Was sind für mich die größten Ärgernisse auf einer Motorradtour? Hier ist meine – sehr persönliche – Hitliste.
Ein Wort vorweg
Ein Beitrag über Ärgernisse auf einer Motorradtour ist vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie eigentlich unangebracht, denn es gibt derzeit weitaus größere Sorgen: Um die Gesundheit zum Beispiel. Öffentliches, geschäftliches und privates Leben unterlagen weitgehenden Beschränkungen. Motorradfahren war dann – bis auf enge, genau definierte Ausnahmen – weithin kein Thema.
Deshalb gebe ich diesem Beitrag eine andere Sinnrichtung: Gewiß kann man sich über vieles und viele ärgern. Aber im Leben es gibt weitaus Wichtigeres. Deshalb bitte ich, die nachfolgenden Zeilen mit einer gebührenden Prise Humor zu lesen. Gerade der ist wichtig in diesen Zeiten.
Anstösse
„Ärgernisse“ sind etwas „Anstoß Erregendes“. Das empfinde ich manchmal, wenn auf einer Motorradtour mein Ingrimm über bestimmte Dinge so schwarz wird wie das windschlüpfrige Kleid meiner FJR. Dann würde ich am liebsten meinem Temperament freien Lauf lassen und grummeln oder aus der Haut fahren, je nachdem. Doch wenn Motorrad fahren so schön ist – was bringt mich dann bei einer Tour in Rage?
Die beste Antwort darauf gibt eine virtuelle Ärgernis-Motorradtour. Die Fahrt beginnt vielversprechend – und dann das:
Phlegmatisches Navi im Kreisverkehr
Eine der genialsten Erfindungen ist für den Tourenfahrer zweifellos das Navi. Zumindest, solange es zuverlässig die geplante Strecke weist. Seine treuen Dienste enden jedoch an häufig Kreisverkehren, von denen aus mehrere Straßen unterschiedlicher Ordnung in unterschiedlichen Winkeln abzweigen.
Bis das Bild auf dem Display endlich stillsteht, bin ich längst zwei Abzweige weiter und rödele um die Verkehrsinsel herum auf der Suche nach der richtigen Ausfahrt. Soll das jetzt eine Sondereinlage mit Schräglagentraining werden? Fazit: Ein phlegmatisches Navi mit herumzappelnder Anzeige ist das erste Ärgernis auf meiner Motorradtour.
Tristesse von Regenfahrten
Daß unterwegs die Dusche voll aufdreht, gehört zu einer Motorradtour wie Sonne und Wind. Ist halt so. Regenfahrten haben wir alle schon durchgemacht und wacker ertragen. Im Grunde sind sie gar nicht sooo schlimm, denn letztendlich lassen sie sich gut durchstehen mit wasserdichter Fahrerausstattung, ordentlichem Nässegrip und angepaßter Fahrweise. Unsere britischen Motorradkameraden könnten dazu einiges kommentieren.
Ausgesprochen mißlaunig werde ich aber, wenn nach einer zweiwöchigen Regenfahrt der ersehnte Motorradurlaub buchstäblich ins Wasser gefallen ist. Viel schlimmer als der Dauerregen ist der bleierne Blues, der mich fern der Heimat inmitten der schwergrauen, nassen Tristesse auf der Motorradtour befällt. Vielleicht zieht es mich deshalb so sehr in den Süden mit seiner Sonne und seiner heiteren Leichtlebigkeit?
Regenkombi
Vor dem Start warst du schlau genug, an deine einteilige Regenkombi zu denken. Zum Drüberziehen über das leichte Sommer-Outfit. Prompt fängt es nach 200 km an zu schütten. Also hältst du unter einer Überführung, bist richtig stolz auf deine weise Voraussicht und schlüpfst in das mannshohe Gummiteil. Weitere 150 km: Die Tankanzeige leuchtet auf. An der nächsten Tankstelle auffüllen bis Oberkante Unterlippe und zur Kasse. Tropfnass natürlich. Aber wo ist der Geldbeutel? Verdammt, der steckt natürlich tief in der Jacke, unter der Regenkombi. Also legst du leise fluchend im Tankstellenshop einen (fast) perfekten Strip hin. Währenddessen mustern dich die umstehenden ländlichen Halbschönheiten, als wärest du einer von den Chippendales.
Selbst wenn ich diesem Szenario eine lustige Seite abgewinnen kann – aber auch meine eigene Schusseligkeit ist mir ein höchst privates Ärgernis auf einer Motorradtour.
