Der beste Kaffee für die Motorradtour hat ein wunderbares Aroma, schmeckt rundum, belebt und treibt an zu neuen Taten. Wo ist er zu finden?
Ohne Kaffee läuft die Tour nicht rund
Was treibt uns beim Motorradfahren an? Klar, das ABC des Reisens auf zwei Rädern: A wie Adrenalin, B wie Benzin und C wie Coffein. Mit A und B sind wir gut versorgt. Aber sobald es um Kaffee geht, wird es für viele kritisch. Besonders für Genießer wie mich.
Wie ging das doch früher alles herrlich unkompliziert: Filtertüte einsetzen, Kaffee rein, aufbrühen (per Hand oder mit Maschine) – fertig. Dann kam das Aroma des braunen Aufgusses verläßlich gut heraus.
Aber die Zeiten haben sich gewandelt. Wenn ich heute unterwegs nach einem Kaffee frage, blickt mich eine „Barista“ genannte Gestalt leicht verstört an und erheischt von oben herab nähere Auskunft: „Espresso? Espresso Macchiato? Flat White? Cappuccino? Café Crème? Caffè Latte? Latte Macchiato? Americano? Ristretto? Lungo? Doppio oder Caffeè Mocha? Was darf ich Dir bringen?“
Grrr. Dieses Zeug soll also mein Blut in den Adern zum Pulsieren bringen für die nächste Etappe? Bin ich denn mit dem Rollator unterwegs oder was? Vergessen die Leute vielleicht, daß das „Schwarze Gold“ geschmacklich eines der komplexesten Naturprodukte ist? Denn Kaffee enthält fast doppelt soviele Aromen wie Wein. Und das will was heißen.
Rettende Inseln des guten Kaffeegeschmacks
Coffee, Coffee muss ich haben,
Und wenn jemand mich will laben,
Ach, so schenkt mir Coffee ein!
— J. S. Bach, Kaffeekante (BWV 211)
Aber die Kaffeegenießer unter uns brauchen die Hoffnung auf ein aromatisches, belebendes Getränk nicht aufzugeben. Denn es gibt sie noch, die traditionellen Röstereien und Zapfstellen, die uns mit einem Super-Gebräu den richtigen Push für die weitere Strecke verleihen.
Deshalb möchte ich für einen guten Kaffee auf der Motorradtour einige empfehlenswerte Anlaufziele voranstellen, bei denen ich meinen Bedarf für unterwegs decke. Oder an denen ich einfach nicht vorbeifahren kann, wenn meine Tour mich in die entsprechende Gegend führt.
Berliner Kaffeerösterei
Zur Deckung meines Bedarfs an gutem Kaffee auf der Motorradtour (in der Thermosflasche) führt meine Wallfahrt mit der U 1 in die Uhlandstraße in Berlin-Charlottenburg. Dort residiert die Berliner Kaffeerösterei mit einem atemberaubenden Sortiment erlesener Kaffeesorten. Alle im Haus geröstet, wie der Duft verrät. Und gleich nebenan eines der schönsten Cafés, das Berlin noch zu bieten hat. Samt einer verführerischen Auswahl kalorienschwangerer Köstlichkeiten. Wer seiner Erbtante (nach der EICMA) etwas Gutes tun will, lade sie hierhin ein. Es dürfte sich lohnen.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem Angebot der Berliner Kaffeerösterei
Berliner Kaffeerösterei, Uhlandstraße 173/174, 10719 Berlin
www.berliner-kaffeerösterei.de
Mit dem neuen Restaurant-Konzept KÄKS am Stuttgarter Platz 28, 10627 Berlin
www.kaeks.de
Speicherstadt Kaffeerösterei in Hamburg
Wo sonst sollte es guten Kaffee geben, wenn nicht in der deutschen Kaffeemetropole Hamburg? Sicher, die Innenstadt ist für uns Motorradfahrer nicht gerade ein Traum-Tourenziel. Wer aber in die Innenstadt kommt, fahre mit der Hochbahn bis zur U-Bahnstation Baumwall und bummele dann am Kehrwieder die herrlich restaurierten alten Speicherhäuser entlang. Nach ein paar Minuten ist er am Ziel:

