Was kannst du erleben, wenn du Alternativrouten abseits der Autobahn fährst und Landstraßen abseits des Verkehrsgetümmels eroberst?
Geschätzte Lesedauer: 4 Minuten
Weg von der Autobahn
Wer schon ein bißchen in diesem Blog herumgelesen hat, kennt meinen Widerwillen gegen endlose Autobahnstrecken zu fernen Tourenzielen: immer geradeaus, Langeweile, Ferienverkehr, überteuerte Autobahnraststätten. Deshalb suche ich wo immer möglich lohnende Alternativstrecken, auch wenn sie mehr Zeit oder eine zusätzliche Übernachtung kosten.
Jüngstes Tourenprojekt: eine zügig und schön zu fahrende Alternativstrecke von Salzburg nach Berlin. Für die Heimfahrt von unserer Alpentour wollen wir die notorisch zugestaute A 8 von Salzburg nach München und die endlose A 9 von München nach Berlin meiden und die rund 700 Kilometer auflockern, die uns noch von zuhause trennen.
Meine Alternativroute für die Autobahnstrecke Salzburg-Berlin verläuft durch Niederbayern und die Oberpfalz nach Norden und biegt bei Weiden nach Osten in das Egerland ab. Hinter Karlsbad überqueren wir das Erzgebirge und kommen bei Oberwiesenthal wieder auf deutsches Gebiet. Über Annaberg-Buchholz und Zschopau führt die Strecke zwischen Leipzig und Dresden durch geradewegs nach Norden. Ab Falkenberg (Elster) geht es dann auf gut ausgebauten Straßen immer geradeaus über Jüterbog und Luckenwalde nach Berlin.
Welche Erfahrungen haben wir auf dieser Alternativroute abseits der Autobahn gemacht?
Durch Niederbayern
Ausgerechnet durch das ländliche Niederbayern nach Berlin zu fahren ist wohl nur für sehr wenige die erste Streckenwahl. Aber eine, die sich unbedingt lohnt:
Gemütlich lassen wir es im Grenzort Freilassing angehen und fahren an der Salzach, die hier die Grenze mit Österreich markiert, auf der Bundes-und Staatsstraße Richtung Altötting. Jenseits des Flusses liegt Mattighofen, aber für einen Besuch bei KTM fehlt uns heute leider die Zeit. Stattdessen legen wir eine Pause im Wallfahrtsort Altötting ein und besuchen die Gnadenkapelle. Voll bestückt mit Votivtafeln zum Dank für überstandenes Unheil finden sich auch solche, die Motorradunfällen gewidmet sind.
Auf den Straßen durch Niederbayern kommen wir erfreulich flott voran. Kein Wunder, in der Heimatregion von Rallye-Weltmeister Walter Röhrl liebt man einen dynamischen Fahrstil.
Beim Beschleunigen müssen die Tränen der Ergriffenheit waagrecht nach hinten abfließen.
— Walter Röhrl
Wen wundert’s da noch, daß Niederbayern in der Statistik der „Fahrerlaubnismaßnahmen“ ziemlich weit vorne liegt?
Mit schönem Schwung lassen wir uns wenig später den Uferhang hinabgleiten nach Landshut an der Isar, eine wunderschöne historische Stadt, um die man keinesfalls einen Bogen schlagen sollte. Also paradieren wir mitten hinein ins Zentrum und gönnen uns dort die ortsübliche Leberkässemmel.
Durch die Oberpfalz
Hinter Landshut überrascht uns die autobahnähnliche Streckenführung der B 15n nach Regensburg. 55 Kilometer freieste Fahrt bei homöopathisch dünnem Verkehr, auf denen der Tempomat seine Routinearbeit verrichten darf.
Regensburg, das wir gut kennen, lassen wir heute aus und fahren geradewegs weiter auf die anschließende A 93 Richtung Weiden (Oberpfalz). Auch hier geht es flott voran, vielleicht wegen der fehlenden LKW am Samstagnachmittag. Wie gesagt: Nicht immer läßt sich ein Stück Autobahn meiden. Wir nehmen das aber gerne in Kauf, wenn sich dadurch Zeit gewinnen läßt.
Mittlerweile verfolgt uns eine dräuende Regenfront, die uns leider auf unserem weiteren Weg nach Norden begleiten soll. Kurz vor Toresschluß entern wir noch einen NETTO-Markt in Weiden und erstehen als Opfertrank zum Gegenwert von zwei Litern Super bleifrei zwei funkelnde Fläschchen, die diesen Abend nicht überleben sollten.
In der folgenden Nacht steigert sich bedenklich die Kadenz der Regentropfen, die an unser Hotelzimmerfenster hämmern. Viel Spaß für die folgenden 450 Kilometer! Gestärkt durch ein hervorragendes Frühstück gehen wir die Etappe beherzt an, auch wenn ich in den gelb-schwarzen Fanfarben von Borussia Dortmund vielleicht etwas eigenartig erscheine. Regendicht und verkehrssicher ist die zweiteilige Kombi (Held) aber allemal.
