Eine Motorradtour zum Mont Ventoux ist eine super Sache: bezaubernde Landschaft und tolle Fahrstrecken. Gut essen kann man unterwegs auch.
Worum geht's hier?
- Die Mutter aller Bergtouren
- Streckenplan unserer Motorradtour zum Mont Ventoux
- Blütenzauber in der Drôme Provencale
- Durch die Schluchten der Drôme
- Romantisches Basislager für den Anstieg zum Mont Ventoux
- Start zur Motorradtour zum Mont Ventoux
- Auf dem Gipfel des Mont Ventoux
- Kurvenfahrt ins Tal
- Stärkung für die Rückfahrt
- Abschluss der Motorradtour zum Mont Ventoux
- Verdiente Ruhepause im grünen Idyll
Die Mutter aller Bergtouren
Mein lang gehegter Wunsch ging endlich in Erfüllung: Eine Motorradtour zum Gipfel des Mont Ventoux in Südfrankreich. Auf den ersten aus reinem Spaß an der Freude bestiegenen Berg der Welt. Anfahrt, Umgebung, die Tour selbst und ihr historischer Hintergrund gehören zur Sonderklasse der Motorrad-Bergtouren.
Der Mont Ventoux war der erste Berg, der ausschließlich um des Besteigens willen erklommen wurde. Im Jahre 1336, von Francesco Petrarca, dem Dichter und Mitbegründer des Renaissance-Humanismus.
In summo finis est omnium et viae terminus ad quem peregrinatio nostra disponitur. Eo pervenire volunt omnes.
Auf dem Gipfel ist das Ende aller Dinge und des Weges Ziel, darauf unsere Pilgerfahrt gerichtet ist.
— Francesco Petrarca in einem Brief aus Malaucène vom 26. April 1336
Der italienische Dichter Francesco Petrarca (1304 – 1374) bestieg als Erster einen Berg, nur um oben anzukommen. Der Mont Ventoux grüßt aus dem Hintergrund.
Welcher Teufel hat uns geritten, ausgerechnet am Wochenende des französischen Ferienbeginns diese Tour zu unternehmen? Wenn das ganze Land auf Achse und auf den Hauptstraßen kein Durchkommen mehr ist? Und dann noch zum Mont Ventoux, dem Ziel der 18. Etappe der diesjährigen Tour de France. Mit 242,5 km von Givors aus ist dies wohl die härteste Etappe der gesamten Tour.
Für uns hieß dies: Nur Nebenstraßen fahren. Und die mit aller Gelassenheit.
Streckenplan unserer Motorradtour zum Mont Ventoux
Lyon – Valence – Crest – Dieulefit – Nyons – Faucon – Malaucène – Dieulefit – Lyon. 563 km
Blütenzauber in der Drôme Provencale
Zu unserer nicht geringen Überraschung herrscht nur mäßiger Verkehr. So können wir bei forscher, aber gelassener Gangart gen Süden rollen. An einem Picknickplatz hinter Romans-sur-Isère erobern wir uns einen schattigen Tisch, auf dem Christines überaus schmackhafter Nudelsalat unserem Wolfshunger zum Opfer fällt.
Danach strecken wir auf den schmalen Holzbänken unsere müden Knochen aus, während das Motorengeräusch vorbeifahrender Autos in immer weitere Ferne rückt.
Nach einem halben Stündchen treten wir erfrischt die Weiterfahrt an, südlich am Vercors vorbei und auf die Drôme zu. Diese kennen wir schon von früheren Touren. Sie begrüßt uns mit einer betörenden Duftwolke aus Lavendel, Ginster, Rosmarin und Pinien. Leuchtend gelbe Büsche säumen unser schmales, gewundenes Landsträßchen. Endlose Lavendelrücken lösen sich ab mit fetten Weinstöcken und goldgelbem Getreide. Bei Saou biegen wir dann links in eine wildromantische, bewaldete Schlucht ein. Hinauf zum Forêt de Saou, einem wildromantischen Naturschutzgebiet mit seltenen Tier- und Pflanzenarten. In vollen Zügen genießen wir Stille, Duft und Farben.
