Eine Frühlingsflucht nach Italien verkürzt die Winterpause und tut der Seele gut. Drei Tourenvorschläge für einen vorgezogenen Saisonauftakt.
Geschätzte Lesedauer: 4 Minuten
Meine Lieblingstouren nach Italien:
Über die Alpen ans Meer
Wenn das Hochgefühl der abgelaufenen Motorradsaison noch in frischer Erinnerung ist und eine lange Serie bleigrauer Regentage das Lebensgefühl in unseren Breiten erlahmen läßt, beginnen Sehnsüchte nach Straßen unter südlicher Sonne zu sprießen. Wer träumt dann nicht davon, dem Frühling entgegen zu touren, um bei Licht und Wärme wieder aufzuleben? Ein vorgezogener Saisonauftakt, sozusagen?
Als regenerierende Anregung schlage ich euch drei Frühlingsfluchten nach Italien vor. Strecken, die ich im Laufe der Jahre immer wieder gerne gefahren bin. Ans Meer und zurück, angereichert durch bleibende Streckenerlebnisse.
Tour 1: Von Turin an die Riviera
Die Strecke von der piemontesischen Metropole Turin über die Berge an die sonnenbeschienene Riviera ist eine meiner Lieblings- und Genußtouren. Turin alleine ist schon ein Hochwertziel; Tradition, Stil und vor allem viel Geld sind hier zu Hause. Wer seine Sozia mitnimmt, sollte vorsichtshalber schon mal sein Kreditlimit erhöhen, wegen der vielen verlockenden Geschäfte.

Ein absolutes MUSS für Technikfans ist das Automobilmuseum mit tollen Exponaten aus der Fahrzeuggeschichte, einer Schau-Restaurierungswerkstatt und auch einem typisch italienisch durchgestylten Restaurant. Das ist der Ausgangspunkt unserer Tour an die Riviera.
Vom Ufer des Po aus durchqueren wir zunächst das piemontesische Flachland und anschließend die Langhe, eine weinreiche Hügellandschaft zwischen der oberen Poebene und den Ligurischen Alpen. Zwischenziel ist die mittelalterliche Altstadt von Alba, bekannt durch die weißen Trüffel, die in ihrer Umgebung wachsen. Wer ein straff durchgetaktetes Tourenprogramm fährt, sollte gut aufpassen und sich nicht zu sehr verlocken lassen von den zahlreichen Enoteken, Pasticcerien und Ristoranti mit all dem, was hier seinen kulinarischen Ursprung hat: massives Backwerk aus piemontesischen Nüssen, Carne all’Albese, Brasato al Barolo oder Vitello tonnato. Also begnügen wir uns vorsichtshalber erst mal in einer Bar mit einem Espresso mit Nußtörtchen – und dann wieder ab in den Sattel und bergan Richtung Barolo.
Einige der teuersten Weine Italiens kommen von hier, nicht nur der namensgebende aristokratische Barolo, sondern auch der vibrierende Barbera oder der joviale Barbaresco. Von einem Bergvorsprung aus grüßt das Castello dei Marchesi Falletti mit seinen ehrwürdigen Weinkellern, Sitz der renommierten Enoteca Regionale del Barolo. Wer sich davon verlocken läßt, wird seine Fahrt wahrscheinlich erst am nächsten Tag fortsetzen können.
Auf der SS 661 und der SP 28bis wird es dann richtig lustig, hügelauf, hügelab, mit immer neuen Ausblicken hinter den Kurven auf Weinberge und Obstgärten. Wir passieren Dogliani, Anbaugebiet des berühmten Vino Dolcetto und erreichen über Murazzano das Örtchen Millesimo, geprägt von seinem mittelalterlichen Rathausturm und seiner Burg. Die letzten verbleibenden Kilometer führen uns sanft bergab, dann landen wir an der palmengesäumten Strandpromenade von Savona. Sonne, Sand und südliches Lebensgefühl erwarten uns dort – und machen unseren grauen cisalpinen Winter vergessen.
Streckenplan
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.
Landkarten
Piemonte e Val d’Aosta, 1:200.000, Touring Club Italiano
Liguria, 1:200.000, Touring Club Italiano
Informationen
Automobilmuseum Turin: Corso Unità d’Italia 40, 10126 Torino
Piemont: https://www.visitpiemonte.com/de/ziele/willkommen-im-piemont
Ligurien : https://www.ligurien-info.de/
Tour 2: Von Verona an die ligurische Küste
Die zweite Frühjahrstour führt uns vom Fuße der Alpen bei Verona an die ligurische Küste nach Rapallo. Auch wenn dieser Ort als Ziel der Schönen und Reichen einen etwas besonderen Ruf besitzt – wir wollen ja nicht Bunga Bunga machen, sondern am glitzernden Meer den Frühling begrüßen.
