Die 12 interessantesten Brücken meiner Motorradtouren bergen herrliche Erinnerungen an außergewöhnliche Fahrtziele und geniale Ingenieurbauwerke.
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Brücken und Motorradtouren verbinden
Motorradfahren verbindet Menschen. Auf jeder Tour, bei jedem Zwischenstop, am Ende jeder Etappe machen wir Begegnungen, die ohne den Helm in der Hand kaum so leicht und locker vonstatten gegangen wären. Nicht ohne Grund empfinden sich Motorradfahrer als Teil einer Gemeinschaft, für die der menschliche Kontakt unentbehrlicher Teil des Reisens ist.
Auch Brücken verbinden Menschen miteinander – seit jeher, über Täler, Seen und Flüsse hinweg. Handel, Verständigung und kommunikativer Austausch sind ohne sie nicht möglich. Für den modernen Betrachter sind Brücken auch ein Sinnbild des technischen Standes einer Gesellschaft. Nicht umsonst gilt Brückenbau als hohe Ingenieurskunst.
Beim Thema „Brücke“ vereinigen sich damit drei Erlebniswerte: das Motorradfahren auf spannenden Strecken, die menschliche Kommunikation und die Faszination der Technik. Ein Tourenerlebnis kann über Brücken hinweg oder zu Brücken hin führen. Bau und Bewegung werden dann eins.
Viele der eindrucksvollsten Brücken sind auf Motorradtouren zwar nicht befahrbar – weil sie der Eisenbahn dienen wie die kilometerlangen Brücken über die sibirischen Ströme, weil sie unter Denkmalschutz stehen wie die Brücke über die Drina im bosnischen Višegrad, oder weil sie geographisch kaum erreichbar sind wie die Monsterbrücken in Ostasien.
Viele historisch und technisch wichtige Brücken sind für uns aber gut erreichbar. Um diese Faszination mit Euch zu teilen, möchte ich Euch 12 der interessantesten Brücken vorstellen, die ich auf meinen Motorradtouren besucht, befahren oder erlebt habe.
Manchmal ist man wie von Fernweh krank,
Manchmal greift man nach der ganzen Welt
— Karat, Über sieben Brücken mußt Du gehn (1978)
Pont Saint-Bénézet in Avignon
Bei einer Motorradtour durch Südfrankreich gehört ein Besuch der Rhônebrücke in Avignon zum Pflichtprogramm. Mit 22 Bögen auf einer Gesamtlänge von ca. 915 m war diese im 12. Jahrhundert erbaute Brücke ursprünglich die längste Europas – bis Hochwasser größere Teile mitrissen. Einer der Pfeiler ist von einer Doppelkapelle gekrönt, geweiht dem heiligen Nikolaus und dem Schäferjungen Bénézet, den der Legende nach eine himmlische Stimme zum Bau einer Brücke über die Rhône veranlasst haben soll.
Eine Motorradtour durch Südfrankreich im Frühling bietet die herrliche Gelegenheit, auf spannenden Strecken die Sehenswürdigkeiten in der Provence und der Camargue ohne größere Touristenströme zu erkunden – auch den Pont d’Avignon.
Ponte Buriano über den Arno
Leider lassen sich die meisten Italienfahrer von den touristischen Hauptzielen der Toskana und Umbriens vereinnahmen. Oder der landschaftliche Liebreiz verstellt ihnen den Blick für unscheinbare Pretiosen abseits des Weges. Deshalb darf bei den Brücken meiner Motorradtouren der Ponte Buriano über den Arno 10 km nordwestlich von Arezzo nicht fehlen.