Immer einen Besuch wert
Beim Betreten der Manufaktur fühlt man sich um 100 Jahre zurückversetzt: Ein alter Speicherraum, gestützt von genieteten Stahlträgern mit Durchblick auf die gegenüberliegenden Speicherhäuser und einem Interieur, das fast wirkt wie eine Arbeiterkantine der industriellen Revolution.
Herz und Seele des Ganzen ist eine moderne Röstanlage, in denen vor den Augen der Gäste frische Bohnen aus aller Herren Länder in den Ausgangsstoff für ein exquisites Gebräu verwandelt werden:

Abkühlung des gerösteten Kaffees

Abfüllung des gerösteten Kaffees in der Hamburger Kaffeerösterei
Was dabei herauskommt, hat Rasse und Klasse. Mit kritischem Blick steuert der Röstmeister je nach Kaffeesorte exakt die passende Röstzeit. Für Filterkaffee ca. 12 Minuten, für Espresso 3 bis 8 Minuten mehr. Da wird den Bohnen schön Zeit gelassen, die vollen Aromen auf- und unerwünschte Säuren abzubauen.
Das Ergebnis kann man währenddessen unmittelbar neben der Anlage bei einer dampfenden Tasse genießen. Das ist keine Industriefertigung, sondern ein exklusives Getränk, das auch besonderen Ansprüchen gerecht wird.
Speicherstadt Kaffeerösterei, Kehrwieder 5, 20457 Hamburg
www.speicherstadt-kaffee.de
Kaffeerösterei Ratzsch in Lüneburg
Um einen erstklassigen Kaffee auf der Motorradtour zu bekommen, braucht man aber nicht erst mit dem ICE nach Hamburg zu fahren. Denn viel verlockender ist eine herrliche Motorradtour auf den kleinen Uferstraßen entlang der Elbe, durch das Wendland und auf der Elbuferstraße (Sperrungszeiten beachten!) in die alte Salz- und Hansestadt Lüneburg:
Auf gepflegtem Kopfsteinpflaster steuert man in der historischen Altstadt die traditionelle Kaffeerösterei Ratzsch an, die sich schon seit über 100 Jahren der Veredelung der importierten Bohnen widmet:

Eine empfehlenswerte Anlaufstelle: Kaffeerösterei Ratzsch in Lüneburg
Ganz dem Stil eines Biedermeier-Kabinetts entsprechend zaubert man hier ein Getränk hervor, das Gaumen und Seele gleichermaßen schmeichelt. Mild, anmutig, charaktervoll. Wie die Damen der Schönheitengalerie im Münchener Schloß Nymphenburg, wenn man diesen Vergleich bemühen will.

Kaffee frisch aus der Rösttrommel: eine Wohltat auf der Motorradtour
Wie gesagt: Schon die Anreise lohnt die Tour, die ich an anderer Stelle noch extra beschreiben werde. In erreichbarer Nähe liegt auch das staatlich betreute Offroad-Gelände Munsterlager. Als kleiner Hinweis für die, die auf der Kette groß geworden sind.
H. Ratzsch, Inh. Günter Peters, Kaffeerösterei, Am Berge 19, 21335 Lüneburg
Zum Arabischen Coffe Baum, Leipzig
Abseits der Importhäfen Hamburg und Bremen findet sich eine tief verwurzelte Kaffeetradition wohl am ehesten in Sachsen. Kein Wunder, ein Land, das seit 1710 hochwertiges Porzellan für den Kaffeegenuß produziert und dessen Bewohner als „Kaffeesachsen“ ihren Platz in der deutschen Kulturgeschichte errungen haben, enttäuscht auch heute den auswärtigen Kaffeefreund nicht. Auf jeden Fall hatte ich bei meinen Touren durch den Freistaat noch nie Anlaß zur Klage.
Seit 1711 wird im Café Zum Arabischen Coffe Baum in Leipzig ununterbrochen Kaffee ausgeschenkt. Damit gehört es zu den beiden ältesten Kaffeehäusern in Europa. Dieser Tradition macht das Haus alle Ehre. Denn der Kaffee („unsere Hausmarke“) ist voll und rund. Wer sich vorstellen will, wie ein Kaffee in der „guten alten Zeit“ (so es diese je gab) geschmeckt haben mag, bekommt hier einen Eindruck davon: voll, aromatisch, seelenwärmend. Die anheimelnde Umgebung, in der er sehr nett serviert wird, trägt ein Übriges dazu bei.
Im Augenblick bleibt zu hoffen, daß die derzeitige Umbau- und Umstrukturierungsphase bald abgeschlossen sein wird. Auf jeden Fall lohnt aber die Tour dorthin. Meine Empfehlung: Autobahn vermeiden, dafür flottes Fahren auf der meist nur mäßig belebten Bundesstraße 2. Im brandenburgischen Teil durch imposante Alleen. Dann vorbei an der Schloßkirche in Wittenberg, wo Martin Luther seine Thesen angeschlagen hat.