Um unsere Ungeduld zu verkürzen, investieren wir zwei Silberlinge für die A 22, die wir nach einem Sprint bei Mantova Nord wieder verlassen. Vom Damm aus, der uns über den See ins Centro Storico führt, schweift unser Blick nach rechts zur Porta Giulia, wo im Jahre 1820 der Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer erschossen wurde.

Es wäre übertrieben, den folgenden Streckenabschnitt auf der SS 20 / A 21 „spannend“ zu nennen – aber er bringt uns wenigstens zz – ziemlich zügig – unserem Ziel näher. Cremona wäre gut für eine Mittagspause; Musikfreunde finden dort vielleicht ihren Weg zum Museo del Violino mit der bedeutendsten Stradivari-Sammlung der Welt.
Hinter Piacenza ist es dann bald geschafft – ab in die Berge. Eine berauschende Kurvenstrecke (SS 654 / SP 586 / SP 225 / SP 32) windet sich hoch über den Ligurischen Apennin Richtung Rapallo an die Mittelmeerküste. Mal zwängt sie sich durch enge Flußtäler, dann wieder überquert sie schmale Bergkämme. Spektakuläre Ausblicke über die wilde Berglandschaft steigern noch die Lust auf die Kurven hinter der nächsten Kuppe bis hinauf zum Passo del Tornarlo (1.482 m).
Eine solche Etappe durch das Land, in dem die Zitronen blüh’n setzt einen fortissimo-Schlußakkord, der innerlich noch lange nach dieser Tour nachhallen wird. Das Meer ist erreicht und mit ihm wunderbare Kurvenstrecken, die an seinen Gestaden entlang führen.
Streckenplan
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.
Landkarten
Lombardia, 1:200.000, Touring Club Italiano
Liguria, 1:200.000, Touring Club Italiano
Toscana, 1:200.000, Touring Club Italiano
Informationen
Emilia-Romagna: https://emiliaromagnaturismo.it/de
Ligurien : https://www.ligurien-info.de/
Tour 3: Motorenkultur in Oberitalien
Lamborghini, Ferrari, Ducati, Benelli – meine dritte Frühlingsflucht nach Italien führt zu den Ikonen des italienischen Automobil- und Motorradbaus. Ein Leckerbissen für alle, die Benzin im Blut haben.
Von Verona aus, seit je her Einfallstor der germanischen Völkerwanderung nach Süden, begeben wir uns auf die Strada Statale 12. Dieser Direttissima von Mitteleuropa in die Toskana eilt nicht gerade der Ruf einer begeisternden Motorradstrecke voraus. Da aber die parallel verlaufende A 22 die Masse des Nord-Süd-Verkehrs aufnimmt, kommt man auf der Landstraße zwischen den eher spärlichen Ortschaften recht flott voran. Der Blick gleitet über Obstgärten, Mais- und Reisfelder, bleibt hängen an stattlichen Bauerngütern und Pappelreihen entlang der Bewässerungskanäle. Allmählich kommt im Inneren ein mediterranes Lebensgefühl auf.
Bei Ostiglia rollen wir auf einer mehrgliedrigen Stahl-Fachwerkbrücke über den Po, der hier die Grenze zwischen dem Veneto und der Lombardei bildet. Wer die ganz feine regionale Küche kennenlernen möchte, sollte sich in Revere am südlichen Flußufer einen Tisch im Ristorante Il Tartufo reservieren. Grandiose Küche, Lichtjahre entfernt vom „Lieblingsitaliener um die Ecke“. Nur so als Tipp.
20 km weiter ist das Städtchen Mirandola einen Stopp wert, gebaut nach einem Renaissance-Idealplan in Form eines mehrzackigen Sterns. Unsere SS 12 führt direkt an der Stadtmauer entlang.

Von hier aus umrunden wir Modena, immer weiter auf der Landstraße, vorbei an und durch Ortschaften, die für unsereinen alle gleich aussehen. So auch Sant‘Agata Bolognese – wäre da nicht die Produktionsstätte von Lamborghini mit seinem todschicken Museum. Noblesse oblige. Der klassische Traktorenhersteller hat sich, nicht zuletzt dank deutscher Investition, zu einem echten Vorzeigeunternehmen gemausert. Was mich bei meinem letzten Besuch besonders beeindruckt hat: die schweren Lederbände im Chefbüro mit den Namen aller spanischen Kampfstiere, aus denen man die Namen für die kommende Sportwagenserie auswählt. Werksführungen werden ab Mai 2024 wieder angeboten. Wer Lambos in action sehen will: Da die Firma keine eigene Teststrecke hat, werden die Wagen auf den umliegenden Landstraßen eingefahren. Also gut aufpassen!
