, daneben ein Tisch mit Kartons voller handgranatengroßer Eier und einer „Kasse des Vertrauens“. Um die Ecke schauen dann mit neugierigem Blick Monster-Hühner, die freien Auslauf im Garten haben und die Haushaltskasse der Bäuerin aufbessern. Auch bei diesen Gelegenheiten entwickelt sich manches nette Gespräch, an das ich gerne zurückdenke. Schöne Touren zum Eierkauf gibt es im einsamen Rhinluch in Brandenburg.
Obst aus dem Bauerngarten
Wer auf das Einheitsangebot der Supermärkte angewiesen ist und keinen Markt in der Nähe hat, wird frisches Obst vom Land zu schätzen wissen. Im Hintergarten geerntet, ungespritzt, naturbelassen und so geformt, daß es wahrscheinlich bei jeder EU-Einheitsnormprüfung durchfallen würde. Daß beim Verzehr die Erinnerung an eine tolle Motorradtour erwacht, steigert noch den Genuß.
Kulinarischen Motorradtouren im Herbst verlocken mit Birnen und Walnüssen, die nur darauf warten, vom Straßenrand geerntet und zu herrlichen Muffins verbacken zu werden. Wir haben immer welche im Tiefkühler, die nach Rückkehr von einer Tagestour in der Mikrowelle aufgebacken werden.
Mein liebstes Zielgebiet ist die traditionelle Obstgegend bei Werder südwestlich von Potsdam. Dort werden traditionell sehr viel Obst und Beeren angebaut. Oft mache ich in Werder Station auf der Heimfahrt von einer Tour durch das Havelland.
Gemüse frisch vom Feld
Im April ist Saisonbeginn für zwei Dinge, die mir sehr am Herzen liegen: Für die Motorradsaison (obwohl ich den Winter durch fahre, wenn irgend es geht) und Spargel. Da vor unserer Tür rund um Beelitz eines der großen deutschen Anbaugebiete liegt, verbinde ich den Spargelkauf gerne mit der einen oder anderen Saisoneröffnungstour. Zum Abschluß mache ich gerne an einem der Spargelfelder Halt. Dort steht für gewöhnlich eine Verkaufsbude und ich magaziniere die weißen Stangen im Tankrucksack. Fehlt nur noch die Vollzugsmeldung nach Hause und der würdige Abschluß einer kulinarischen Motorradtour durch den Fläming ist gesichert.
Marmelade aus der Landküche
So verlockend das Marmeladeangebot am Straßenrand auch ist – für die Verwöhnung beim Frühstück sorgen wir selber. Erstens sind gekaufte Marmeladen meist proppenvoll mit Zucker und zweitens sind Christines selbstgemachte Marmeladen konkurrenzlos gut. Da sammeln wir lieber Mirabellen, Pflaumen und Kirschen am Rande unserer heimlichen Landsträßchen. Kulinarische Motorradtouren mit freundlicher Genehmigung des Brandenburgischen Landesbetriebs Straßenwesen.
Frische Fische aus klaren Seen
In den über 3.000 klaren brandenburgischen Seen tummeln sich die herrlichsten Fische, die jedem Feinschmecker das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Die Flossentiere – ob frisch oder geräuchert – stehen deshalb auf unserer Dauer-Einkaufsliste. An jedem besseren See gibt es einen Fischereibetrieb, bei dem man fangfrisch einkaufen kann. Im Tankrucksack ist immer noch Platz, und dann ab nach Hause auf der Autobahn. Ich wette mal, der schnellste Fisch Deutschlands ist meiner.
Fleisch aus der Landmetzgerei
Über Fleisch und seine Qualität wird ja sehr kontrovers diskutiert. Warum also nicht in einer ländlichen Metzgerei einkaufen, die noch nach guter alter Art handwerklich arbeitet. Natürlich kann man nicht wegen jeder Leberwurst nach draußen fahren. Aber wenn sich’s anbietet und man besondere Qualität bekommt, ist die weite Anfahrt mit dem Motorrad eher ein Anreiz als ein Hinderungsgrund.
Wild vom Jäger
Da mein Beschaffungsweg zum heimatlichen Revier doch etwas weit ist, folge ich auf einer kulinarischen Motorradtour gerne den Hinweisschildern „Wild direkt vom Jäger“ und frage nach Rot- oder Damwild. Außerdem bietet ein solcher Einkauf immer die willkommene Gelegenheit, mit anderen Jägern zu plaudern und sich zu erkundigen, was sich „draußen“ so tut. Wenn Fleisch überhaupt „Bio“ sein kann, dann Wildbret aus dem nächsten Wald. Zudem ist Christine eine ausgezeichnete Wildköchin, die in früheren Jahren die hungrige Familie mit glasierten Rehrücken, Damhirschpasteten, in Rotwein eingelegten Wildschweinkeulen und Fasanen in Wacholderrahmsoße verwöhnt hat. Irgendwie muß ich sie ja in Übung halten, also bringe ich Nachschub vom Land mit.
Wer bis jetzt noch keinen Appetit bekommen hat, sollte sich selbst mal zu einer kulinarischen Motorradtour in seiner Umgebung aufmachen. Es lohnt sich immer, wegen der Tour, wegen der Beute oder sogar wegen beidem.
Einkaufshinweise für kulinarische Motorradtouren
In den einzelnen Bundesländern gibt es Einkaufsführer mit den Adressen, wo überall es die guten Sachen vom Lande zu kaufen gibt. Gut, wenn man zielgerichtet auf kulinarische Motorradtouren gehen möchte. Ein gelungenes Beispiel hierfür: der Bio-Einkaufsführer für Berlin-Brandenburg, herausgegeben von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e. V.
Gute Fahrt und guten Appetit!
Aktualisiert am 26/11/2019 von Christian
Axel Müller
27. Oktober 2019 at 19:31
… wieder einmal danke ich herzlich und finde meine ersten Ambitionen bestätigt. Der Duft nach einem Einkauf bei einer Landfleischerei, der im Topcase deponiert wurde und dann beim Öffnen aufsteigt … ebenso der Geschmack frischer Eier oder „ganz normalen Obstes“ … Mit herzlichen Grüßen – Axel Müller
christianseebode
28. Oktober 2019 at 20:43
Naturbelasssene Produkte und der Kontakt mit netten Menschen – das ist es, was (nicht nur) eine Motorradtour sehr angenehm macht.