Helm herumschleppen
Bei einem Stadtrundgang auf einer Motorradtour stellt sich immer wieder die gleiche Frage: Wohin mit dem Helm? Die Koffer sind voll Gepäck. An meiner Maschine gibt es kein Helmschloß. Und einem simplen Kabelschloß zur Befestigung des Helms am Rahmen traue ich nicht. Außerdem heizt sich der kugelige Kopfschutz in der prallen Hochsommersonne richtig schön auf.
Deshalb habe ich einen alten Kamera-Trageriemen angeflanscht, mit dem ich meinem Helm seitlich – wie einen Messenger-Bag – bei mir tragen kann. Die Hände bleiben damit frei.
So praktisch diese Lösung auch sein mag – trotzdem gehört der kullernde Helm um die Hüften herum zu den Ärgernissen auf einer Motorradtour.
Wichtigtuer
Wer kennt nicht das Standard-Szenario auf der Passhöhe: brillianter Tag, kristallklare Sicht auf schneebekrönte Bergketten, der Kopf nach endlosen Serpentinenfolgen geflutet mit Eindrücken und Endorphinen. Jetzt möchtest du nur eines: auf den Aussichtspunkt zusteuern und in aller Ruhe entspannt durchatmen.
Doch von diesem Traum kannst du dich schnell verabschieden. Denn das Bellevue ist okkupiert von einer Männergruppe fortgeschrittenen Alters, zur Rundlichkeit neigend, reduzierte Körperpflege durch auffallende Bekleidung kompensierend. Ihre Maschinen, meist vom Typ Großenduro, gereichen jedem Ausrüsterkatalog zur Ehre.
Selbst wenn du den Blick in die Bergesferne abwendest, bleibst du nicht von der kollektiven Überakustik verschont: stimmgewaltige Kommentare zu Kicks und Kurven, fachsimpelndes Getöse zu Drehmoment und Durchstarten. Die Herren haben eben das Motorradfahren erfunden. Und die erhabene Bergwelt wahrscheinlich gleich mit dazu.
Ein kleineres, aber verkraftbares Ärgernis auf einer Motorradtour.
Technische Überforderung
Eine weitere Spezies triffst du auf offener Strecke. Über viele Kilometer siehst du dem Fahrer (im Rückspiegel oder durch die Scheibe) an, daß die Potenz der Maschine, mit der er sich in der Öffentlichkeit präsentiert, ihn hoffnungslos überfordert. Zunächst beobachtest du ihn bei einem hirnlosen Überholmanöver. Und später wieder. Wenn es gut geht, an der Ampel oder auf einem Parkplatz. Im schlimmeren Falle beim Gespräch mit der Rennleitung oder gar im Graben.
Eine Kilogixxer oder eine Panigale macht noch keinen talentierten Fahrer aus und ersetzt schon gar keine langjährige Routine. Solche Leute sind nicht nur ein Ärgernis. Sie sind auch gefährlich, in erster Linie für sich selbst. Die Parade der Gedenkkreuze am Straßenrand spricht Bände.
Fehlende Selbstdisziplin
Manchen Leuten scheint im Laufe der Zeit der Fahrtwind jegliche Erinnerung an all das aus dem Hirn geblasen zu haben, was man ihnen in der Fahrschule eingetrichtert hat. Spätestens bei einem waghalsigen Überholmanöver erkennen wir, daß der Raser offensichtlich massive Probleme mit sich selbst hat: Das kann mit fehlendem Risikobewußtsein zusammenhängen oder mit der Unfähigkeit, seine Impulse zu kontrollieren. Konkurrenzdenken kann dabei ebenso mitspielen wie die Überschätzung der eigenen Fahrqualifikation – oder ganz einfach Stressabbau auf dem Motorrad.
Solche Leute sind nicht nur ein Ärgernis auf einer Motorradtour. Sie sind auch gefährlich, für uns und andere.
Wirre Helmfrisur
Wer nicht gerade als Skinhead mit dem Motorrad unterwegs ist, kennt den Anblick seiner zerzausten Frisur nach Abnehmen des Helmes. Bei der Ankunft an der Arbeitsstelle, im Restaurant oder im Hotel wird man so wohl kaum Eindruck damit schinden. Alles wirr.
Selbst wenn mich ein kritischer Blick in den Rückspiegel zu Kamm und Bürste greifen läßt: Wirres Haar bei der Ankunft am Ziel ist mir ein Graus.

So siehst du aus, wenn du nach dem Motorradfahren ungekämmt zur Arbeit kommst.
Hier kommst du nicht rein
Eine gewisse Sorte von Hotel-Rezeptionisten neigt dazu, einen verstaubt und verschwitzt eintreffenden Motorradfahrer mit der Auskunft abzuspeisen, es sei kein Zimmer mehr frei. Groß darin sind nach meiner Erfahrung die Empfangschefs der spanischen Paradores. Häufig reagieren sie abweisend und ändern ihren Sinn erst durch Konfrontation mit einer Buchungsbestätigung – oder aus Sorge vor unmittelbarem Zwang.