Keine 40 km weiter sitzt die knallrote Konkurrenz – Ferrari in Maranello. Auch hier beherrscht die Marke den ganzen Ort und darüber hinaus akustisch die weitere Umgebung: Gleich neben der Fabrik liegt die werkseigene Rennstrecke, von der aus der kreischende Sound echtes Formel 1-feeling herüberwehen läßt. Gleiches Programm wie bei Lambo: todschickes Museum mit Flagship Store und Werksführung. Ein unvergeßliches Erlebnis!
Wer jetzt Blut geleckt hat und noch mehr rote Farbe sehen will, sprintet 40 km weiter an den Stadtrand von Bologna – zum Ducati-Museum in Borgo Panigale, gleich neben dem kommunalen Friedhof. Einen Museumsbesuch sollte man keinesfalls versäumen; allerdings ist es empfehlenswert, sich rechtzeitig über aktuelle Öffnungszeiten und Sonderprogramme zu informieren. Und in der Gepäckrolle noch etwas Platz lassen für Souvenirs aus dem Shop.
Auf der A 14 geht es dann endlich die letzten 150 km dem Meer entgegen. Kilometerlange Strände locken, die Motorradstiefel werden abgestreift. Während nördlich der Alpen die Leute den Regenschirm aufspannen, lassen wir im feinen Sand die auflaufenden Wellen unsere Füße umspülen. Und abends lassen wir uns in einem Ristorante an der Strandpromenade kulinarisch verwöhnen.
So sind wir am nächsten Tag bereit für den letzten Museumsbesuch: beim Traditionshersteller Benelli am Rande des Stadtzentrums. Hier erwarten uns 150 Motorräder von Benelli und MotoBi von den Anfängen der Produktion bis heute. Eine wunderschöne Zugabe am Endziel unserer Frühlingsflucht nach Italien.
Streckenplan
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.
Landkarten
Italia Settentrionale, 1:400.000, Touring Club Italiano
Informationen
Museo Lamborghini
Via Modena 12, 40019 Sant’Agata Bolognese (BO)
https://www.lamborghini.com/de-en/museum#val-tab
Museo Maranello
Via Dino Ferrari 43, 41053 Maranello (MO)
https://www.ferrari.com/de-DE/museums/ferrari-maranello
Museo Ducati
Via Antonio Cavalieri Ducati 3, 40132 Bologna (BO)
https://www.ducati.com/ww/en/borgo-panigale-experience
Museo Officine Benelli
Viale Goffredo Mameli 22, 61121 Pesaro (PU)
https://www.officinebenelli.it/officine/2021/il-museo/
Wie wird das Wetter?
Mein Favorit für die Wettervorhersage in Italien ist der Meteorologische Dienst der italienischen Luftwaffe: www.meteoam.it
Fazit
Eine Frühlingsflucht nach Italien verkürzt nicht nur die graue Motorrad-Winterpause. Sonne, Licht und Blütenduft tun auch der Seele gut. Das alles umso mehr, wenn man die Tour mit Erlebnissen anreichert, die über den Tag hinaus haften bleiben. Was für ein Auftakt in die neue Saison!
Aktualisiert am 18/11/2023 von Christian
Wolfgang
18. November 2023 at 21:26
Hallo Christian, in welchem Monat bist Du da losgefahren? Tolle Trips, die ich je nach Wetterlage bald mal machen werde. LG
Christian
19. November 2023 at 11:19
Die Zeit um oder kurz nach Ostern paßt eigentlich immer, abhängig natürlich von der Großwetterlage. Viel Spaß beim Nachfahren!
Viele Grüße
Christian
Roland Neumann
19. November 2023 at 11:39
Sieht alles sehr gut aus für dich. Für mich wäre schon eine Anfahrt bis zum Gardaseeraum von 1.100 km, zum Teil bei Regengüssen, Schneefall und Eis zu gefährlich und undenkbar. Niemals! Allein, dass ab 7 Grad und darunter die Haftung von Reifen des Motorrades auf dem kalten Asphalt deutlich nachlässt.
Ein Wegrutschen reicht. Das habe ich selbst schon erfahren müssen, bei Kälte, Regen und unsichtbaren Bitumen auf der Strasse. Seitdem lasse ich das.
Aber, vielleicht bist du mit Auto und dem Motorrad auf dem Hänger dort runter gefahren. Dann wäre das für mich denkbar. Was dann bei mir die Einschränkung wäre, das wäre der Umstand und die Kosten. Es wäre mir schlicht zu aufwändig und zu teuer, so etwas. Ich wünsche dir eine gute Adventszeit und ein gesegnetes Weihnachten 2023.
Lg Roland
Christian
20. November 2023 at 14:49
Lieber Roland,
während mehrerer Jahre Studium und Beruf in Italien konnte ich viele schöne Strecken von dort aus erkunden und genießen. Zurück in Deutschland, bleibt in meteorologisch unsicheren Zeiten halt nur der Transport des Motorrades in die Nähe der alten Sehnsuchtsorte. Lange Anfahrten erspare ich mir mittlerweile. Dafür gibt es Sprinter & Co.
LG Christian