Die beste Motorradstrecke durch den Bayerischen Wald schlängelt sich an der tschechischen Grenze entlang nach Passau. Wie verläuft die Tour der Extraklasse?
Streckenkonzept
Der Bayerische Wald ist mit seiner unschlagbaren Kombination aus Kurvenstrecken, Landschaft, Gastronomie und Erlebniswert das wohl reizvollste Motorrad-Großrevier Deutschlands. Entsprechend kursieren auch zahllose mehr oder minder gute Tourenvorschläge. Aber kaum einer erfaßt den Reiz dieses rauhen Mittelgebirges für den Motorradfahrer in seiner Gänze.
Damit stellt sich die Frage: Was ist die beste Motorradstrecke durch den Bayerischen Wald? Wie verläuft die ultimative Bayerwaldtour?
Ausgangspunkt der Streckenplanung war die alte Bayerische Ostmarkstraße. Bei unseren Familienausflügen in den 50er Jahren war sie noch wirklicher Far East mit unbefestigten Schotterstrecken. Späterhin wurde aber die Sequenz der Bundesstraßen 15 – 22 – 82 von Hof über Cham nach Passau überbaut. In der Folge stieg ihre Verkehrsbelastung, was die Fahrfreude naturgemäß einschränkt.
Also recherchierte ich gründlich bei meinen Gewährsleuten in Niederbayern und der Oberpfalz. Darüber hinaus kramte ich längst verschüttete Erinnerungen an tolle Strecken hervor, die ich einst am Steuer des legendären MAN-Fünftonners (in RAL 6014) gewonnen hatte.
Nicht zuletzt: Die Tour sollte ein gemeinsames Vater-Sohn-Erlebnis werden. Ich wollte meinem in der norddeutschen Tiefebene lebenden Sohn, der diese Gegend noch nicht kannte, ein reizvolles Stück Deutschland näherbringen.
Geräte der Wahl waren dabei meine Yamaha FJR 1300 und bei meinem Sohn seine Ducati Multistrada 1200 S. Beide Maschinen erhielten vor Fahrtantritt einen frischen Satz Metzeler Roadtec 01. Damit machten wir uns ans Werk, fest entschlossen, die Reifen auch von Schulter zu Schulter abzufahren, wenn wir sie schon von Schulter zu Schulter bezahlt hatten.
Streckenverlauf
Nach Optimierung der einzelnen Streckenvorschläge zu einer Gesamtroute kam folgende Routenführung für die beste Motorradstrecke durch den Bayerischen Wald heraus:
Reichenbach i. V. – Bad Brambach – Franzensbad – Eger – Waldsassen – Mähring – Bärnau – Flossenbürg – Waidhaus – Schönsee – Tiefenbach – Waldmünchen – Furth i. W. – Lam – Lohberg – Arber – Neuschönau – Mauth – Philippsreuth – Waidmühle – Dreisesselberg – Neureichenau – Wegscheid – Rohrbach/O. Ö. – Obermühl/O. Ö. – Engelhartszell/O. Ö – Kasten/O. Ö. – Obernzell – Passau. 535 km
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.
Fahrerische Höhepunkte sind dabei die Straßen durch den Lamer Winkel, den Nationalpark Bayerischer Wald und auf den Dreisesselberg sowie die Schlußstrecke an der Donau entlang bis Passau. Die Streckenlänge der vier Tagesetappen haben wir vernünftig begrenzt, um auf den überaus kurvenreichen Streckenabschnitten die nötige Konzentration nicht zu verlieren. Und um die Fahrt ausgiebig genießen zu können.
Von Berlin ins Erzgebirge
Um die beste Motorradstrecke durch den Bayerischen Wald genießen zu können, müssen wir erst einmal die Eintönigkeit Mitteldeutschlands hinter uns bringen. 345 nicht gerade aufregende Bundesstraßen-Kilometer über Treuenbrietzen – Wittenberg – Leipzig – Zeitz – Gera – Greiz bis nach Reichenbach im Vogtland.
