Zur Weinerntezeit ist auch Holunderernte im Beaujolais. Bei einer herrlichen Motorradtour kann man Holunderbeeren als Medizin für die Winterzeit sammeln.
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Verstecktes Beaujolais
Die Holunderernte im Beaujolais ist besonders reizvoll, denn der September ist für uns die schönste Zeit für Motorradtouren: keine Touristen mehr, leere Straßen, goldene Sonne, angenehme Temperaturen. Eine leichtlebige Ruhe liegt über dem Beaujolais. Unsere Hausstrecke besteht fast ausschließlich aus Kurven. Und Pässe sind auch etliche dabei. Begleiten Sie uns …
Streckenführung
Lyon – Dardilly – Lamure-sur-Azergues – Chénelette – Les Ardillats – Saint-Mamert – Ouroux – Avenas – Villié-Morgon – Odenas – Arnas – Anse – Lyon. 175 km
Streckenbeschreibung
Zur Holunderernte im Beaujolais muß man die Plätzchen genau kennen, an denen die Büsche zu finden sind. Wenn sie im Frühjahr in voller weißer Blütenpracht stehen, ist das kein Problem. Dann sind sie leicht zu sehen.
Aber im Herbst, wenn sich die blauen Dolden im Blattwerk verstecken, muß man genauer hinschauen. Um nicht unnütz herumkurven zu müssen, habe ich mit die Position der besten Büsche im Navi eingespeichert.
Bis man aus der Stadt heraus ist, dauert es schon ein wenig. Dann wird es vorstädtisch. Dann wird es weniger besiedelt, bis man schließlich auf ein kleines Sträßchen in die Landschaft abbiegt.
Wie muß man sich Motorradfahren im Beaujolais vorstellen? Im Grunde ist das Beaujolais eine ausgedehnte, von Weinbergen gegliederte Hügellandschaft. Auf den Hügeln thronen Dörfer und Städtchen. Die ganze Landschaft ist überzogen mit einem Netz keiner und kleinster Sträßchen.
Straßenschilder sind rar. Die Gefahr, sich hoffnungslos zu verfranzen, ist damit entsprechend groß. Deshalb tut man gut daran, die Strecke sorgfältig in das Navi einzuspeichern. Dann wird die Achterbahnfahrt über Hügel und durch Täler vollends zum Genuß.
Herbststimmung bei der Holunderernte im Beaujolais
Um diese Jahreszeit arbeiten die Winzer in den Weinbergen. Weinlese. Für uns bedeutet das Holunderernte im Beaujolais. Das Land hält entlang der Strecke nicht nur Pilze und Beeren bereit, sondern auch Holunder, den wir zu Hause zu Saft und Gelee verarbeiten. Eine Vitaminbombe für die kalte Jahreszeit.
In der Volkskunde ist der Holunder eine Pflanze mit Geschichte: Die Kelten verehrten ihn als „Baum der Königin“. Im Mittelalter glaubte man, es würde von den im Strauch wohnenden Geistern heimgesucht und bestraft, wer seine Zweige abschneidet. Ehrfurcht wurde dem Holunder zu Teil, da Maria auf der Flucht nach Ägypten unter einem Holunderstrauch gerastet haben soll. Daher die alte Bauernregel:
„Vor dem Holunder sollst du den Hut ziehen“.
Auf Holundersuche
Der Wetterbericht zeigt sich skeptisch in bezug auf die nächste Zeit. Also nutzen wir die vorerst letzte Gelegenheit zu einer sonnigen Ausfahrt. Wir wollen sie mit der Suche nach Holunder verbinden, den Christine zu Saft und Gelee verarbeiten will. Seine Saison ist schon fast vorbei, also los auf die Suche nach der Sambucus nigra.
In gemessenerem Tempo patroullieren wir die Straßen entlang, ob sich nicht ein Busch mit schwarzen Fruchtdolden zeigt. Ich muß dabei geschaut haben wie einst Marty Feldman, die Augen breit auseinander.
Nach einer Dreiviertelstunde erspähe ich die gesuchte Pflanze am Rande eines Parkplatzes. Also rechts ran und ab in die Äste. Nullkommanix haben wir den Baum abgeerntet und sind guter Dinge. Da bewährt es sich, daß wir immer unsere amerikanischen ZipLoc Tüten dabei haben. Sie nehmen unsere Ernte wasserdicht auf. Dadurch können die blauen Beeren nicht aus den Tüten heraussabbern.
Dann fahren wir weiter in die Berge des Beaujolais, wohin sich kaum ein Auto verirrt. Prompt machen wir Strauch Nr. 2 aus, der so ergiebig ist, daß wir es für heute bewenden lassen können. Wir finden Vergnügen daran, das zu verarbeiten, was die Natur uns schenkt.
Denn gesund ist der Holunder allemal. Da kann die Schnupfensaison ruhig kommen. Wir sind gut gewappnet. Besonders gespannt bin ich auf die Variante, mit dem Saft einen steifen Grog anzureichern. Wenn das nicht hilft …
Ruhepause in der Herbstsonne
Am Horizont entdecken wir auf einer Bergkuppe eine romanische Kirche, die, so unsere Erfahrung, einen herrlichen Picknickplatz abgeben müsste. Also nichts wie hin, und tatsächlich stehen neben der Kirche St. Christophe la Montagne aus dem 10. Jahrhundert einige Bänke mit herrlichem Blick über Täler und Höhen. Wohlig kauend beobachten wir einige Falken bei ihrer mittäglichen Jagd.
Dann schlagen wir den Weg über den Bergkamm ein, der das Beaujolais der Rinder von dem des Weines trennt. Dieses Wochenende beginnt die Lese, überall stehen Landleute in den Weinbergen, um sich ans Werk zu machen. Für uns ist das die Zeit der Holunderernte im Beaujolais. Das breite Sâone-Tal vor Augen geht es wieder talwärts, über ca. 20 km am Fluß entlang der Heimat entgegen. Bevor wir jedoch unsere Garage erreichen, hält uns ein Stau auf, in dem es einiges zu lächeln gibt:
Kurze Zeit darauf ist unsere Ernte schon in der Badewanne abgebraust und in einen großen Topf abgefüllt. In unserer Wohnung breitet sich Holunderduft aus und ich freue mich auf die Anreicherung unseres morgigen Sonntagsfrühstücks mit frischem Gelee.
Aktualisiert am 16/10/2021 von Christian