Eine Motorradtour durch die wildromantischen Gorges de l’Ain in Frankreich, durch Schluchten und den Hohen Jura, abseits der großen Straßen und der Touristenströme.
Geschätzte Lesedauer: 6 Minuten
Fahrspaß abseits des Üblichen
Die allseits übliche Motorradtour nach Frankreich führt meist dorthin, wo alle anderen sich auch schon tummeln: in die Westalpen, die Pyrenäen, die Ardèche oder durch den mediterranen Süden des Landes. Das allein sollte schon ein Grund sein, auch mal in anderen Gegenden zu touren. Näher an heimischen Gefilden. Die Schluchten des Ain und der Französische Jura bieten sich dafür geradezu an.
Das festigt meinen Entschluß: rauf auf die Maschine, raus aus der Stadt. Ich brauche frischen Wind um die (behelmten) Ohren, der mir die Woche aus dem Kopf blasen bläst. Am besten dort, wo nicht allzu viel los ist. Also eine Motorradtour durch die wildromantischen Gorges de l’Ain. Durch die Schluchten des Flüßchens, das dem Département rings um Bourg-en-Bresse seinen Namen gegeben hat.
Für alle, die diese abgelegene Gegend noch nicht kennen: Eine Motorradtour durch die Gorges de l’Ain erschließt die Départements Ain und Jura mit ihrem herbem Reiz, rustikaler Küche, erdigen Weinen, würzigem Käse – und natürlich mit versteckten Kurvenstrecken, die man mit kaum jemandem teilen muß. Folgt mir dorthin!
Streckenführung durch die Gorges de l’Ain
Pont d’Ain – Poncin – Bolozon – Chancia – Onoz – La Tour-du-Meix – Patornay – Coyron – Maisod – Villards d’Heria – Thoirette – Romanèche – Poncin – Neuville-sur-Ain – Pont d’Ain. 186 km
Die .gpx-Datei zum Nachfahren findest Du hier.
Motorradtour durch die Gorges de l’Ain hoch zum Jura
Kaum ist der Motor halbwegs warmgelaufen, zaubert mir ein lyrisches Graffito am Straßenrand ein Lächeln aufs Gesicht: Ein wunderbarer Tanz im Rhythmus des Verkehrs. Ich schöpfe meine Energie aus den endlosen Straßen. Das ist das passende Programm für meine heutige Tour.
Dann folgen zunächst einige Kilometer auf der Autobahn. Eine solche Anfahrt ist zwar total reizlos, aber anders kommt man nicht zum Zielgebiet. In Pont d’Ain verlasse ich das graue Band und erreiche auf kleinen Nebenstraßen bei Neuville den Fluß, der dem Département seinen Namen gegeben hat. L’Ain.
Von da an schmiegt sich ein gewundenes rauhes Landsträßchen an den Fluß. Durch die winterkahlen Büsche und Bäume am Ufer läßt sich sein Verlauf jetzt im November gut aus dem Sattel verfolgen. Immer wieder unterbrechen Wasserwerke den Lauf des Flusses und lassen ihn zu idyllischen Stauseen auflaufen. Allerlei Wassergeflügel zieht ruhig seine Bahn auf dem spiegelglatten Wasser.
Einige Flußwindungen weiter spannt sich der Viaduc de Cize-Bolozon über die Schlucht. Die 1875 erbaute 273 m lange Doppelstockbrücke über den Ain beherrscht schon von weitem die gesamte Szenerie. Ich mag Technikdenkmäler wie dieses und sehe mich deshalb ein bißchen an dem Bauwerk um.
Durch die Wälder des Jura
Nördlich von Chancia blockiert der Staudamm des Lac de Vouglans das Tal. Mit fein serviertem Druck befördert mich der Motor hinauf die Talschulter und die dort verlaufende D 3. Eine gute Gelegenheit für einen kurzen Stopp zur Umschau. Von einem Aussichtspunkt aus lasse ich meinen Blick über die stillen Wasser gleiten. Der gewundene Verlauf des Ain läßt mich unwillkürlich an Darmschlingen denken. Dann lasse ich kräftig die Zündfunken sprühen, weiter hinauf auf den Jura. Hier präsentiert sich die Gegend viel karger, weniger bewaldet. Die Landstraße ist gut ausgebaut und wunderbar zügig zu befahren. Und vor allem einsam.
Wendepunkt meiner Motorradtour durch die Gorges de l’Ain ist Patornay, dort, wo der Stausee im Jura beginnt. Dann geht es auf der anderen Seite der Stauseenkette den Ain entlang wieder südwärts. Meiner nimmermüden Neugier folgend entdecke ich immer neue, teilweise obskure Abkürzungen durch den Wald.