Die Reise ging durch die Mark – also gibt es davon nichts Interessantes zu erzählen. Wir fuhren über Treuenbritzen nach Wittenberg und fanden, als wir auf der sächsischen Grenze das Auge einigemal zurück auf unser Vaterland warfen, daß dieses sich immer besser ausnahm, je weiter wir uns davon entfernten.
— Heinrich von Kleist an Wilhelmine von Zenge, 30. August 1800
In Reichenbach schlagen wir unser Basislager auf. Eine schlichte Pension, hinter der wir unsere Maschinen sicher abstellen können. Die gastronomische Szene des Ortes ist leider stark ausgedünnt, so daß wir mit einem kargen Diner vor einer Take-Out-Pizzeria Vorlieb nehmen müssen. Nicht schlecht zwar. Aber auch nicht gerade das, was wir uns auf den vorangegangenen 345 Kilometern vorgestellt hatten.
Vom Erzgebirge zum Bayerischen Wald
Reichenbach i. V. – Franzensbad – Eger – Waldsassen. 94 km
Charmant an unserer Strecke durch das Vogtland ist, daß sie uns zwischen Erzgebirge und Fichtelgebirge durch das herrlich romantische Tal der Weißen Elster direkt zum Bayerischen Wald führt. Der leider teilweise rege LKW-Verkehr braucht uns dabei weniger zu stören, denn der „Sport“-Modus unserer Maschinen regelt mühelos flottes Vorankommen.
Zunächst besuchen wir die Göltzschtalbrücke bei Netzschkau. Ein technisches Denkmal ersten Ranges, mit 98 Bögen die größte Ziegelsteinbrücke der Welt. Diesen majestätischen Anblick sollte man sich keinesfalls entgehen lassen. Durch den Nordwestzipfel Böhmens gelangen wir bei Waldsassen auf bayerisches Gebiet.
Start in Waldsassen
Waldsassen – Mähring – Bärnau. 40 km
Am Startpunkt unserer Bayerwaldstrecke begrüßen uns schon von Weitem die Türme der Stiftsbasilika Waldsassen, einer der eindrucksvollsten bayerischen Barockkirchen. Für einen Besuch des Dientzenhofer-Baus reicht die Zeit noch. Einen Gang durch die herrliche Stiftsbibliothek müssen wir aber auf spätere Zeiten verschieben. Als dräuende Regenwolken aufziehen, sehen wir zu, daß wir eilig südwärts vorankommen. Aber schon im Egerer Stadtwald bei Neualbenreuth holt uns bösartiger Regen ein. Ein kleiner Trost immerhin: Bei regennasser Straße bewähren sich unsere neuen Metzeler Roadtec 01 mit fabelhaftem Grip.
Im Knopfmacherstädtchen Bärnau haben wir dann endgültig genug und suchen Zuflucht in einem schmucken Gasthof am Marktplatz. Dort erwärmen wir uns gleichermaßen am starken Kaffee wie am Mitgefühl der anderen Gäste. Nicht ungern folgen wir deren Rat, lieber gleich hier zu bleiben und das vorhergesagte bessere Wetter am nächsten Tag abzuwarten. Unsere Maschinen finden derweil trockene Zuflucht im Schuppen des Gastwirts.
Glasstrasse nach Zwiesel
Bärnau – Flossenbürg – Waidhaus – Schönsee – Tiefenbach – Waldmünchen – Furth i. W. – Lam – Bodenmais – Zwiesel. 167 km
Der Rat der Einheimischen war Gold wert. Nach einem kräftigen Frühstück begrüßt uns nicht nur die adrette Verkäuferin in der benachbarten Metzgerei (frische Leberkässemmeln für unterwegs), sondern auch strahlender Sonnenschein.
Optimale Bedingungen für die wohl attraktivste Etappe unserer Tour: sommerliche Morgensonne, null Verkehr, Wechselkurven auf und ab ohne Ende. Bayerwald pur, wie man ihn anderwärts kaum noch so findet. Nach allem, was ich bisher gefahren bin, ist dies wirklich die beste Motorradstrecke durch den Bayerischen Wald.
