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Kneipensterben auf dem Lande

Das Kneipensterben auf dem Lande ist ein trauriger Anblick auf jeder Motorradtour über die Dörfer. Denn ein Stück ländlicher Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalts geht verloren.

Stirbt die Kneipe, stirbt das Dorf

Heyman Dullaert (1636 - 1684): Landschaft mit einem Wirtshaus an einem Weg

Heyman Dullaert (1636 – 1684): Landschaft mit einem Wirtshaus an einem Weg | © Kupferstichkabinett Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Traurig, traurig. Auf jeder Motorradtour komme ich durch Ortschaften, in denen es keine Kneipen mehr gibt. Sie sind entweder geschlossen, aufgegeben oder sogar schon längst verfallen. Dann ziehe ich bei einem solchen Anblick  unwillkürlich die Bremse, stelle meine Maschine auf den Seitenständer und schaue mich um. Der Motorradspaß in Brandenburg beginnt merklich zu leiden.

Einst mag das Dorfleben hier bunt gewesen sein mit Hochzeiten, Leichenschmaus, Vereinsfeiern oder Stammtisch. Aber der Wandel der Zeiten kostet einer traditionsreichen Institution das Leben: Internet-Chat statt Stammtischgespräch, Billigbier vom Discounter statt frisch gezapftes Pils, Landflucht statt Bodenständigkeit, Betriebsaufgabe statt Weitergabe der Kneipe an die nächste Generation. Schließlich nicht zu vergessen: Das Wirtshaus war auch stets ein Hort der Kommunalpolitik, des Meinungsaustauschs und Interessenausgleichs der Bürger.

Ob Theodor Fontane  heute noch so einfach durch die Mark reisen könnte? Da er fände wohl wahrscheinlich nur schwer eine Unterkunft. Und ich? Weil ich immer seltener ich eine Möglichkeit zur Einkehr finde, verstaue Thermosflasche und Verpflegung im Tankrucksack und mache unterwegs ein Picknick.

Unübersehbar ist der Wandel, den das Kneipensterben auf dem Lande bewirkt. Erst stirbt die Kneipe, dann stirbt das Dorf, sagt man in Bayern. Von den mehr als 70.000 Schankwirtschaften, die das Statistische Bundesamt noch im Jahr 1994 verzeichnete, gibt es heute nicht einmal mehr die Hälfte. Doch die Austrocknung des Biotops Stammtisch/Theke dauert schon länger an. Aber so, wie es jetzt aussieht, ist das schlicht gesagt jammervoll.

Weil ich dieses Phänomen einmal dokumentieren wollte, habe ich als Nebenprodukt meiner Motorradtouren eine Fotostrecke über das Kneipensterben auf dem Lande zusammengestellt. Dabei fürchte ich, sie könnte im Laufe der Zeit noch länger werden.

Fotostrecke

Kneipensterben auf dem Lande: Zerbrochenes Schild einer alten Gastwirtschaft

Ende im Gelände

Kneipensterben auf dem Lande: Wirtshaus Kajüte in Ratzdorf, Lkr. Oder-Spree, Brandenburg

Wirtshaus Kajüte in Ratzdorf, Lkr. Oder-Spree, Brandenburg

Kneipensterben auf dem Lande: Aufgegebenes Wirtshaus in Protzen, Lkr. Ostprignitz-Ruppin, Brandenburg

Aufgegebenes Wirtshaus in Protzen, Lkr. Ostprignitz-Ruppin, Brandenburg

Kneipensterben auf dem Lande: Evas Imbiß in der Nordkurve

Aufgegebener Imbiß in Petkus, Lkr. Teltow-Fläming, Brandenburg

Kneipensterben auf dem Lande: Ehemaliger Dorfkrug in einem Vorlaubenhaus in Herzberg, Landkreis Ostprignitz-Ruppin

Ehemaliger Dorfkrug in einem Vorlaubenhaus in Herzberg, Lkr. Ostprignitz-Ruppin, Brandenburg

Kneipensterben auf dem Lande: Ehemaliges Gasthaus Jagdidyll in Rüthnick, Lkr. Oberhavel

