Von besonderen Motorradklamotten mit Tradition trennt man sich nicht, weil sie etwas ganz Persönliches haben. Welche Ausrüstungsstücke sind das?
Besondere Motorradklamotten haben etwas Sentimentales
Wanderer und Jäger kennen das: Am Anfang decken sie sich mit allen möglichen Bekleidungsstücken ein, die sinnvoll und nützlich erscheinen. Dann wird der Schrank immer voller. Schließlich man weiß kaum mehr, was man für welches Wetter herausholen soll.
Doch mit der Zeit ändert sich das. Dann haben sich bestimmte Lieblingsstücke profiliert, die unabhängig von Wind und Wetter eisern ihren Vorzugsstatus behaupten. So begegnen wir unterwegs Wanderern mit weichgelatschten Tretern und ausgebeulten Hosen. Und auf der Jagd zählt es häufig zum guten Ton, in möglichst abgerissenem Zustand am Sammelplatz zu erscheinen. Mit mottenzerfressenem Lodenmantel und speckiger Lederhose (was man sich aber nur als ordentlicher Schütze leisten sollte).

Eine Hirschlederhose hält ein Leben lang
Es müßte ein wahres Wunder sein, wären wir Motorradfahrer nicht auch von diesem Eigensinn infiziert. Mit allen möglichen Gründen werden die merkwürdigsten Motorradklamotten legitimiert: Sie passen doch noch. Sie haben sich auf meinen Touren hervorragend bewährt. Es ist doch lustig, auch mal sowas zu tragen …
Meine persönliche Klamottenauswahl
Ich gebe zu, auch ich bin nicht frei von solcher Sentimentalität. An welchen Klamotten hänge ich beim Motorradfahren am meisten?
Motorradklamotten für Kopf & Kragen
Was ich nicht leiden kann, ist kalter Luftzug zwischen Helm und Kombi im Winter. Meine Rukka-Armas-Jacke hat zwar einen prima Halsschutz. Behaglicher ist es aber, bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt noch etwas drunterzuziehen.
Bei erträglichen Temperaturen binde ich mir den weißen Fliegerschal um den Hals, ein Erbstück meines Vaters. Mit vielen Tausend Flugstunden zwischen Schottland und Rußland ist er ein Familien-Traditionsstück, das schlimme Zeiten überlebt hat.
Wenn es kälter wird, schützt mich der NVA-Schlauchschal, genannt „Oma“, vor den Unbilden der Witterung. Ein echtes Superteil, auch mehr als drei Jahrzehnte nach Auflösung der Armee.
Motorradklamotten für Leib & Seele
Irgendwann war ich der Einheits-Funktionswäsche überdrüssig und suchte für meinen Bestand an Motorradklamotten etwas Originelleres. Fündig wurde ich bei einem einschlägigen Ausrüster in Jekaterinburg im Ural, bei dem ich im Schaufenster ein Sortiment Telnjaschkas entdeckte. Das sind die Hemden und Pullover, wie sie seit 1874 bei der russischen Marine und später auch bei den Fallschirmjägern getragen werden.

Russische Fallschirmjäger mit Telnjaschka: Die 76. Garde-Luftlandedivision wirbt in Krasnodar (Südrußland) um Nachwuchs
Für ein paar Rubelchen erstand ich die Kurzarmversion für den Sommer und eine vierfach gestrickte Warmvariante, wie sie an die Matrosen der russischen Nordflotte ausgegeben wird. Dieses Teil ist der kuscheligste Pullover in meinem Schrank. Ich liebe ihn. Vor allem hält er mich auf winterlichen Touren mollig warm.
Das westliche Gegenstück dazu ist ein T-Shirt mit Aufdruck, das ich auf der Suche nach einer Werkstatt bei einer Tour durch den tiefen Süden der USA gefunden habe. Zwischen Texas und Georgia waren absolut keine passenden Reifen für meine GS zu bekommen. Welche Erleichterung, als der BMW-Händler in Oklahoma City mich freundlich in seine Werkstatt winkte. In der Zwischenzeit studierte ich sein Angebot im Laden und kam an dem T-Shirt nicht vorbei. Der Aufdruck wurde zu meinem Motto für ein Motorradleben.
Und ein Paar Manschettenknöpfe für den Alltagsgebrauch gab es dort noch dazu – allerdings erst hinterher von Christine als Geburtstagsgeschenk.
Ausgefallenes für die Füsse
Mein letztes Lieblingsstück versteckt sich in den Motorradstiefeln: knallrote Seidenstrümpfe. Seide hat (siehe weißer Schal oben) den Vorteil, sich bei einer großen Temperaturspanne zwischen kalt und warm sehr angenehm zu tragen. Vor allem hat Seide unschlagbare Trageeigenschaften: Sie ist
- atmungsaktiv und temperaturisolierend,
- federleicht, elastisch und stabil,
- für Allergiker geeignet,
- wenig schmutzanfällig und unempfindlich gegenüber Gerüchen und
- trocknet schnell, was für das Waschen während der Tour wichtig ist.
Solche Stücke sind aber im normalen Handel kaum zu bekommen. Fündig wurde ich bei meiner Suche jedoch bei einem Spezialausrüster für den höheren Klerus in Rom. Hier bekommt man von grauer Unterwäsche für Nonnen bis zum weißen Papstgewand so ziemlich alles, was auf dem professionellen Weg zur ewigen Seligkeit von Nöten ist.
Kurz und gut, es gibt dort auch purpurrote Seidenstrümpfe für Kardinäle. Wenn ich in Rom bin, besorge ich mir bei meinem outfitter Ersatz. Die drei Eminenzen, die in Deutschland die gleichen Strümpfe tragen (dürfen), mögen mir verzeihen, daß ich mich als Laie ihrem dresscode angeschlossen habe.
TIP: Bei alledem sollte man aber einen guten Ratschlag aller Stilratgeber beherzigen: Immer nur ein einziges besonderes Stück anziehen. Sonst sieht man am Ende aus wie ein Kasper.
Aktualisiert am 05/12/2019 von Christian