Gott sei Dank hat sich das mit den Buchungsportalen deutlich gebessert. Aber solche Menschen sind mir trotzdem ein Ärgernis auf einer Motorradtour.
Unnötige Gepäckschlepperei
Wenn ich mir an einem langen Tourentag das Kreuz lahm gefahren habe, freue ich mich abends auf ein angenehmes Quartier. Dabei scheine ich aber ein seltsames Abonnement gebucht zu haben, denn die Rezeptionisten schicken mich konsequent mit meinem schweren Gepäck auf ein Zimmer im hintersten Winkel des Hotels. Am besten im 5. Stock ganz am Ende des langen Flurs. Körperliche Tätigkeit hatte ich tagsüber wirklich schon genug. Da brauche ich am Ende nicht auch noch die elende Schlepperei.
Das Ende der Geschichte: Unnötige Kofferschlepperei ist mir ein echtes Ärgernis am Ende einer Motorradtour muß nicht sein.

Ein traumhaftes Turmzimmer im Périgord – aber erreichbar nur mit mühseliger Gepäckschlepperei über schmale, steile Treppen
Aktualisiert am 16/06/2020 von Christian
Christoph
1. November 2020 at 23:46
Hallo Christian,
kann mir an Dieser Stelle einen Kommentar nicht verkneifen. Den Grund für die von Dir beschriebene Ärgernis „Hier kommst du nicht rein“ und „unnötige Gepäckschlepperei“ hast du selber bereits genannt.
Die von Dir beschriebene Spezies der „Wichtigtuer“, waren ggf. bereits vor Dir in Diesen Hotels gewesen und haben einen schlechten Eindruck hinterlassen. Insbesondere in Spanien (lebe teilweise dort) achtet man heute noch auf Etikette beim Besuch eines Restaurants. Viele der oben beschriebenen Landsleuten, welche nicht alleine sondern zudem auch noch in Gruppen auftreten, kommen mit verschwitzen T-Shits und Badelatschen zum Essen-das ist für den REzeptionschef eines Paradors unerträglich und er verszichtet daher gerne auf solche Gäste. Leider wird man aufgrund des Kennzeichens mit diesen Leuten zu Unrecht in einen Sack gesteckt.
Gleiches gilt für 1 Mal Übernachtungen. Damit man niemanden stören kann, wird man in den entlegensten Winkel des Hotels verbannt….
Meine Erfahrung ist, dass wenn man sich wie ein Gast benimmt, wird man auch meistens so behandelt. Ich versuche als Reisender die Schönheit eines Landes zu entdecken und dabei die kulturellen Normen zu beachten. Ein Tourist ist ein Konsument eines Produktes, der sich weder für das Land noch die Kultur interessiert und es dementsprechend auch nicht respektiert.
Leider gibt es viele davon in unserem Land….
Christian
2. November 2020 at 17:14
Lieber Christoph,
in diesen Punkten stimme ich voll mit Dir überein. Man sollte halt – wie überall im Leben – sich so benehmen, daß man überall dort, wo man hingekommen ist, auch zum zweiten Male gern gesehen und aufgenommen wird. Manchen gelingt das halt besser als anderen. Wichtig ist aber, daß man zunächst an sich selbst einen strengen Maßstab anlegt.
Viele Grüße
Christian
Wolfgang
11. Juli 2022 at 21:04
Hallo Christian, also die „Männergruppe von …“ habe ich erst kürzlich erlebt, die mit ihren bayrischen Bikes fast bis in die Lobby eines 4-Sterne-Hotels gerollt sind. Mir war’s peinlich, denen leider so überhaupt nicht. Allerdings konnte ich den Rezeptionisten positiv verwirren – beim check-in noch in Montur, durchschritt ich wenig später die Lobby frisch gemacht im 4-Sterne-adäquaten Sommeroutfit. Der dachte wohl auch erst ich würde in Badehose, T-Shirt und FlipFlops aufkreuzen. Plötzlich war man ausgesprochen zuvorkommend *gg*
Wie Du schreibst – benimm Dich wie ein Gast und Du wirst auch wie einer behandelt.
Stay safe
Christian
11. Juli 2022 at 21:43
Hallo Wolfgang, leider sind solche Erlebnisse nicht auf die Motorradszene beschränkt. Man möchte halt nicht gerne mit Leuten in einen Topf geworfen werden, für deren Verhalten man sich schämen möchte. Aber erfahrene Rezeptionisten wissen schon, wo sie wen hinzustecken haben. Noch eine schöne Sommersaison und viele Grüße, Christian