Ehemaliges Gasthaus Jagdidyll in Rüthnick, Lkr. Oberhavel in Brandenburg

Kneipensterben auf dem Lande: Dorfkrug Zernikow, Lkr. Overhavel, Brandenburg

Dorfkrug Zernikow, Lkr. Overhavel, Brandenburg

Ehemalige Bahnhofsgaststätte Jüterbog, Lkr. Teltow-Fläming, Brandenburg

Ehemalige Bahnhofsgaststätte Jüterbog, Lkr. Teltow-Fläming, Brandenburg

Gasthaus zur Guten Quelle, Möthlow, Lkr. Havelland, Brandenburg

Die Gute Quelle ist versiegt: Gasthaus Möhring in Möthlow, Lkr. Havelland, Brandenburg

LPG Roter Stern Retzow, Lkr. Havelland, Brandenburg

Auch dies war mal eine Kneipe: LPG Roter Stern Retzow, Lkr. Havelland, Brandenburg

Ehemaliges Wirtshaus Nennhausen, Lkr. Havelland, Brandenburg

Aus die Maus: Ehemaliges Wirtshaus in Nennhausen, Lkr. Havelland, Brandenburg

Reste des Schildes einer aufgegebenen Gaststätte

Das Licht ist aus

Hier floß mancher gute Schoppen (auch bei mir): Landgasthof Zehntgraf in Wipfeld, Lkr. Schweinfurt. Seit nunmehr 10 Jahren dicht.

kneipensterben auf dem lande: aufgegebenes gasthaus zur linde in luette brandenburg

Die Linde blüht nicht mehr: aufgegebenes Gasthaus in Lütte, Lkr. Potsdam-Mittelmark (Brandenburg)

kneipensterben auf dem lande: aufgegebenes gasthaus alter fritz in hochkirch landkreis bautzen

Er ist Geschichte: der „Alte Fritz“ in Hochkirch, Lkr. Bautzen

kneipensterben auf dem lande: aufgegebener gasthof stadt leipzig in saarmund lkr. potsdam-mittelmark

Gasthof Stadt Leipzig in Saarmund. Lkr. Potsdam-Mittelmark: seit den 1720er Jahren eine Pferdewechselstation an der Postkutschenstrecken Berlin-Leipzig. Nach der Wende aufgegeben.

ehemaliges gasthaus zum havelbruch in weseram brandenburg

Ein Gasthaus zu Bruch gegangen: in Weseram, Lkr. Potsdam-Mittelmark, Brandenburg

ehemaliger gasthof zu bartschendorf

Als Gasthaus aufgegeben, aber als Wohnhaus in liebevollen Händen: der ehemalige Gasthof zu Bartschendorf, Lkr. Ostprignitz-Ruppin

abgerissenes gasthaus fontane in ribbeck brandenburg

Aus für die Dichterkneipe: Gasthaus Fontane in Ribbeck, Lkr. Havelland, beim Abriß

ehemaliges gasthaus jaegerklause

Jagd vorbei! Großes Halali! Es ist aus mit der Jägerklause in Schmon, Saalekreis, Sachsen-Anhalt

ehemaliges gasthaus zum schiffchen in alsleben

Abgesoffen: das ehemalige Gasthaus zum Schiffchen in Alsleben an der Saale, Salzlandkreis, Sachsen-Anhalt

ehemalihe gaststaette in hindenberg landkreis ostprignitz-ruppin

Erst waren die Gäste dicht, dann die ganze Kneipe: ehemalige Gaststätte von Hindenberg, Lkr. Ostprignitz-Ruppin

Hier wird kein Schoppen mehr geblitzt: aufgegebenes Gasthaus in Kolitzheim, Lkr. Schweinfurt

 

 

 

Aktualisiert am 02/11/2021 von Christian

Comments (4):

  1. Werner Heinrich

    9. August 2021 at 19:59

    Hello Christian:

    I was just going down memory lane and thought of my father’s sister who had married Ernst Wollitz. Ich erinnere mich auf meinen ersten Besuch nach Zernikow als kleines Kind und spielte neben der Treppe im Sand mit meiner kleinen Cousine vor deren Elterns Dorfkrug in 1943. Als ich Deine Bilder sah wusste ich sofort welches die Zernikower Kneipe war. In der Kneipe war immer ein reges Leben von meiner kleinen Sicht aus. Der Zustand war damals natuerlich besser, aber die Struktur des Gebaeudes is in meinen Gedanken eingepraegt.