Durch die Schluchten der Drôme
Unser Landsträßchen mündet in eine Schlucht, die Gorges de Trente Pas. Am Fuße turmhoher Felsen, umrauscht von einem wilden Bächlein, finden wir einen Parkplatz. Eine Trink- und Ruhepause ist überfällig. Wenig später erreichen wir das zauberhafte mittelalterliche Städtchen Nyons, in dem wir uns näher umsehen. An Supermarkt und Tankstelle legen wir die üblichen weiteren Stops ein, um uns für die restlichen Tageskilometer und die morgige Etappe zu rüsten.
Highlight von Nyons ist die 1409 fertig gestellte Bogenbrücke mit einer Spannweite von 40,5 m. Wir überqueren sie mit dem Gefühl, ein ganz besonderes Bauwerk unter den Rädern zu haben.
Romantisches Basislager für den Anstieg zum Mont Ventoux
Mit Spannung nähern wir uns unserem Quartier in Faucon. Ein wunderschön ausgebautes altes Bauernhaus mit Swimming Pool in einem Pinienhain. So einsam gelegen, daß wir es trotz kartographischer Routine erst nach einigen Runden finden. Im betörenden Pinienduft genießen wir ein erfrischendes Bad und anschließend das Abendessen auf der Terrasse.
Start zur Motorradtour zum Mont Ventoux
Nach einem opulenten Frühstück auf der Terrasse nehmen wir am nächsten Morgen schweren Herzens Abschied von unserem schönen Quartier und kehren zurück auf die Straße :
- D 974 auf den Mont Ventoux
- D 938/975/976/538 über Dieulefit und Bourdeaux nach Crest
- D 538 wieder nach Hause
Ein kurvenreiches Nebensträßchen führt uns zu unserem Tourziel, dem Mont Ventoux. Entgegen unseren Vorstellungen nimmt er sich jedoch alles andere als majestätisch aus. Mit seiner hellen steinigen Glatze ähnelt er eher dem Juraktau bei Sterlitamak in Baschkortostan.
Schon Petrarca notierte:
… est enim praerupta et paene inaccessibilis saxosae telluris moles …
[Der Berg] ist nämlich eine jäh abstürzende, kaum ersteigbare Felsmasse …
Für die weitere Navigation genügt es, der Ameisenstraße von Radlern zu folgen, die gleichfalls dem Gipfel zustreben: durchtrainierte Sportler, Altgediente, Halbwüchsige, wettergegerbte Tourenradler, Klappräder und was sonst alles noch rollt.
Der Genuß an dieser 12%igen Quälerei erschließt sich mir nicht. Viel mehr genieße ich die bullige Drehmomententfaltung meines Boxers, die sporadische Verfolger rasch im Rückspiegel verschwinden läßt.
Dennoch: Die Radler haben ob ihrer Anstrengung meine volle Bewunderung. Ich richte deshalb meine Fahrweise darauf ein, ihren Fahrspaß nicht zu beeinträchtigen.
Auf dem Gipfel des Mont Ventoux
Mit seinem Parkplatz und einer steingewordenen Abscheulichkeit von Bergstation ist der Gipfel so unspektakulär die die Fahrt selbst. Erstaunlich unkaputte Fahrer klatschen hier an und machen sich sogleich auf die Talfahrt.
Im frischen Bergwind genießen wir den Talblick. Doch verstecken sich die von Petrarca in Aussicht gestellten Pyrenäen, das Mittelmeer und die Monts Lyonnais im leider Dunst:
Limes ille Galliarum et Hispaniae, Pirenaeus vertex, inde non cernitur, nullius quem sciam obicis interventu, sed sola fragilitate mortalis visus; Lugdunensis autem provinciae montes ad dexteram, ad laevam vero Massiliae fretum et quod Aquas Mortuas verberat, aliquot dierum spatio distantia, praeclarissime videbantur; Rhodanus ipse sub oculis nostris erat.