No stop signs, speed limit
Nobody’s gonna slow me down
Like a wheel, gonna spin it
Nobody’s gonna mess me around.— AC/DC, Highway to Hell
Immer nah entlang der tschechischen Grenze folgen wir der Glasstraße. In den Tälern reiht sich an rauschenden Bächen Mühle an Mühle, Glasschleiferei an Glasschleiferei. Unsere schmale Straße windet sich gen Süden. Das Testastretta-Aggregat meines Sohnes schöpft aus dem Vollen. Mit ihren nicht enden wollenden Kurvenstrecken ist diese Gegend ist wahres Ducati-Land. Mit meiner brockenschweren FJR muß ich mich da schon dranhalten.
Trotzdem nehmen wir immer wieder das Gas heraus, um von den Bergkämmen aus das wunderbare Landschaftspanorama des Bayerischen Waldes zu genießen. Wie ein Riegel schiebt sich uns der Hohe Bogen (1.079 m) in den Weg. Vor der Wallfahrtskirche von Neukirchen beim Hl. Blut legen wir Mittagsrast unter einer uralten Linde ein. Der Granitstein daneben lädt uns zur Fortsetzung unserer Motorrad-Wallfahrt nach Santiago de Compostela ein. Keine schlechte Idee.
Waren wir bislang schon so gut wie allein unterwegs, wird es im Lamer Winkel noch einsamer um uns. Etwas belebter wird es erst, als wir zum Großen Arber (1.456 m) hochfahren, am Arbersee entlang und dann hinunter nach Bodenmais. Von gegenüber grüßen der Große Falkenstein (1.315 m) und der Große Rachel (1.453 m).
Weisswurstäquator in Zwiesel
Nach dieser stundenlangen Kurverei haben wir uns wahrlich einen auflockernden Spaziergang durch unseren heutigen Zielort Zwiesel verdient. Nicht entgehen lassen wir uns die Gläserpyramide vor der Glasfabrik, die dort aus 93.665 Weinkelchen aufgestapelt ist.
Daß man in Zwiesel ein besonderes Bier braut, wird uns an der örtlichen Dampfbierbrauerei klar. Schön, daß mit solchen Erzeugnissen die immer eintöniger werdende Landschaft der Industriebiere aufgelockert wird. Wie wir später feststellen, schmeckt das Dampfbier ganz prima. Wir fühlen uns an unsere frühere Hausmarke Anchor Steam Beer in San Francisco erinnert.

Dampfbierbrauerei in Zwiesel: Der Braumeister machte hier eine Anleihe bei Cicero, De amicitia, Kap. 79: Alles Vortreffliche ist selten.
Die Entdeckung des Tages ist zweifellos der Kirchenwirt in der Ortsmitte mit seinem schattigen Biergarten. Ein „musikantenfreundliches“ bayerisches Wirtshaus ohne Schnörkel und Chichi, ehrlich, urig, mit exzellenter Speisekarte und einer Küche, für deren Qualität die guten Zutaten garantieren.
Danach ist wahrhaft ein Verdauungsspaziergang angesagt. Wir machen uns auf zum Weisswurstäquator, der hier am 49. Breitengrad verläuft. Nun haben wir es amtlich.
Nationalpark Bayerischer Wald
Zwiesel – Spiegelau – Neuschönau – Mauth – Philippsreuth – Haidmühle – Dreisesselberg – Jandelsbrunn – Hauzenberg. 186 km
Unsere Tagesetappe verläuft zum großen Teil durch den Nationalpark Bayerischer Wald: Tiefe Wälder, hohe Tannen, naturbelassenes Altholz im Waldesinneren. In dieser Umgebung ist Adalbert Stifters Erzählung „Der Hochwald“ entstanden, die schwärmerisch vom Zauber der Waldeinsamkeit erzählt.
Wir aber folgen in flottem Tempo einer gewundenen Teerstraße, die bis weit in die 60er Jahre hinein noch eine rauhe Schotterpiste war. 16° zeigt das Thermometer auf meinem Display an. Die Alten hatten schon recht mit ihrem Sprichwort:
Nei Monat‘ Winter – drei Monat‘ koid – des is da Woid.