    Leider hat das Fernshen und jetzt auch das Internet das Gemeinschaftsleber verarmt. und besiders zur erhoehung der Einsamkeit und Dumheit der Menschen, besonders in Nordamerika, aber auch im Rest der Welt, beigetragen.. Kritisches Denken verschwided wenn es je existierte.

    Freue mich dass Du Deine Eindruecke und Bilder der Oeffentlichkeit zugaenglich gemacht hast. Ich Danke Dir !

    W,H.

    Antworten
    • Christian

      12. August 2021 at 13:16

      Gerne geschehen! Ich freue mich, daß ich bei Dir schöne Jugenderinnerungen wecken konnte. Alles Gute und viele Grüße
      Christian

      Antworten
  2. Henry Gerwien

    8. April 2023 at 08:22

    Hi Christian,
    was für eine traurige Fotostrecke! Auch wenn der Blog schon eine Weile her ist, antworte ich heute darauf.
    Ja, die mediale Welt hat vielen „den Stecker gezogen“, bei uns: Den Zündschlüssel. Und die Bequemlichkeit. Manche „fahren“ mehr km auf Youtube als auf ihrem eigenen Bock, manche scheinen die Internetstars besser zu kennen als Kumpels aus der Umgebung. An bekannten Treffpunkten steht einfach keiner mehr. Wo sieht man denn heute noch Männer, die mit dem Bollerwagen an „Vatertag“ (häää, was is‘ das denn???) in umliegende Kneipen gehen? Heute feiert man nicht nur Geburtstag, da wird ein „Event“ draus gemacht, und wenn’s dumm läuft, stehen da plötzlich 1500 Leute! Alleine 20km bei mir im Umkreis (Oberursel im Taunus) haben in den letzten 4 J. 5 Lokale dicht gemacht, die ich abwechselnd gerne angefahren bin, z.T. Familienbetriebe, wo einfach der Nachwuchs fehlt, z.T. wg. Gesundheit, aber die meisten wg. ausbleibendem Publikum. „Die hocke alle daheim vorm Kombjuder“, hat Alwin gesagt, „die Küscheneinkäuf‘ esse mir die Woch‘ über dann selber uff.“

    Was will man machen, man kann das Rad der Zeit nicht anhalten. Nur eine kleine, neue Generation von jungen Familien/Eltern entdecken an WE die Natur neu, vielleicht kommt da wieder was? Dafür sind dann an WE sog. Hotspots derart überlaufen, dass ich da gar nicht mehr anhalten will. Und als mal ein schönes Plätzchen zum Übernachten fand, hat wahrscheinlich jemand die grünen Jungs gerufen und mich angeschwärzt. „Der Mensch ist sich selbst der größte Feind“, so ist das eben!
    Das merkt man am Besten an sogenannten „Freunden“…
    Grüße von
    Henry
    —————-

    Antworten
    • Christian

      17. April 2023 at 20:04

      Lieber Henry,
      nach Rückkehr aus dem Urlaub kommt mein Dank für Deine Rückmeldung zwar verspätet, aber nicht minder herzlich. Wie Du richtig sagst, das Rad der Zeit, den sozialen Wandel, kann man nicht aufhalten. Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß ich bei Touren in unserem gastronomischen Niemandsland auf Selbstversorgung umgestiegen bin. Umso mehr genieße ich es als Einzelfahrer, einmal in einem bayerischen Gasthaus einzukehren und mich mit an den Stammtisch setzen zu dürfen. Eine Stunde offen-herzlicher Kommunikation bereichert dann meinen Tourentag ungemein. Ähnliches findet man unterwegs sonst nur noch in einer italienischen Straßenbar (aber nur bis Rom) oder in einer spuckshäßlichen „Bar du Sport“ in der französischen Provinz, wo die Pause stets zu einer herzhaften Bereicherung des eigenen Wortschatzes beiträgt. Bei uns müssen wir halt mit dem leben, was wir haben. – Ich sollte mal was schreiben über Wirtshauserlebnisse unterwegs.
      Viele Grüße und noch eine tolle Saison,
      Christian

      Antworten

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