Der Grenzwall der gallischen Lande und Hispaniens, der Grat des Pyrenäengebirges, ist von dort nicht zu sehen, nicht daß meines Wissens irgendein Hindernis dazwischen träte – nein, nur infolge der Gebrechlichkeit des menschlichen Sehvermögens. Hingegen sah ich klar zur Rechten die Gebirge der Provinz von Lyon, zur Linken sogar den Golf von Marseille, und den, der gegen Aigues-Mortes brandet, wo doch all dies einige Tagesreisen entfernt ist. Die Rhone lag mir geradezu vor Augen.
Kurvenfahrt ins Tal
Doch je tiefer wir hinabrollen Richtung Malaucène, vorbei an ermatteten Radlern und rauchenden Oldtimern, desto klarer profilieren sich die landschaftlichen Details.
Mit voller Beladung verursacht unsere Fuhre in den steilen Serpentinen üble Lastwechselreaktionen, die sich nur durch zartfühlenden Einsatz der Kupplungs- und Gashand einigermaßen zivilisieren lassen. Beileibe kein technisches Wunderwerk, das der zweitgrößte Getriebehersteller der Welt da (an BMW) abgeliefert hat.
Stärkung für die Rückfahrt
Da der Ortspfarrer pünktlich zu unserem Einrollen in Malaucène das Mittagsläuten in Gang gesetzt hat, widersetzen wir nicht länger dem aufkommenden Hungergefühl und lassen uns auf der Terrasse einer Straßenbrasserie nieder. Eine unvermutet schmackhafte und originalgetreue Pizza tröstet uns über die Aussicht hinweg, daß nach dem Bezahlen der Rechnung noch 250 km Hitzestrecke zu überwinden sein werden.
Abschluss der Motorradtour zum Mont Ventoux
Wir teilen sie in gut verkraftbare Etappen und lassen uns von der herrlichen Landschaft mit blühenden Lavendelfeldern und einem endlosen Reigen blühender Ginsterbüsche vereinnahmen. Unbelehrbar, wie wir manchmal sind, lassen wir uns in dem malerischen Örtchen Bourdeaux in einem Straßencafé zu einem Café crème hinreißen. Wider besseres Wissen um dessen fast landestypisch brutale Wirkung auf die Magenschleimhaut. Begierig schlucken wir deshalb beim nächsten Tankstop an einem unwirtlichen Einkaufszentrum in Crest eine ganze Flasche Mineralwasser, auf Linderung hoffend.
Verdiente Ruhepause im grünen Idyll
Mit lockerer Gashand überwinden wir im Geschwindschritt die nächsten 100 oder so km bis hinter Romans. Lange Zeit halten wir vergebens Ausschau nach einem akzeptablen Rastplatz. Als Entscheidung einer Millisekunde biege ich auf ein kleines Teersträßchen ein, das, ein Flüßchen überquerend, auf eine schattenspendende Baumgruppe am Rande einer Wiese zuführt.
Selten war Absteigen sooo schön. Wir zapfen die mitgenommene Thermoskanne ab, falten unsere Motorradjacken zu feldmäßigen Kissen und lassen uns ermattet auf der Wiese nieder. Der Blick reicht durch die Krone der wuchtigen Akazie ins Unendliche, Vögel unterhalten uns mit ihrem Gezwitscher und die Verkehrsgeräusche gleiten in ein Nichts ab:
O mihi tum quam molliter ossa quiescant … hic gelidi fontes, hic mollia prata
Wie sanft, ach, ruhen meine Gebeine … Hier ist Kühlung des Quells, hier schwellender Rasen
— Vergil, Bucolica 10, 33 + 42
Erfrischt schwingen wir uns wieder in den Sattel, um die letzten unspektakulären 100 km zu absolvieren. Glanzlose Heimkehr, aber voll wunderschöner Erinnerungen.
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