So ungemütlich die folgende Etappe über Mitterteich bis zur tschechischen Grenze auch sein mag, ich bin heilfroh, dieses Teil auch bei der vorangegangenen Sommerhitze mitgeschleppt zu haben. (Christines Stadler-Kombi ist von Hause aus regendicht.)
Durch Nordböhmen
Meine vage Hoffnung, die Höhen des Böhmerwaldes mögen die Regenfront aufhalten, erfüllt sich leider nur zum Teil. Also munter voran auf der tschechischen D 6 bis Karlsbad, die samt Umgebung an diesem unwirtlichen Sonntagmorgen töter ist als tot. A propos tot: Hier in Eger wurde im Dreißigjährigen Krieg der Feldherr Albrecht von Wallenstein erstochen. Und im Schloß Dux (Duchcov), ein Stück weiter, erlag 1798 der Frauenheld Casanova dem Schlagfluß. Entzückend. Da hilft auch das alte Sprichwort nicht weiter, das sagt:
In Brüx is nix / In Dux is Jux / Aber in Komotau ist der Himmel blau.
Von wegen. Also weiter das Erzgebirge hoch bis zur deutschen Grenze.
Erzgebirge und Sachsen
Die Wetterfront klammert sich am Südhang des Erzgebirges fest. Das Motorradrevier wird zum Wassersportrevier. Sehr schade, aber wir trösten uns damit, daß wir im Altweibersommer hierher zurückkehren wollen, um Straßen und Landschaft bei annehmlicherem Wetter zu genießen.
Die Schieferdächer von Oberwiesenthal schimmern in depressivem Schwarzgrau wie einst in Karl Mays Erzgebirgischen Dorfgeschichten. Fast schon zynisch klingt es, auf dem Weg nach Annaberg-Buchholz eine Ortschaft mit dem passenden Namen Niederschlag zu durchfahren. Aber es geht flott vorwärts. Gerne würde ich einmal eine Drohnenaufnahme von uns sehen, wie wir eine Gischtfontäne hinter uns herziehen.
Hinter Zschopau beginnt der Himmel, sich etwas zu lichten. Augustusburg mit seinem vom Alten Fritz geplünderten Schloß muß dennoch links liegen bleiben. Ab Frankenberg bringt uns die B 169 zügig durch Mittelsachsen. Von der brandenburgischen Landesgrenze bei Mühlberg an verschwindet dann auch die letzte Kurve, die Straße streckt sich bis zum Horizont. Aber zügig voran abseits der Autobahn, das wollen wir ja.

Märkische Heide, märkischer Sand: zurück in Brandenburg bei Herzberg (Elster) [auf einer früheren Tour]
Fazit
Wenn man nicht gerade eine Extremwettertour abspult, machen Alternativrouten abseits der Autobahn wie die unsrige von Salzburg nach Berlin unheimlich Spaß: Gut ausgebaute Strecken führen durch verkehrsarme Gegenden und anheimelnde Landschaften; am Straßenrand laden Wirtshäuser und Biergärten zur Rast ein. Und nicht zuletzt kann man nach Belieben die Tour in der nächsten Kreisstadt unterbrechen zu, wenn man keine Lust zum Weiterfahren mehr hat. Die Mühe, die man sich mit der Planung macht, wird durch unerwartet viele Erlebnisse auf einer ländlichen Alternativstrecke mehr als aufgewogen.
Streckenplan
Die zugehörige .gpx-Datei zum Nachfahren findest du hier.
Landkarten
ADAC Regionalkarte 06 Berlin und Umgebung, 1:150.000
ADAC Regionalkarte 10 Dresden Chemnitz Erzgebirge, 1:150.000
ADAC Regionalkarte 13 Bayreuth Regensburg Bayerischer Wald, 1:150.000
ADAC Regionalkarte 16 Oberbayern, 1:150.000
Touristische Informationen
https://www.ostbayern-tourismus.de/
https://www.sachsen-tourismus.de/jetzt-nach-sachsen/regionen/erzgebirge
https://www.sachsen-tourismus.de/jetzt-nach-sachsen/regionen/chemnitz-zwickau-region
Aktualisiert am 18/09/2023 von Christian
Georg Gillhuber
18. September 2023 at 19:00
Lieber Christian, bitte prüfen Deine Angaben zu Landshut am Inn! Landshut liegt nämlich an der Isar! Zwischen LA und Rgb. verlauft die B 15 und B 15 N.
Nichts für ungut und weiterhin genussvolle Zeit für Deine tollen Erzählungen.
Beste Grüße Georg aus Obb./Ndb.
Christian
18. September 2023 at 20:10
Lieber Georg,
herzlichen Dank für Deine Korrekturhinweise! Man soll beim redigieren halt genau hinschauen und nichts übereilen.
Viele Grüße und gute Fahrt,
Christian