Der Appetit kommt mit dem Fahren
Eigentlich hätte ich wissen müssen, daß es in der französischen Provinz außerhalb der Mittagszeit nur schwer etwas zu beißen gibt. Deshalb fahre ich zähneknirschend weiter zum nächsten größeren und unspektakulären Ort mit dem kryptischen Namen Oyonnax, um mich in einer Bäckerei mit etwas Eßbarem einzudecken. Ansonsten gibt es hier nur jede Menge Döner-Läden, die ich aber weiträumig umgehe. In Chancia, an der Spitze des Stausees, finde ich dann ein lauschiges Picknickplätzchen und lege eine gemütliche Mittagspause ein. Nach und nach schwindet das kernige Motorengeräusch meines Boxers aus meinen Ohren. Es bleibt das sanfte Rauschen des Waldes und vor allem – Ruhe.
Genussreisen in der Bresse
Gerade weil mein Tourengebiet in der Nachbarschaft der Bresse eine Zielregion der Genußreisenden ist. Heimat des Bressehuhns: in Freiheit aufgewachsen, mit seinem festen, aber nie faserigen Fleisch der Höhepunkt eines feinen Essens. Appellation d’Origine Contrôlée, echt nur mit dem Blechsiegel um den Hals.
Man könnte ebensogut von Hechtklößchen träumen, deren Essenz der Fluß liefert, an dem ich gerade entlangfahre. Vielleicht mit Sauce Nantua, der ein Örtchen in der Nachbarschaft ihren Namen gegeben hat. Basis ist eine ohnehin schon nicht gerade kalorienarme Béchamelsauce, angereichert mit Crème fraîche und Hummerbutter. Beliebt bei Fischgerichten, haut aber unheimlich rein.
Da müßte ich mir bei meiner Maschine glatt eine 180er Feder einbauen, um das Gefährt auf Kurvenstrecken in der Spur zu halten.
Eher ist schon an einen mild-würzigen Comté zu denken, der in dieser Gegend schon seit tausend Jahren in kleineren Käsereien hergestellt wird. Paßt ausgezeichnet zu den trockenen Weißweinen aus dem Jura. Oder zu einem Vin Jaune, einem strohgelben Sherry-ähnlichen Wein, der über sechs Jahre in Barrique-Fässern gereift ist. Mir bleibt aber heute nur mein Picknick mit Croissants und Tee aus der Thermoskanne.
Landleben im Ain
Die Einsamkeit meiner Motorradtour durch die Gorges de l’Ain setzt sich am Nachmittag fort. In endlosen Kurvenserien schwinge ich flott auf der sonnenbeschienenen Uferstraße dahin. Dabei überhole ich einen Pickup, unter dessen Heckklappe Blut herausläuft.
An der abgerissenen Truppe in der Doppelkabine erkenne ich, daß hier gerade eine Drückjagd ablaufen muß. Immerhin, man hätte sich schon die Mühe machen können, das erlegte Wild wenigstens anständig ausschweißen zu lassen. Ist halt doch nicht alles so wie bei uns. Prompt findet sich auch die Bestätigung durch aufgestellte Warnschilder und Gewehrschüsse am Berghang.
Noch ein paar Kilometer gondele ich durch die einsame Flußlandschaft, dann haben mich Nationalstraße und Autobahn wieder. Wie von einem inneren Autopiloten gesteuert fahre ich die erste Tankstelle vor der Stadt an und tanke bis zum Kragen voll. Denn als Optimist, der ich nun mal bin, freue ich mich schon jetzt auf die nächste Ausfahrt, wie auch immer das Wetter kommen mag.
Fazit
Die Motorradtour durch die Gorges de l’Ain läßt sich alternativ in zwei größere Tourenplanungen einpassen als:
- Zwischenetappe auf dem Weg nach Süden aus Richtung Genf oder Besançon kommend oder
- eigenständige Tour bei einer längeren Unternehmung mit mehrfachen Rundtouren im Raum Rhône-Alpes / Burgund.
Dabei bietet das gesamte Motorradrevier mehrere Vorzüge zugleich: gute Erreichbarkeit, angenehmes Klima, reizvolle Landschaft, vorzügliche Gastronomie und natürlich einsame Motorradstrecken mit allen Trümpfen, die einen fahrerisch erfüllten Motorradurlaub garantieren.
Logistische Hinweise für eine Motorradtour durch die Gorges de l’Ain
Landkarten:
Michelin Départements France 321 Doubs, Jura
Michelin Départements France 326 Ain, Haute-Savoie
Touristische Informationen:
https://www.france-voyage.com/frankreich-reisefuhrer/jura-departement.htm
Wein:
Käse:
Aktualisiert am 11/05/2022 von Christian