Die im Jahre 1277 gebaute, 158 m lange fünfbogige Gewölbebrücke inspirierte Leonardo da Vinci zur Darstellung der Brücke in der Hintergrundlandschaft seiner Mona Lisa. Die Dame lächelt vielleicht auch deshalb so, weil hinter der Brücke eine mitreißende Bergstrecke durch den Apennin beginnt:
Pont de Nyons in der Drôme
Eine Motorradtour zum Gipfel des Mont Ventoux in Südfrankreich sollte unbedingt durch die Schluchten der Drôme führen. Dort steht eine weitere Lieblingsbrücke von mir, der Pont de Nyons über den Eygues-Fluß. Die 18 m hohe mittelalterliche Steinbogenbrücke wurde 1409 fertiggestellt und besitzt eine für die damalige Zeit außergewöhnliche Bogenspannweite von 40,53 Metern. Wer hier fährt, wird es nicht bereuen:
Ziemestalbrücke im Thüringer Wald
Eine der ungewöhnlichsten Brücken meiner Motorradtouren muß man erst hartnäckig suchen: Die stillgelegte Ziemestalbrücke bei Remptendorf im Saale-Orla-Kreis in Thüringen steht mitten im tiefen Wald und ist nur auf einem unbefestigten Waldweg erreichbar. Um genau zu sein: sie steht bei 50° 34′ 33.25″ N und 11° 36′ 47.47″ E
1893 – 1895 gebaut, war die 32 m hohe und 120 m lange Gerüstbrücke einst Teil der Bahnstrecke Triptis – Marxgrün. Irgendwie erinnert sie mich an die Brücke am Kwai. Sie regt auch zum mitpfeifen an, denn die Tourenstrecke durch den Thüringer Wald ist wirklich einsame Klasse:
Oderbrücke bei Bienenwerder
Eine der schönsten deutschen Flußlandschaften ist zu jeder Jahreszeit das Naturschutzgebiet im Oderbruch an der Grenze zu Polen. Ungestört vom Straßenverkehr kann man hier vom Sattel aus die einsame Landschaft genießen, auf dem Oderdeich die Seele baumeln lassen und dabei Fischadler bei der Jagd beobachten. Mein Lieblingsplätzchen an der Oder ist die Alte Zollbrücke bei Bienenwerder.
Zwischen 1890 und 1892 gebaut, diente die 200 m lange Fachwerkbrücke zunächst nur der Eisenbahn, später auch dem Straßenverkehr. Im Februar 1945 wurde sie gesprengt, später behelfsmäßig wieder in Betrieb genommen, zu DDR-Zeiten aber wieder außer Dienst gestellt. Heute trägt sie den Ehrentitel „Europabrücke“, was an eine schwierige Vergangenheit erinnert, aber auch auf eine bessere Zukunft hoffen läßt. Grund genug, immer mal wieder zur Brücke hinzufahren und in aller Ruhe in sich zu gehen:
Pont du Gard bei Nîmes
Ein Blick auf den Fünf-Euro-Schein reicht eigentlich aus, um die Lust auf eine Südfrankreichtour zu wecken, einschließlich des Besuchs des römischen Aquädukts, bekannt als Pont du Gard. Über die Reize einer Frühlingstour durch Provence und Camargue brauchen nicht viele Worte verloren zu werden: gewundene Straßen, herrliche Landschaft, gute Küche, mildes Klima und viel zum Anschauen links und rechts der Strecke:
Viaduc de Cize über die Gorges de l’Ain
Eine reizvolle, von vielen noch unentdeckte Schluchtenstrecke führt durch die Gorges de l’Ain am Rande des französischen Jura. An einer Flußschleife bei Bolzon kreuzt der Viaduc de Cize-Bolzon das tief eingeschnittene Tal. Die 1875 erbaute, 273 m lange Doppelstockbrücke beherrscht schon von weitem die landschaftliche Szenerie. Ich mag Technikdenkmäler wie dieses. Vor allem ist der Viadukt ein architektonisches Highlight auf einer wunderbaren Tourenstrecke:
Göltzschtalbrücke bei Reichenbach i. V.
Für diese Brücke haben wir extra unsere große Deutschlandtour umgeplant: Die Göltzschtalbrücke im sächsischen Vogtlandkreis ist die größte Ziegelsteinbrücke der Welt. Mit 98 Bögen auf vier bzw. zwei Etagen überspannt sie auf einer Länge von 578 m und einer Höhe von 78 m auf der Bahnstrecke Leipzig–Hof das Tal der Göltzsch zwischen Reichenbach i. V. und Netzschkau. Toll, was man da Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Beine gestellt hat.