Als wir hinter Philippsreut endgültig nach Süden einbiegen, grüßt uns von weitem der Dreisesselberg. Hinter Haidmühle biegen wir links ein und genießen die zügig befahrbaren Biegungen der Bergstraße. Am Parkplatz unterhalb des Gipfelhauses stellen wir unsere Maschinen ab und genießen bei einem Picknick am Wegesrand den weiten Blick über den Unteren Bayerischen Wald.
Dein staunender und verwirrter Blick ergeht sich über viele, viele grüne Bergesgipfel, in webendem Sonnendufte schwebend, und gerät dann hinter ihnen in einen blauen Schleierstreifen – es ist das gesegnete Land jenseits der Donau mit seinen Getreidehängen und Obstwäldern.
— Adalbert Stifter, Der Hochwald
Dann lassen wir uns wieder bergabwärts rollen und erreichen am späteren Nachmittag unser Quartier in Hauzenberg – rechtzeitig, um im nahegelegenen Freudensee noch ein erfrischendes Bad zu nehmen.
Mühlviertel: an der Donau entlang nach Passau
Hauzenberg – Stift Schlägl – Rohrbach – Obermühl (Fähre) – Kasten (Fähre) – Obernzell – Passau. 117 km
Wenn wir uns schon die beste Motorradstrecke durch den Bayerischen Wald herausgesucht haben, dann soll sie mit einer Umfahrung seiner Südflanke und einer Schlußetappe an der Donau entlang nach Passau enden.
Zunächst überqueren wir die Landesgrenze zum oberösterreichischen Mühlviertel und statten dem Praemonstratenserstift Schlägl einen Besuch ab.
Das Kloster, das 2018 sein 800jähriges Bestehen feierte, betreibt Landwirtschaft nach ökologischen Grundsätzen. Einschließlich einer renommierten Brauerei, deren Erzeugnisse wir uns aber aus wohl erwogenen Gründen versagen müssen.
Von Rohrbach aus zwängt sich eine kleine Landstraße durch ein enges Tal hinab zur Donau nach Obermühl, wo uns eine altertümliche Holzfähre zur Überfahrt erwartet.
Am rechten Donauufer folgt dann ein traumhafter Streckenabschnitt, wie geschaffen für Romantiker*innen. Über lange Kilometer gondeln wir auf einem schmalen Sträßchen unmittelbar am kraftvoll dahinziehenden Strom entlang.
Die Strecke verliert auch nichts an ihrem Reiz, als wir später auf die A 130, die Nibelungenstraße, zurückkehren müssen. Bei Kasten warten wir dann abermals auf eine Donaufähre, die uns nach Obernzell auf bayerisches Territorium hinüberbringt.
Mit zielsicherem Blick orten wir am jenseitigen Ufer ein properes Gasthaus mit Wirtsgarten, in dem wir unsere Tour beschließen wollen.
Unter einer uralten Linde werden wir von einer aufmerksamen Bedienung mit Kaffee und hausgemachtem Apfelstrudel versorgt. Ein würdiger Abschluß einer abwechslungsreichen, fahrerisch erfüllenden Mittelgebirgstour, die in vieler Hinsicht ihresgleichen sucht.
Hinterm Horizont geht`s weiter
Die letzten Kilometer nach Passau hinein könnten ein wehmütiger Abschied von einer tollen Motorradstrecke sein – wenn, ja wenn da nicht noch tausend Kilometer durch die Fränkische Schweiz, den Thüringer Wald und den Harz folgen würden. Davon aber mehr an anderer Stelle.
Aktualisiert am 07/08/2023 von Christian
Thomas Pattermann
10. Januar 2022 at 14:53
Danke für die ausführliche Streckenbeschreibung – interessanter Artikel
Strempel Jürgen
20. Juni 2022 at 23:19
Ich plane eine Tour… Lieben Dank für Eure Beschreibung!
Christian
21. Juni 2022 at 22:09
Freut mich! Viel Spaß auf der Tour und viele Grüße von unserer Mittsommernachtstour nach Schweden