Zwischenstop an der Schloßkirche in Wittenberg
Und anschließend über Riesa an der Elbe entlang nach Torgau und durch die Einsamkeit des Landes zurück nach Berlin.
Zum Arabischen Coffe Baum, Kleine Fleischergasse 4, 04109 Leipzig
Alternative, solange dieses Haus renoviert wird:
Kaffeehaus Riquet, Schuhmachergäßchen 1, 04109 Leipzig
Tangermünder Kaffeerösterei
Pretiosen des guten Geschmacks finden sich verdächtig oft in der Einsamkeit. Das gilt nicht nur für Sternerestaurants, sondern auch für den Kaffee: Weit abseits der bekannten Ziel- und Durchgangsstrecken liegt an der mittleren Elbe das verträumte historische Städtchen Tangermünde. Im Rahmen einer Motorradtour muß man schon unbedingt dorthin wollen, um die Reize des dortigen Biosphärenreservats zu entdecken. Oder die Architekturschätze der Romanik.
Tangermünde ist ein ideales (Zwischen-)Ziel, um die Beine wieder zu lockern und sich bei einem hervorragenden Kaffee zu entspannen. Mein Anlaufpunkt ist dort die Tangermünder Kaffeerösterei. In einem hübsch renovierten Fachwerkhaus untegebracht, zelebriert man dort Spitzenkaffees mit labormäßiger Präzision: Vor den Augen des Gastes brüht der Chef mit Hario-Kanne und -filter sorgsam das Getränk auf. Nicht ohne zu empfehlen, den Kaffee so zu genießen, wie er aus der Kanne läuft – bernsteinfarben bis schokoladenbraun, ohne Milch und Zucker. Für mich war das ein völlig überraschendes Kaffeeerlebnis. Am besten probiert ihr das einmal das selbst, wenn ihr die Tour nachfahrt, die ich weiter oben verlinkt habe.
Tangermünder Kaffeerösterei, Lange Straße 33, 39590 Tangermünde
https://www.mein-kaffee.net/roesterei/
Kaffeerösterei in Boitzenburg (Uckermark)
Eine Motorradtour in die Uckermark beschert ein herrliches Fahrerlebnis in weiter, hügeliger, unberührter Landschaft mit Wäldern und Seen. Inmitten dieses Idylls in einem der am dünnsten besiedelten Gegenden Deutschlands überrascht es, auf Schloß Boitzenburg zu stoßen, gelegen an einem kleinen Badesee, umgeben von einem weitläufigen Park.

Bohne auf Bohne in der Kaffeerösterei Boitzenburg
Was es darüber hinaus attraktiv macht, ist der Marstall gegenüber. Dieser beherbergt – neben Konditorei, Schokoladenmanufaktur und Brauerei – auch eine Kaffeerösterei. Die Gelegenheit, hier auf der Tour eine Pause einzulegen, sollte man sich keinesfalls entgehen lassen. An „Rösttagen“ kann man auch hier bei der Verarbeitung der Bohnen zusehen – und natürlich das fertige Produkt in vollen Zügen genießen.
Marstall Boitzenburg, Templiner Str. 5, 17268 Boitzenburger Land
http://www.marstall-boitzenburg.de/
Aktualisiert am 23/08/2020 von Christian