Einen Besuch der Göltzschtalbrücke kann man in Nord/Süd- oder in Ost/West-Richtung einplanen: bei einer Tour durch das Erzgebirge oder zu Beginn/als Abschluß einer Tour in den Bayerischen Wald:
Mississippi-Brücke bei Memphis
Die Hernando de Soto Bridge („M-Bridge“) über den Mississippi ist für mich eine unauslöschliche Erinnerung an eine gemeinsame Motorradtour mit meiner Tochter vom Pazifik an den Atlantik. Der Fluß bildet die Grenze zwischen Arkansas (herrliche Motorradstrecken dort, vor allem im Norden) und Tennessee. Mit der warmen Abendsonne im Rücken rollten wir Seite an Seite gemächlich im 2. Gang auf der I-40 über den Riesenfluß auf Memphis zu. Gleich hinter der Brücke, im Info-Zentrum der Stadt, erwartete uns Elvis:
Pont de Normandie bei Le Havre
Eines der schlimmsten Brückenerlebnisse – und auch deswegen erinnerungswürdig – hatten wir auf dem Pont de Normandie über die Seine-Mündung bei Le Havre: Drei fette Regentage lagen hinter uns. Als wir auf die Brücke zufuhren, verschlimmerte sich das Ganze zu einem mehrstündigen Starkregen. Die Überfahrt über die Brücke bei Weststurm war die reine Hölle. 2.141 m Strecke auf 52 m Höhe. Aber wir haben die Passage über die längste Schrägseilbrücke Europas gut überstanden:
Viaduc de Millau über den Tarn
Die bizarrste und in ihrer Struktur grazilste aller meiner Lieblingsbrücken ist der Viaduc de Millau über die Tarn-Schlucht in Frankreich. Mit 2.460 m ist der Brückengigant die längste Schrägseilbrücke der Welt und mit einer maximalen Pfeilerhöhe von 343 m das höchste Bauwerk Frankreichs – 29 m höher als der Eiffelturm.
Motorradfahrer werden meist gerne auf die Überfahrt über die Brücke verzichten zu Gunsten einer unvergleichlichen Kurventour durch die Schluchten des Tarn. So haben auch wir es gemacht und die geniale Konstruktion von der Talstraße aus bewundert:
Golden Gate Bridge
Der orangerote Riese über das Golden Gate ist meine unbestrittene Rekordbrücke. An über 1.000 Tagen bin ich sie hin und zurück gefahren, bei Sonne, Sturm und Regen. Macht 2.000 Brückenpassagen mit dem nie nachlassenden Gefühl, jeden Tag etwas ganz Besonderes erleben zu dürfen.
Als entspannend empfand ich immer das ruhige Dahingleiten mit den maximal erlaubten 45 mph (72 km/h) in einem sehr diszipliniert rollenden Verkehr (mit scharfen Kontrollen). Wenn ich bei der Rückfahrt am Abend nach links in die untergehende Sonne blickte, dachte ich mir immer: „Dort drüben, ganz ganz weit hinter dem Pazifik, dort liegt Tokio.“
Damals war das noch günstig, denn Motorräder brauchten keinen Brückenzoll zahlen und durften auch die bevorrechtige Carpool Lane benutzen. Heute ist das anders, da ist man mit 8 $ Maut dabei.
Die 2.727 m Fahrstrecke über die Golden Gate Bridge werden seeehr lang bei schlechtem Wetter: Im Wind kann die Brücke gute acht Meter hin und her schwingen. Bei voller Belastung wird sie rund fünf Meter nach unten durchgedrückt. Wie mir versichert wurde, ist es gerade diese Flexibilität, die ihre Stabilität ausmacht. Beruhigend, aber an dieses Gefühl muß man sich erst gewöhnen.
Mein interessantestes Erlebnis auf der Golden Gate Bridge war, als ich einmal die Chefingenieurin der Brücke auf einem Revisionsgang durch die stählerne Unterkonstruktion unter der Fahrbahn begleiten durfte. Beim Blick auf die Meeresoberfläche 67 m unter mir konnte einem schon etwas schwummrig werden. Aber für die Arbeitssicherheit war vollumfänglich Sorge getragen.
Als Erinnerungsstück an „meine“ Brücke liegt auf meinem Schreibtisch eine Schraube mit Mutter aus dem Ersatzteillager der Golden Gate Bridge. Irgendwann werde ich es mir galvanisieren lassen oder mit dem für die Brücke typischen „International Orange“ lackieren. In Erinnerung bleiben auch herrliche Motorradtouren über die Brücke wie diese:
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Aktualisiert am 27/05/2021 von Christian